Automobilexperte Dudenhöffer:"Eine dritte Energiekrise wird kommen"

Wer sich künftig das teure Hobby Autofahren noch leisten kann, warum die von der Regierung geplante neue Kfz-Steuer eine Mogelpackung ist und warum die deutschen Hersteller einen wichtigen Trend verschlafen haben, erklärt der Automobilexperte Dudenhöffer.

Melanie Ahlemeier

Professor Ferdinand Dudenhöffer ist Geschäftsführer des Forschungsinstituts B&D-Forecast und Direktor des Center for Automotive Research an der Fachhochschule Gelsenkirchen. Er war mehrere Jahre lang als Manager bei Porsche tätig, ehe er in die Wissenschaft wechselte.

Automobilexperte Dudenhöffer: Ferdinand Dudenhöffer: "Das Leid kennt zwei Richtungen."

Ferdinand Dudenhöffer: "Das Leid kennt zwei Richtungen."

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sueddeutsche.de: Herr Professor Dudenhöffer, Öl kostet so viel wie noch nie, Stahl und Aluminium sind doppelt so teuer wie vor vier Jahren, und auch die Preise für Gummi und Kupfer ziehen an. All diese Rohstoffe sind nötig für den Autobau. Werden Autos in Deutschland bald unbezahlbar?

Ferdinand Dudenhöffer: Die höheren Materialkosten führen nur zu einem kleinen Preisschub. Verteuert sich die Tonne Stahl um 400 Euro, wird der Neuwagen um maximal 400 Euro teurer, weil weniger als eine Tonne Stahl im Auto steckt.

sueddeutsche.de: Japanische Automobilhersteller schrauben bereits ihre Gewinnprognosen nach unten, von den deutschen Herstellern hingegen ist nichts zu hören. Sind sie durch langfristige Lieferverträge einfach besser abgesichert oder wird hierzulande gerade die Gefahr der hohen Rohstoffpreise verkannt?

Dudenhöffer: Japanische Hersteller agieren in erster Linie auf dem US-Markt, dort stürzt der Automobilmarkt gerade massiv ab. Der Grund: Große Autos werden in den USA kaum noch verkauft, weil der Spritpreis dort aufgrund des schwachen Dollars noch viel stärker gestiegen ist als hierzulande. Die Gallone kostet inzwischen 4,14 Dollar - seit Januar 2005 entspricht das einer Preissteigerung von 112 Prozent. Vor allem bei den großen Autos treten damit große Probleme auf. Im Jahr 2008 werden in den USA wahrscheinlich nicht mal mehr 15 Millionen Autos verkauft.

sueddeutsche.de: Die einstigen Vorzeigekonzerne der Branche, General Motors und Ford, stecken wegen ihrer verfehlten Modellpolitik seit Jahren in der Krise. Nun also auch Toyota?

Dudenhöffer: Die US-Autohersteller leiden extrem, aber auch Toyota hat zu kämpfen. Das Leid kennt zwei Richtungen: Zum einen gehen die Verkaufszahlen zurück, zum anderen fallen die Restwerte von Leasing-Fahrzeugen auf ein niedriges Niveau. Die US-Konzerne steuern mit starken Rabattprogrammen für Leasingmodelle gegen, das bedeutet aber weitere Verluste. Die Japaner werden hier noch stärker nachziehen müssen. Für Toyota ist das US-Geschäft momentan sehr schwierig geworden. Die goldenen US-Gewinn-Zeiten haben bei Toyota eine Pause eingelegt.

sueddeutsche.de: Auch deutsche Hersteller sind auf dem wichtigsten Automarkt der Welt aktiv, dennoch scheinen sie die Krise besser zu meistern. Warum?

Dudenhöffer: BMW, Mercedes und Porsche werden die Krise auf dem US-Automarkt ebenfalls zu spüren bekommen - und zwar stärker als die Materialpreiserhöhungen. Amerika wird den deutschen Herstellern in diesem Jahr wehtun - egal, wie viel von den Dollars abgesichert sind.

sueddeutsche.de: Der starke Euro treibt den schwachen Dollar weiter vor sich her. Warum hat sich nur Porsche langfristig gegen den starken Dollar abgesichert?

