Automobilindustrie:Teuer allein reicht nicht mehr

Daimler paktiert mit Renault. Doch der Deal wird wohl nicht reichen: Wenn die Stuttgarter nicht mit BMW neue Wege der Zusammenarbeit finden, wird die Situation gefährlich.

Karl-Heinz Büschemann

Man hätte von Daimler-Chef Dieter Zetsche erwartet, dass er die Nase voll hat von Zusammenschlüssen mit anderen Autoherstellern. Zu frisch ist die Erinnerung an die Fusion von Daimler und dem US-Autohersteller Chrysler im Jahr 1998, die kläglich scheiterte. Dass Zetsche es jetzt mit Renault versucht, obwohl er als langjähriger Chrysler-Chef aus nächster Nähe erlebte, wie sich Daimler und Chrysler nicht näherkamen, macht aber deutlich, wie groß die Not bei dem Stuttgarter Konzern sein muss, wenn er es jetzt mit einer Überkreuzbeteiligung von nur drei Prozent und weitreichender Kooperation versucht.

Die Daimler-Führung hat erkannt, dass der Stuttgarter Konzern allein nicht überleben kann und die Unterstützung anderer braucht. Daimler ist mit der Fertigung von gut einer Million Pkw im Jahr zu klein, um langfristig im Automarkt überleben zu können. Damit hat aber nicht nur der Konzern mit dem Stern ein Problem.

Ähnliches gilt für den Münchner BMW-Konzern, der mit 1,5 Millionen Autos nicht viel größer ist. Angesichts der Bedeutung der Autoindustrie für Deutschland ist es eine beunruhigende Nachricht, wenn beide süddeutsche Edelmarken ein Strukturproblem haben. Daimler machte im vergangenen Jahr einen Milliardenverlust, BMW hat praktisch kein Geld verdient.

Eine Zeitlang versuchten die beiden Unternehmenschefs, Daimler und BMW zusammenzuführen. Gemeinsam wollten sie auf eine Stückzahl kommen, die das Überleben beider sichert. In der Autoindustrie gilt eine Produktion von drei Millionen Fahrzeugen im Jahr heute als das Minimum. Doch die Chefs scheiterten. Die Mitarbeiter beider Unternehmen sind zu lange zur Konkurrenz untereinander erzogen worden. Sie können nicht von heute auf morgen Freunde werden.

Ironischerweise suchen jetzt beide ihr Heil in Frankreich. BMW pflegt längst eine enge Zusammenarbeit mit Peugeot Citroën. Beide fertigen gemeinsame Motoren, die von BMW entwickelt wurden. Vielleicht entsteht bald sogar mehr. Beide Firmen haben Familien als Großaktionäre, und die Quandts von BMW wie die Peugeots treffen sich zu regelmäßigen Gesprächen.

Katastrophale Zeiten

Die Gesetze des Automarkts sind brutal. Das gilt besonders in diesen Zeiten. Zwar ist Größe allein keine Garantie für ein sicheres Überleben. Der Weltmarktführer General Motors ging 2009 sogar pleite, der heutige Champion Toyota hat eine Reihe von Problemen.

Dennoch gilt als sicher, dass ein Autohersteller nur eine Chance hat, wenn er von kleinen bis zu großen Autos alles bauen kann. Toyota und Volkswagen belegen, dass man sowohl Premium- als auch Volumenmodelle unter einem Dach fertigen kann. In der weltweiten Autoindustrie läuft deshalb eine gewaltige Konzentrationswelle.

Porsche schlüpfte gerade bei VW unter. Fiat schloss sich mit Chrysler zu einem Bund der Verzweifelten zusammen. Für kleine Anbieter wie Daimler und BMW ist kaum noch Platz. Das gilt vor allem, weil diese Branche derzeit einige Dinge zugleich lösen muss: Sie muss ihre alten Benzin- und Dieselmotoren mit Milliardenaufwand verbessern. Gleichzeitig muss sie neue Batterie- und Wasserstoffantriebe entwickeln. Das bringt selbst die stärksten Konzerne an ihre Grenzen.

Noch tasten sich Daimler und BMW vorsichtig in die Zukunft. Sie haben aber nicht mehr viel Zeit. Es wird nicht helfen, einfach immer größere Unternehmen zu bilden. Es nützt auch nichts, sich mehr Kooperation in die Hand zu versprechen. Beides hat zu oft nicht funktioniert. Sie müssen neue Formen der Zusammenarbeit ausprobieren und wahrscheinlich einen Mittelweg finden.

Sie werden sich kapitalmäßig mit ihren französischen Partnern stärker verflechten müssen, als Daimler es jetzt plant. Aber sie dürfen ihre Identität nicht verlieren. Carlos Ghosn, der Chef von Renault und Nissan ist, hat demonstriert, wie man zwei Unternehmen zusammenbringt, ohne sie zu verschmelzen. Wenn Daimler und BMW nicht neue Wege der Zusammenarbeit finden, sind sie in Gefahr. Dann geht es ihnen eines Tages wie der schwedischen Traditionsmarke Volvo, die gerade nach China verkauft wurde.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: