Automobilklub:Der ADAC wird seine Intrigen nicht los

'HELFER sind TABU! - Keine Gewalt gegen Einsatzkräfte!'

Im Alltag geben sie die Retter. Hinter den Kulissen des ADAC aber laufen verbitterte Intrigenspielchen.

(Foto: dpa)
  • Glaubt man den Verantwortlichen beim ADAC, so ist der Automobilklub nach Jahren voller Skandale endlich reformiert.
  • Hinter den Kulissen jedoch sieht es anders aus: Dort dominieren Intrigen - und wirklich verändert hat sich in der Unternehmensstruktur wenig.
  • Bei der ADAC-Hauptversammlung am Samstag könnte das öffentlich zum Vorschein kommen.

Von Uwe Ritzer

Es ist eine Reise in seine dunkle Vergangenheit, die der ADAC gerade unternimmt. An diesem Samstag tagt die Hauptversammlung ausgerechnet in Nürnberg, wo schon 2010 Vorboten jener Krise zu spüren waren, die Europas größten Automobilklub erst 2014 voll erfasste und seither durchschüttelt. Es ging um Sexismus und Mobbing beim in Nürnberg ansässigen Regionalklub Nordbayern, sogar Abhörwanzen waren dort montiert worden. Vieles deutete 2010 schon darauf hin, dass es mit der propagierten, gelben Herrlichkeit insgesamt nicht mehr weit her war, doch wirklich aufgearbeitet wurde das nicht. Erst das Auffliegen jahrelanger Manipulationen bei einem Autopreis und zweifelhafte Geschäfte zwangen den ADAC 2014 dazu, sich zu hinterfragen.

Die wichtigsten Amtsinhaber aus der Zeit der Schmuddeleien beim ADAC Nordbayern sind noch heute auf ihrem Posten. Insofern hat sich dort nichts geändert. Die ADAC-Organisation insgesamt aber wurde mittlerweile reformiert. Und hofft nun, wieder zur Normalität zurückzukehren, nachdem sie drei Jahre lang mit sich selbst beschäftigt war. Präsident August Markl, 68, will den ADAC vom autofixierten Pannenhelfer zum Mobilitäts-Dienstleister umkrempeln. Entsprechend sind die Digitalisierung des ADAC und seiner Angebote, sowie die Mobilität der Zukunft die großen Themen der Nürnberger Hauptversammlung.

Die Revanche für Markl würde kommen, so viel war klar

Hinter den Kulissen allerdings laufen Intrigenspielchen wie eh und je. So könnte Markl bei seiner Wiederwahl zum Präsidenten einige Schrammen abbekommen. Gewählt wird geheim, und er selbst rechnet - obwohl bislang einziger Kandidat - keineswegs mit einstimmiger Zustimmung. "Ein ehrliches Ergebnis in geheimer Wahl ist mir aber lieber, als eine einstimmige Zustimmung per Akklamation", sagt er. 2014, als auf dem Höhepunkt der Krise Peter Meyer als absoluter ADAC-Regent abdankte, übernahm sein Stellvertreter Markl zunächst kommissarisch und das nur widerwillig. Dann ließ sich der pensionierte Radiologe aus Oberbayern aber doch bis zum Ende der laufenden Wahlperiode 2017 wählen. Jetzt tritt Markl erstmals für eine volle vierjährige Amtszeit an.

In der Zwischenzeit hat er sich nicht nur Freunde gemacht. Gestartet als Funktionär alter Schule, zog August Markl überraschend konsequent Reformen durch, allen Querschüssen der alten Kader sowie seiner Vorgänger Peter Meyer und Otto Flimm zum Trotz. Als sich der ADAC auf sein Betreiben hin vor einem Jahr in Verein, Aktiengesellschaft und Stiftung aufsplittete, stimmten einige Delegierte nur mit der Faust in der Tasche zu. Die Aufsplittung hat dem ADAC zwar vor dem zuständigen Registergericht den wichtigen Status als Verein gerettet. Doch die Revanche, das war klar, würde irgendwann kommen.

Präsidiumsposten dank aufwendiger Wahlkampfbroschüre

Nun kämpfen August Markls Gegner wieder um mehr Einfluss im ADAC. Darauf deutet allein schon die Kampfkandidatur von Andrea Schmitz hin. Sie will ADAC-Vizepräsidentin für Tourismus werden und fordert nun Amtsinhaber Kurt Heinen heraus, der von Markl unterstützt wird.

Schmitz ist die Abgesandte des Regionalklubs Nordrhein, dem Reich des Markl-Vorgängers Meyer. Sie wäre in der 114-jährigen ADAC-Geschichte die erste Frau im Präsidium. Sie wäre aber auch die erste, die sich ein Präsidiumspöstchen unter anderem mit einer aufwendig gestalteten Wahlkampfbroschüre erkämpft hätte. Peter Mayer hatte das Heftchen an die Delegierten verschickt, mit der ausdrücklichen Bitte um Unterstützung der Kandidatin.