Dudenhöffer: Porsche fährt eine klare Strategie: Alle Risiken werden auf dem Devisenmarkt platziert. Die anderen Hersteller sind mit dem Absichern zurückhaltender gewesen. BMW hat langfristig sogar mit einem Euro-Dollar-Wechselkurs von eins zu eins gerechnet. Wenn Unternehmen sich nicht langfristig absichern, macht sich das natürlich bemerkbar, denn spätere Absicherungen sind teurer. Porsche ist der konsequenteste Hersteller, alle anderen gehen Stück für Stück in die Absicherung, zum Teil auch mit stärkerem Natural Hedging, also US-Produktion.

sueddeutsche.de: Marktbeobachter gehen davon aus, dass aufgrund der hohen Rohstoffpreise Jahresziele spätestens im Sommer kassiert werden könnten. Wann reagieren die Hersteller und drehen - notgedrungen - an der Preisschraube?

Dudenhöffer: Die Hersteller versuchen derzeit, durch Produktivitätsverbesserungen einiges aufzuholen. Daneben gibt es aber für deutsche Hersteller noch den internationalen Volumeneffekt - China brummt, Russland brummt, Indien läuft gut und auch Südamerika befindet sich in einer guten Konjunktur. Die dort eingefahrenen hohen Gewinne und Volumen helfen ganz klar, die Preiserhöhungen für die Rohstoffe und das schwache US-Geschäft auszugleichen.

sueddeutsche.de: Die EU-Kommission will den Herstellern schon in wenigen Jahren mehr technische Details bei der Ausstattung vorschreiben, Autos würden dann noch teurer. Muss der ganze Schnick-Schnack wirklich sein?

Dudenhöffer: Was Brüssel jetzt vorschreibt, ist in großen Teilen vernünftig. Das elektronische Stabilitätsprogramm und das Reifendruckkontrollsystem verteuert die Autos um 400 bis 500 Euro - für das, was man an zusätzlicher Sicherheit bekommt, ist das sinnvoll.

sueddeutsche.de: Aber das Fahrzeug würde abermals teurer. Können sich in absehbarer Zeit nur noch Mitglieder der Oberschicht ein Auto leisten, während Mitglieder der Unterschicht Fahrrad fahren?

Dudenhöffer: Ganz so extrem wird es wohl nicht werden, aber Autofahren wird teurer. Wir müssen uns nach den zwei Ölkrisen in den siebziger und achtziger Jahren auf eine dritte Energiekrise einstellen. Die Kraftstoffkosten und der Energieverbrauch im Haushalt entwickeln sich zum Hauptpreistreiber. Das für einen Autokauf zur Verfügung stehende Budget wird kleiner. Die Autohersteller müssen noch schneller als bisher in spritsparende Modelle investieren.

Lesen Sie weiter, wie viel ein Billigauto in Deutschland kosten könnte.

"Eine dritte Energiekrise wird kommen"

sueddeutsche.de: Nicht nur der Energiepreis steigt in Deutschland drastisch an, sondern auch die Armut. Der Bericht der Bundesregierung zeigt: Jeder vierte Bürger ist von Armut betroffen oder muss durch staatliche Transferleistungen davor bewahrt werden. Hätte die deutsche Automobilindustrie nicht längst umdenken und energiesparende, aber auch günstigere Modelle entwickeln müssen?

Automobilexperte Dudenhöffer: Tägliches Wechselspiel an der Tankstelle - nun überprüft das Bundeskartellamt die Spritpreise.

Tägliches Wechselspiel an der Tankstelle - nun überprüft das Bundeskartellamt die Spritpreise.

