Automobilindustrie:Audi will kein Fossil sein

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Nach der Dieselaffäre sinken die Gewinne. Dennoch will der Automobilkonzern in neue Technik investieren. Das emissionsfreie Auto ist das Ziel.

Von Thomas Fromm, Ingolstadt

Kaum eine Veranstaltung war in der Vergangenheit so vorhersehbar wie eine Audi-Jahrespressekonferenz. Eine Kernbotschaft, runtergebrochen in drei Unterbotschaften: Erstens: Wir sind super gut unterwegs. Zweitens: Wir machen mehr Gewinne als im vergangenen Jahr, und, drittens: Deshalb sind wir die wichtigste Marke im VW-Konzern. Wir sind, liebe Leute: die Ingolstädter Gewinnschleuder im Wolfsburger Auto-Konglomerat.

So hätte es immer weiter gehen können, aber dann kam die Dieselaffäre im September 2015, in die zuerst die Mutter Volkswagen und dann auch Audi hineingezogen wurden. Audi verlor seinen Entwicklungschef, es folgten Milliarden-Klagen und Rückrufe; zurück blieb eine bis auf Weiteres lädierte Dieseltechnologie.

Audi-Chef Rupert Stadler wusste also, dass seine Jahrespressekonferenz ein wenig anders werden würde als in den vergangenen Jahren. Das fängt schon mit den Gewinnen an: Die macht Audi zwar immer noch, aber es wird schwieriger. 2015, das Jahr der Dieselaffäre bei der Konzernmutter Volkswagen, war zwar noch ein Jahr der steigenden Umsätze - mit 1,8 Millionen Autos setzte man über 58 Milliarden Euro um, 8,6 Prozent mehr als im Vorjahr. Aber es war auch ein Jahr der sinkenden Gewinne. Um sechs Prozent ging das Ergebnis zurück, auf 4,8 Milliarden Euro. Allein die mit einer betrügerischen Software verseuchten Diesel-Fahrzeuge kosten 228 Millionen Euro - damit werden die Software in den Motoren beseitigt und Rechtsstreitigkeiten bezahlt. Das bekommen auch die Tarifmitarbeiter in Ingolstadt und Neckarsulm zu spüren: Sie erhalten einen Bonus von im Schnitt 5420 Euro nach 6540 Euro im Jahr zuvor. Was soll man zu so etwas sagen? Das Jahr sei "herausfordernd" gewesen, meint Audi-Finanzvorstand Axel Strotbek und erklärt das im Detail so: "Die Abkühlung des chinesischen Wirtschaftsklimas, die zunehmende Wettbewerbsintensität, aber auch die Dieselthematik."

In dieser Reihenfolge.

Bei Audi spricht man nicht von Skandal oder Affäre - man nennt es schlicht "Dieselthematik"

Bei Audi wie auch bei VW würde man übrigens nicht von einer "Diesel-Affäre" oder einem "Diesel-Skandal" sprechen. Hier heißt das seit Monaten ganz wertfrei "Dieselthematik". Diese Dieselthematik also schwappte am Mittwochabend wieder hoch, als VW eine Mitteilung an das Landgericht Braunschweig schickte, in der man sich einerseits zwar gegen den Vorwurf wehrte, die Anleger zu spät über die Affäre informiert zu haben, weil die Tragweite der Manipulationen bei Abgasmessungen an Dieselmotoren eben erst am 18. September völlig klar gewesen sei. Andererseits aber machte man auch klar, dass der frühere VW-Chef Martin Winterkorn schon 2014 über die Probleme in den USA informiert wurde. 2014 und noch einige Male danach. "Ob und inwieweit Herr Winterkorn von dieser Notiz damals Kenntnis genommen hat, ist nicht dokumentiert", schreibt Volkswagen. Das bedeutet: Ob sich Herr Winterkorn seinerzeit mit der Dieselthematik beschäftigt hat, weiß wahrscheinlich nur Herr Winterkorn allein.

