Automatischer Informationsausgleich:Großbritannien legt seine Steueroasen trocken

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Hübsch hier: die Kaiman-Inseln in der Karibik. (Foto: Getty Images)

Donald Duck und "Superprofit" werden enttarnt: Jetzt ist Schluss mit den paradiesischen Zuständen für reiche Steuervermeider in den britischen Überseegebieten. Auf Druck der EU sorgt das Mutterland für Transparenz.

Von Alexander Hagelüken und Andreas Oldag

Der erste dokumentierte britische Besucher auf den Kaiman-Inseln war im Jahre 1586 der Seefahrer Sir Francis Drake. Er soll damals von den sandigen Flecken in der West-Karibik allerdings nur wenig begeistert gewesen sein. Damals tummelten sich Schildkröten an den weißen Stränden. Heute ziehen die Kaiman-Inseln nicht nur Touristen, sondern vor allem auch Steuerflüchtlinge an.

Die pittoreske Hauptstadt George Town mit ihren gerade 27.000 Einwohnern gehört zu den größten Finanzzentren der Welt - dank eines bislang vehement verteidigten Bankgeheimnisses in dem britischen Überseegebiet. Doch nun müssen die Oligarchen, Hedge-Fonds-Manager und Anleger um den bislang als sicher geltenden Hafen für ihr Kapital fürchten. Steuerparadiese wie die Kaiman-Inseln, Bermuda und die Britischen Jungferninseln sollen künftig zur Vermeidung von Steuerflucht enger mit Großbritannien und anderen EU-Ländern zusammenarbeiten. Dies kündigte der britische Finanzminister George Osborne jetzt in London an.

Die Britischen Überseegebiete müssen künftig automatisch Details zu den Inhabern von Bankkonten sowie zum Umgang damit bereitstellen. Die Informationen würden auch Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien zugänglich gemacht werden, hieß es in London. Damit soll Steuerhinterziehern, aber auch legal agierenden Steuervermeidern, die sich bislang trickreich dem Fiskus entziehen konnten, das Handwerk gelegt werden.

"Osborne geht weiter als seine Vorgänger. Er hat es zum ersten Mal gewagt, das Geschäftsmodell der britischen Überseegebiete in Frage zu stellen", meint ein Londoner Banker. Die Kaiman-Inseln, aber auch die British Virgin Islands sowie Bermuda und die Turks- und Caicos-Inseln, sind ein historisches Überbleibsel des britischen Empire. Sie haben die Queen als Staatsoberhaupt und unterschiedlich autonome Verwaltungen. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich dank der engen Verbindungen zur ehemaligen Kolonialmacht eine florierende Finanzindustrie entwickelt.

Dabei lässt sich sogar von einer Art Symbiose mit dem Londoner Bankenviertel sprechen. Finanzfirmen parken Gelder in den Steuerparadiesen. Banker transferieren ihre Boni in die verschwiegenen Fluchtburgen des Geldes, um dort vor dem Zugriff der britischen Finanzbehörden geschützt zu sein. Und nicht zuletzt milliardenschwere Oligarchen, die sich an der Themse niedergelassen haben, führen ihre Geschäfte über Briefkastenfirmen in der Karibik. Doch nun verstärkt Downing Street den Druck nicht nur auf die Überseegebiete, sondern auch auf die Kanalinseln wie Jersey und Guernsey, die der britischen Krone unterstehen. Hintergrund ist die Verständigung in der EU, im Kampf gegen Steuerhinterziehung enger zusammenzuarbeiten. Zuletzt hatte sich Luxemburg bereit erklärt, künftig Informationen über Bankkonten von Ausländern an die EU zu liefern.

Dem verschließt sich innerhalb der EU bislang nur noch Österreich. Großbritannien war in den vergangenen Wochen insbesondere von Wien wegen der Steueroasen in den britischen Überseegebieten kritisiert worden. "Wir lassen uns nicht in die Rolle der Unterstützer von Steuerhinterziehern drängen", heißt es in London.

Dabei dürften allerdings für die konservativ-liberale Regierung innenpolitische Gründe eine Rolle spielen. Die Insel kämpft mit der schwersten Wirtschaftskrise seit dem Ende des Zweite Weltkriegs. Viele Briten mussten den Konjunkturbruch mit Arbeitslosigkeit bezahlen, nicht wenige mit einer Senkung ihrer Gehälter- und Reallöhne. Außerdem machen sich die harten Sparmaßnahmen der Regierung im Sozial-, Gesundheits- und Bildungsbereich schmerzhaft bemerkbar. Jeder müsse sein Scherflein beitragen, erklärte Schatzkanzler George Osborne. Die Regierung hat bei den Wählern aber dennoch in den vergangenen Wochen zunehmend an Reputation verloren. Viele Briten kreiden ihr an, dass sie die Boni-Banker und Oligarchen immer noch weitgehend ungeschoren lässt.

In Brüssel stieß die Ankündigung der Briten für mehr Steuer-Transparenz indes auf Zustimmung. "Das ist ein großer Schritt, der alle Unterstützung verdient", sagte der EU- Abgeordnete Markus Ferber (CSU). "Bei der Bekämpfung der Steuerflucht hat sich Luxemburg bewegt, auch die Österreicher bewegen sich. Wenn nun auch die Briten all ihre Steuerparadiese einbeziehen, dann hätten wir auf einen Schlag alle Schlupflöcher in der EU geschlossen", so der Politiker.

Ferber rief die Brüsseler Kommission auf, schnell Vorschläge zu machen, um den Informationsaustausch über Steuerbürger auf alle relevanten Staaten auszudehnen. Die plötzlichen Zugeständnisse der Briten, die sich jahrelang gegen eine Einbeziehung ihrer Oasen gesperrt hatten, erklärt Ferber mit der Kassenlage. "Der britische Haushalt ist noch maroder als in manchen Krisenstaaten. Mehr Einnahmen durch Steuerehrlichkeit ist der einzige Weg, um den Staat am Leben zu erhalten."

Ähnlich sieht das der EU-Abgeordnete Sven Giegold von den Grünen. "Die Briten treibt die Angst vor dem Wähler. Die Regierung steht unter enormem innenpolitischen Druck: Schmerzhafte Kürzungen, das Defizit geht nicht herunter. Da lässt sich nicht mehr rechtfertigen, dass Bürger ihr Geld in Steueroasen bringen." Damit die Einbeziehung der britischen Steuerparadiese Wirkung zeigt, fordert Giegold öffentliche Unternehmensregister in all diesen Staaten, aus denen die Besitzverhältnisse von Briefkastenfirmen hervorgingen. Diese Länder hätten kein Bankgeheimnis wie die Schweiz, sondern seien Ansiedlungsort für Schatten- und Scheinfirmen, über die Steuern hinterzogen würden.

"Die Länder wissen teilweise gar nicht, wer die wirtschaftlich Begünstigten der ganzen Schatten- und Scheinfirmen sind. Das muss man klären. Die Firmen heißen oft Donald Duck oder Superprofit, da kann man ja nichts besteuern." Die Forderung nach einem Unternehmensregister mit genauen Angaben werde derzeit im Zusammenhang der Geldwäsche-Richtlinie diskutiert. "Das deutsche Finanzministerium ist da eher skeptisch bisher. Es wird interessant sein zu sehen, wie die Deutschen sich jetzt äußern".

© SZ vom 03.05.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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