(Foto: Foto: ddp)

Dudenhöffer: Der deutsche Markt spreizt sich immer mehr. Auf der einen Seite haben wir die Premiumfahrzeuge - das wird ein Wachstumsmarkt bleiben. Verlieren werden aber die klassischen Mittelklassefahrzeuge. Die Automobilhersteller müssen schauen, dass sie preisgünstigere Fahrzeuge produzieren, darauf muss stärker geachtet werden. Der Armutsbericht spiegelt sich auch im Automarkt der Zukunft wider.

sueddeutsche.de: Mobilität ist heutzutage ein Einstellungskriterium, viele Menschen können sich die teure Mobilität aber schon gar nicht mehr leisten. Braucht Deutschland ein Billigauto nach indischem Vorbild? Dort hat der Hersteller Tata erst vor wenigen Wochen das Modell Nano vorgestellt, das umgerechnet 1700 Euro kostet.

Dudenhöffer: Die Ultra-Low-Cost-Cars werden in ein paar Jahren auch nach Deutschland kommen. Ein Beispiel dafür ist auch der Dacia Logan - bis vor einiger Zeit hatte niemand gedacht, dass dieses Fahrzeug in Deutschland verkaufbar ist. Allein im vergangenen Jahr wurden von dem Modell 17.000 Fahrzeuge verkauft, in diesem Jahr werden deutlich 20.000 Einheiten überschritten. Tata hat bereits eine Europaversion des Nanos angekündigt, die wird wohl im Jahr 2010 auf den Markt gebracht. Aber die Version für den hiesigen Markt wird nicht so günstig sein wie die für Indien.

sueddeutsche.de: Bei einem funktionierenden Markt werden andere Hersteller nachziehen. Wie hoch ist - ganz realistisch betrachtet - der Preis für ein Billigauto?

Dudenhöffer: Heute liegt das Einstiegspreissegment bei rund 7500 Euro. Ich denke, dass es in Deutschland bis 6000 Euro runtergehen wird. Neben Tata werden auch die neuen chinesischen Anbieter eine Rolle spielen. Für die etablierten großen Volumenhersteller wird das eine echte Herausforderung.

sueddeutsche.de: Worauf wird ein Billigauto-Käufer verzichten müssen? Wird lediglich am Komfort gespart?

Dudenhöffer: Weniger PS und mehr Treibstoffersparnis werden den deutschen Markt prägen. Ansonsten gilt: An Komfort haben sich die Deutschen gewöhnt. Wird an der Stelle gespart, werden die Autos hierzulande unverkäuftlich. Klimaanlage und Servolenkung sind ebenso stark im Bewusstsein der Käufer wie elektrische Türöffner - da gehen die Käufer keinen Schritt zurück.

sueddeutsche.de: Die Bundesregierung möchte "Stinker"-Besitzer stärker zur Kasse bitten, da die Kfz-Steuer künftig nicht mehr nach dem Hubraum, sondern nach dem Kohlendioxid-Ausstoß bemessen werden soll. Fakt ist, dass vor allem Menschen mit einem geringeren Einkommen ältere Autos fahren. Geht die Regierung den richtigen Weg?

Dudenhöffer: Die CO2-Steuer wird genau das, was ich am Anfang vermutet habe: sie wird nichts. Das wird die Hubraumsteuer mit einem anderen Label sein. Kein Politiker wird gegen 41 Millionen Wähler stimmen - weder die CDU/CSU noch die SPD noch die FDP. Da ist man sehr schnell bei dem Argument, dass derjenige, der ein gebrauchtes Auto fährt, ein armer Teufel ist. Bei den älteren Fahrzeugen wird alles bleiben wie es ist, bei den neuen wird man stärker nach dem CO2-Ausstoß besteuern. Für die deutsche Automobilindustrie haben wir dann die schlechteste aller denkbaren Lösungen. Es ist eine rein deutsche Lösung, keine europäische.

sueddeutsche.de: Ihr Vorschlag für eine bessere Lösung?

Dudenhöffer: Einfacher wäre ein einheitlicher Emissionshandelsatz in Europa - und nicht 27 verschiedene.

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