Brisantes also am Vorabend der Audi-Veranstaltung. Das Timing war perfekt.

Stadler sagt gleich am Anfang, damit das schon mal ganz klar ist: "Wir bedauern, was passiert ist. Wir sind für volle Transparenz. Und wir bringen das in Ordnung." An die 85 000 Autos muss der Hersteller in den USA reparieren, dazu kommen - noch schlimmer - die Image-Folgen. Die Dieselthematik böte Gesprächsstoff für ganze Tage, aber Stadler hat nur die nächsten zwei Stunden damit zu tun, konkrete Fragen zum Hergang und zur Aufklärung abzubügeln. VW will im nächsten Monat seinen Ermittlungsbericht vorlegen, dort soll dann alles erklärt werden. Bis dahin keine Antworten auf die klassischen "Wer-wusste-wann-was"-Fragen. Zum Rückruf sagt Stadler, dass er den Konzern "bis zum Ende des Jahres begleiten" werde.

Stadler, dessen Vorgänger an der Audi-Spitze bis Anfang 2007 übrigens Martin Winterkorn hieß, will lieber ganz weit nach vorne schauen, als immer nur zurückzublicken. Denn die Dieselaffäre ist die eine Sache, viel schlimmer ist in Stadlers Augen die Gefahr, dass er wegen der unkalkulierbaren Risiken, die wegen der Dieselaffäre noch auf den Konzern zukommen könnten, den Anschluss an seine Erzrivalen BMW und Daimler verliert. Lässt sich das Ingolstädter Postulat "Vorsprung durch Technik" noch glaubhaft vertreten, wenn man sparen muss in Zeiten, in denen die anderen Milliarden in neue Technologien und die Digitalisierung ihrer Autos investieren?

Der Ärger mit dem Diesel hat die Pläne des Konzerns durcheinandergeworfen, und dass die CO2-Emisssionen nach dem Willen der EU-Kommission bis 2020 drastisch zurückgefahren werden müssen, sorgt für zusätzliche Nervosität. Irgendwie muss man alles unter einen Hut bringen, und das möglichst sparsam.

"Meine Damen und Herren, ein wichtiges Signal geht seit Ende 2015 von Paris aus", sagt Stadler. "Auf der Klimakonferenz ist ein neuer Weltklimavertrag gelungen. Ein Autohersteller, der jetzt noch ausschließlich auf 'fossil' setzt, droht selbst zum Fossil zu werden." Ein Fossil will niemand sein, schon gar nicht ein Audi-Chef, also sagt Stadler: "Die Zukunft der Mobilität ist emissionsfrei."

Drei Milliarden Euro will Audi in diesem Jahr investieren - in neue Technologien und Modelle. Drei Milliarden, trotz alledem: "Wir befinden uns mitten in der größten Investitionsphase der Unternehmensgeschichte", sagt Finanzchef Strotbek. Er sagt das vor Journalisten. Aber eigentlich sagt er das in Richtung der Konkurrenten in München und Stuttgart.

Die Frage wird sein, wie man diese Milliarden investiert, und die Kunst besteht jetzt darin, die Gegenwart irgendwie in die Zukunft zu retten. Zum Beispiel mit einem vollelektrischen SUV, der ab 2018 in Brüssel in Serie gebaut werden soll. Sieht aus wie die alte Welt, ist aber ganz neu.

Noch aber ist die Zukunft nicht da, und deshalb spricht Stadler über die Supersportwagen der Tochter Lamborghini ("Der Stier ist kräftiger denn je") und präsentiert einen Sport-SUV mit dem Namen SQ7 TDI und 435 PS. Ein Video wird eingespielt; der Super-SUV im Beschleunigungstest gegen einen Kampfjet. Der SQ7 TDI schlägt den Alpha Jet mit 0,4 Sekunden Vorsprung und die Audi-Leute sind stolz.

Heute geht so was ja noch.

© SZ vom 04.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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