Automobilzulieferer in der Krise:"Dann stehen die Bänder still"

Die Autokrise trifft auch die Zulieferer mit voller Wucht - nach Kurzarbeit und Stellenabbau drohen jetzt die ersten Insolvenzen.

Ralf Wiegand

Im Meer der schlechten Nachrichten aus der Automobilbranche gab es am Freitag immerhin eine gute: Die sofortige Insolvenz des Zulieferers Gimotive/Stankiewicz GmbH aus dem niedersächsischen Celle ist vorerst abgewendet, die 1300 inländischen Arbeitsplätze des Unternehmens scheinen zunächst gesichert.

Automobilzulieferer in der Krise: Eine Bosch-Mitarbeiterin überwacht die Fertigung von Diesel-Einspritzdüsen im Werk Bamberg. Der weltweit größte Autozulieferer hat für dieses Werk bereits Kurzarbeit angemeldet.

Eine Bosch-Mitarbeiterin überwacht die Fertigung von Diesel-Einspritzdüsen im Werk Bamberg. Der weltweit größte Autozulieferer hat für dieses Werk bereits Kurzarbeit angemeldet.

(Foto: Foto: dpa)

Der Hersteller für Schallisolationen und Gummibeläge war in Zahlungsschwierigkeiten geraten und sollte bis zum heutigen Samstag Kredite an ein Landesbanken-Konsortium unter der Führung der Hessischen Landesbank zurückzahlen. Am Freitag geben die Banken Aufschub für eine Woche.

Ein kleiner Lichtblick - denn ansonsten spitzt sich die Lage der Autozulieferbranche nun rapide zu: Am Freitag meldet Geiger Technologies in Garmisch-Partenkirchen, Hersteller spezieller Kunststoffteile zur Führung von Flüssigkeiten und Gas in Fahrzeugen, Insolvenz an - betroffen sind 900 Mitarbeiter.

Europas größter Automobilzulieferer Und auch Branchenprimus Bosch weitet die Kurzarbeit in seinen Werken aus, nach Bamberg haben nun auch 515 Mitarbeiter des Werkes in Rommelsbach weniger Arbeit. Die Talfahrt der Autoindustrie trifft die Zulieferbranche nun mit voller Wucht - das aber könnte schon bald dramatische Folgen für die Hersteller haben.

Konzerne alarmiert

Der Verband der Automobilindustrie (VDA) hat vor allem den Fall des niedersächsischen Unternehmens Gimotive/Stankiewicz zum Anlass genommen, um die Banken in der Krise an ihre Verantwortung zu erinnern, gerade auch für kleinere und mittlere Zulieferbetriebe. "Die Brisanz steckt in der gesamten Wertschöpfungskette", sagte VDA-Sprecher Eckehart Rotter . "Auch wenn ein Unternehmen nur in der dritten Reihe steht: Fällt es aus und gibt es keinen Ersatz für sein Produkt, stehen bei den Autoherstellern auch die Bänder still."

Eine solche Situation fürchteten offenbar die deutschen Premium-Hersteller Mercedes, Audi und BMW, allesamt Kunden des Schalldämmungs-Spezialisten aus Celle. Die Unternehmen beteiligten sich gemeinsam mit den niedersächsischen Ministerien für Wirtschaft und Finanzen an den Verhandlungen mit den kreditgebenden Banken. Die hatten zunächst trotz guter Auftragslage bei Stankiewicz für das kommende Jahr eine Zwischenfinanzierung der durch die Absatzkrise auf dem Markt drohenden Liquiditätslücke verweigert.

Besonders brisant: Das Konsortium besteht aus der Hessischen Landesbank, der Nord LB, der SaarLB, der Landesbank Baden-Württemberg und der IFK. Drei dieser fünf Banken haben bereits am Rettungsprogramm der Bundesregierung partizipiert. Das empört den VDA. Das Programm habe nicht das Ziel, die Bankbilanzen aufzubessern, "sondern den Übergriff der Bankenkrise auf die Realwirtschaft abzufedern", sagte VDA-Mann Rotter. Es könne daher nicht sein, dass Banken "einem Unternehmen den Hahn abdrehen, bevor dieses Unternehmen überhaupt agieren konnte".

Die Banken hatten sich durch die Liquiditätsschwäche des Unternehmens veranlasst gesehen, Kredite ultimativ mit Fälligkeit 15. November zurückzufordern. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung benötigte die Firma zu diesem Zeitpunkt sechs Millionen Euro, im Januar 2009 weitere zwölf Millionen.

Nach einem Krisengipfel am Freitag hieß es, das Banken-Konsortium habe sich doch noch bewegt: Die Kreditunterehmen setzten ihre Kreditkündigungsrechte bis Ende nächster Woche aus und halten alle Kreditlinien offen. In dieser Zeit wird nach SZ-Informationen über eine Landesbürgschaft verhandelt, abgesichert durch die landeseigene Förderbank NBank. Die niedersächsische Landesregierung brauche den Aufschub, hieß es, um die Lage im Unternehmen serös prüfen zu können.

Engpässe überbrücken

Der Fall wirft ein Schlaglicht auf die Situation der Branche. Bisher, so VDA-Sprecher Rotter, hätten die Banken stets geleugnet, dass die Automobilzulieferer vor Zahlungsnöten stünden: "Sie haben Kreditengpässe immer in Frage gestellt."

Es könne nicht sein, dass ein Unternehmen über Aufträge verfüge, die Banken aber angesichts der Krise des Automarktes eine Zwischenfinanzierung verweigerten. Es sei "Aufgabe der Banken, Marktanpassungen abzufedern", sagte Rotter. Eine Entspannung ist aber nicht in Sicht. Am Freitag meldete der europäische Branchenverband ACEA für Oktober ein Minus beim Neuwagenverkauf von 14,5 Prozent gegenüber September - den sechsten Rückgang in Serie.

Nicht jede Schieflage kann mit dem Druck der Banken erklärt werden. So stellt sich im bayerischen Garmisch-Partenkirchen die Situation anders dar. Dort ist die indische Sintex-Gruppe, zu der das Unternehmen Geiger Technologies gehört, ihren Verpflichtungen angeblich nicht nachgekommen. 900 Arbeitsplätze sind nun davon abhängig, ob der Zulieferer im Insolvenzverfahren noch zu retten ist.

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