Autoindustrie:Tesla geht anders

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Der Firmensitz von Faraday Future in Gardena, Kalifornien. (Foto: Nick Ut/AP)

Die kalifornische Elektro-Auto-Firma Faraday Future verliert immer mehr Top-Kräfte, vor allem jene aus Deutschland, und braucht dringend Geld.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es ist kein gutes Zeichen, wenn der Chef eines Unternehmens mögliche Investoren mit einer Führung durch die Firmenzentrale beeindrucken möchte, und dann sind von mehr als 1000 Mitarbeitern gerade mal zwei an ihren Arbeitsplätzen. Es ist ein noch schlechteres Zeichen, wenn dieses Unternehmen von eben den potenziellen Investoren dringend 500 Millionen Dollar benötigt, um Kredite bedienen und Rechnungen bezahlen zu können. Und es ist ein schreckliches Zeichen, wenn beinahe wöchentlich wichtige Mitarbeiter diese Firma verlassen.

Der kalifornische Elektroautobauer Faraday Future wollte ein neues Zeitalter der Mobilität ausrufen. Er wollte ein leuchtender Komet sein, noch heller als Konkurrent Tesla. So haben sie sich selbst gesehen, drei Jahre lang, und sie haben das der Welt bei den pompösen Präsentationen von schnellen und scheinbar revolutionären Konzeptautos auch immer wieder recht selbstbewusst mitgeteilt. Nun scheint es allerdings, als würde dieser Komet verglühen, noch bevor er in die Erdatmosphäre eintritt.

"Ich möchte klarstellen, dass wir um neun Uhr morgens mit der Arbeit beginnen."

Das Unternehmen braucht bis zum Jahresende einen oder mehrere Geldgeber, die sich mit mindestens 500 Millionen Dollar an Faraday Future beteiligen - ansonsten wird die Rückzahlung eines Kredits in Höhe von 400 Millionen Dollar zuzüglich zwölf Prozent Zinsen an chinesische Investoren fällig. Sollte die Finanzierungsrunde zustande kommen, dann würde der Kredit in Firmenanteile umgewandelt, die Kreditgeber würden also zu Miteigentümern. Zudem schuldet das Unternehmen, das ist aus dem Umfeld zu hören, Zulieferern und Mitarbeitern etwa 100 Millionen Dollar. Auch diese Summe sei bis zum Jahresende fällig, sonst drohe endgültig die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach den Regeln des "Chapter 11".

Diese von einem Gericht überwachte Reorganisation der Finanzen hatte der deutsche Manager Stefan Krause bereits vor einigen Wochen angeregt. Er war erst Anfang des Jahres als Finanzvorstand zu Faraday Future gekommen und hatte offenbar eine chaotisch geführte Firma vorgefunden, der langsam aber sicher das Geld ausgeht. Er suchte erfolglos nach Investoren und versuchte, den chinesischen Faraday-Vorstandschef Jia Yueting von ordentlicheren Finanzen zu überzeugen. Krause kündigte Mitte Oktober, zeitgleich mit Technikchef Ulrich Kranz.

Offenbar sucht Jia derzeit selbst nach Investoren. Dem Magazin The Verge ist eine E-Mail zugespielt worden, die der Manager Allan Lu am 20. November an die Mitarbeiter verschiedener Abteilungen verschickt hat. Jia habe die möglichen Geldgeber durch den Firmensitz im Süden von Los Angeles geführt: "Nur zwei Leute waren im Büro", heißt es in der Mail: "Ich möchte klarstellen, dass wir um neun Uhr morgens mit der Arbeit beginnen und erst um 18 Uhr damit aufhören - außer, die Vorgesetzten haben explizit die Erlaubnis eines späteren Beginns oder früheren Endes gestattet. Wir müssen wieder in den Kampfmodus übergehen!"

Die chinesischen Investoren fordern ihr Geld zurück oder stellen kein frisches bereit

Ein Faraday-Mitarbeiter berichtete der SZ Anfang der Woche vor der Firmenzentrale, dass er noch immer auf den Bonus aus dem vergangenen Jahr sowie auf drei Monatsgehälter warte. Als er auf den "Kampfmodus" angesprochen wird, schüttelt er nur lächelnd den Kopf und geht weiter - immerhin in Richtung Büro.

Das Unternehmen hat sich lange Zeit als erfolgreiche Symbiose aus amerikanischer Technologie, chinesischem Geschäftssinn und deutscher Ingenieurskunst vermarktet. Allerdings hat Faraday Future noch kein straßentaugliches Auto verkauft, die chinesischen Investoren fordern ihr Geld zurück oder stellen aufgrund von finanziellen Problemen in der Heimat kein frisches bereit - und die deutschen Ingenieure verlassen das Unternehmen, als wäre es ein sinkendes Schiff.

Zuletzt hat in der vergangenen Woche Chefdesigner Richard Kim gekündigt, der zuvor bei BMW für das Design der Modelle i3 und X1 verantwortlich gewesen war. Er war 2015 als einer der ersten Manager zu Faraday Future gekommen und war eine der Galionsfiguren des Start-ups.

Faraday selbst möchte sich, wie so häufig bei negativen Berichten, nicht zur aktuellen Situation und den Berichten über die finanzielle Lage äußern. In einem E-Mail-Statement heißt es lediglich: "Wir können keinen Kommentar abgeben außer jenen, dass wir uns gerade in der Serie-A-Finanzierungsrunde befinden." Es ist derzeit fraglich, ob die jemals zustande kommen wird. Wer am Montagnachmittag am Firmensitz vorbeifuhr, zu einer Zeit, in der laut Lu-Mail sämtliche Mitarbeiter gefälligst an ihren Arbeitsplätzen zu sitzen haben, der erkannte recht deutlich: In nur sehr wenigen Zimmern war das Licht eingeschaltet.

© SZ vom 06.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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