Compliance-Regeln gibt es - es befolgen sie nur nicht alle

Eitles Funktionärsgezänk, gewiss, und dass Meyer und Markl in diesem Leben wohl keine Freunde mehr werden, überrascht nicht. Doch die Spielchen sind auch ein klares Indiz dafür, dass der ADAC seine Krise noch nicht überwunden hat. Nicht nur in Nordbayern, sondern in den meisten Regionalklubs ist der nach 2014 erhoffte Generationswechsel ausgeblieben. Auch alle Versuche, mehr Mitglieder und vor allem mehr Frauen für die ADAC-Vereinsarbeit zu gewinnen, tragen bislang kaum Früchte.

Von Aufbruchstimmung daher keine Spur, auch wenn der ADAC voraussichtlich noch in diesem Jahr sein zwanzigmillionstes Mitglied begrüßen wird. Nach wie vor gibt es in manchen Gliederungen, gemessen an heutzutage üblichen Standards, archaische Vorstellungen, was Compliance angeht, sauberes Wirtschaften also. Im Regionalklub Westfalen etwa findet man es nach wie vor ganz in Ordnung, dass die Planung von mehreren Millionen Euro teuren Bauvorhaben in Gelsenkirchen und Hagen ohne Ausschreibung vergeben wurden. Praktischerweise an einen alten Bekannten des Regionalklubvorsitzenden, der zufällig auch Architekt ist. Das kostete besagtem Vorsitzenden zwar auch seinen Zweitjob als Vizepräsident des Gesamt-ADAC, doch die Forderung Markls und der anderen Präsidialen an die Westfalen nach weiteren Konsequenzen, verhallten ebenso ungehört wie jene der neuen ADAC-Compliance-Experten.

Mitglieder sollen nichts spüren, weder Ausgaben, noch Sparpläne

Die alten Funktionärskader haben ihren Einfluss noch lange nicht verloren. Selbst unter den deutlich reformfreudigeren 9000 hauptamtlichen Mitarbeitern hat noch längst nicht jeder den neuen Geist inhaliert. Ziemlich rüde geriet das Vertragsdiktat für SDI-Partner, private Abschleppunternehmer, die immerhin 40 Prozent aller Pannenhilfe-Einsätze des ADAC fahren. Die Zusammenarbeit soll neu geregelt werden, doch viele SDI-Partner fühlen sich übergangen, geknebelt und ausgebeutet. Sie laufen Sturm gegen den zugunsten des ADAC ziemlich einseitigen Vertragsentwurf und verweigern ihre Unterschriften. "Es gab in den letzten Monaten ein paar atmosphärische Punkte, die nicht gut gelaufen sind", gesteht Markl ein. Die seien vom Tisch; man werde die Verhandlungen in Kürze abschließen.

Aus seiner Sicht ändern all diese Probleme jedoch nichts daran, "dass der Reformprozess nun abgeschlossen ist und wir uns jetzt mit voller Kraft dem Wandel des ADAC vom Pannenhelfer zum digitalen Mobilitätshelfer widmen." 26 Millionen Euro hat die Reform nach seinen Angaben gekostet, kein Cent davon stamme aus Mitgliedsbeiträgen. Etwa genauso groß ist die Lücke zwischen Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen und Ausgaben für Mitgliederleistungen. Nun wird an einem Sparkonzept gebastelt, von dessen Auswirkungen das Mitglied aber nichts spüren soll. Interne Strukturen und Abläufe in der Münchner Zentrale sollen verbessert werden. Zwar überweist die ADAC SE, die gewinnorientierte Aktiengesellschaft also, einen Teil ihres Überschusses an den e. V., und die Rücklagen liegen im niedrigen Milliardenbereich. "Der Verein muss sich aber so schnell wie möglich finanziell vollständig selbst tragen", sagt August Markl.

Die Mär der "fachlichen Argumente"

Der Anspruch, nun wieder mehr inhaltlich zu arbeiten, hätte beim ADAC früher bedeutet, sich in einem Wahljahr wie diesem als selbsternannte Stimme des deutschen Autofahrers politisch wichtig zu machen. Markl lehnt das ab. "Mit mir wird sich der ADAC nicht als politischer Lautsprecher inszenieren, sondern auf der Basis seiner fachlichen Kompetenz Klartext reden", sagt er. Folglich hat es nur mit fachlichen Argumenten zu tun, dass der ADAC die Autobahnmaut strikt ablehnt.

Was ein Grund sein mag, weshalb der darob verärgerte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt an diesem Samstag keine Zeit für ein Grußwort zur Hauptversammlung hat, wohl aber dieser Tage beim vergleichsweise winzigen Konkurrenzklub "Mobil in Deutschland" den Stargast gibt. Vor der Krise hätte sich das vermutlich kein Verkehrsminister getraut. Markl nimmt Dobrindts Absenz gelassen zur Kenntnis. Schließlich halte mit Thomas Weber, jahrelang oberster Mobilitätsforscher bei Daimler, ein ausgewiesener Experte in Nürnberg den Hauptvortrag zu einem wirklich wichtigen Zukunftsthema.

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