Autoindustrie in Not:"Erregungszustände Einzelner"

Kanzlerin Merkel macht Opel zur Chefsache - und Finanzminister Steinbrück warnt vor einer Bittsteller-Prozession der Branchen. Der Staat sei kein Reparaturbetrieb.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Manager und Betriebsräte von Opel für Montag zu einem Treffen eingeladen.

Autoindustrie in Not: Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Manager und Betriebsräte von Opel eingeladen. Finanzminister Steinbrück warnt indes vor einer Bittsteller-Prozession

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Manager und Betriebsräte von Opel eingeladen. Finanzminister Steinbrück warnt indes vor einer Bittsteller-Prozession

(Foto: Foto: dpa)

Am Dienstag sollen Wirtschafts- und Finanzministerium mit den Ländern beraten, wie Opel und möglicherweise auch anderen Firmen der Branche geholfen werden könne, sagte Merkel am Rande des Weltfinanzgipfels in Washington.

Schritt für Schritt würden nun Handlungsmöglichkeiten abgeklopft. Der Rüsselsheimer Autobauer Opel sieht seine Zukunft ohne Staatshilfe gefährdet. Wegen der drohenden Zahlungsunfähigkeit des US-Mutterkonzerns General Motors hat das Traditionsunternehmen als erster deutscher Autobauer einen Hilferuf an die Politik gerichtet.

Opel wandte sich an die Bundesregierung und alle Bundesländer, in denen es Opel-Werke gibt, mit der Bitte um eine Staatsbürgschaft. Damit solle der Fortbestand des Unternehmens gesichert werden, auch wenn GM in existenzielle Schwierigkeiten gerate. Es gehe um rund eine Milliarde Euro.

Ford bittet offenbar ebenfalls um Hilfe

Grund für die Existenzangst bei Opel ist neben rückläufigen Verkaufszahlen vor allem der Überlebenskampf der Konzernmutter.

GM bekommt wie Ford und Chrysler die Absatzkrise im Heimatmarkt besonders stark zu spüren und operiert seit Monaten an der Konkursgrenze. Wegen verfehlter Modellpolitik verlieren die Firmen seit Jahren Marktanteile, nun traf sie noch die Finanzkrise. Die Konsumenten haben kaum Geld für Autokäufe, Banken geben kaum Kredite. Die US-Regierung will daher der Autoindustrie massiv unter die Arme greifen.

Laut Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung bittet auch der deutsche Ford-Ableger die Bundesregierung um Hilfe. Bei den Ford-Werken in Köln war am Sonntag keine Stellungnahme zu erhalten.

Die Absatzkrise hat auch die deutschen Premiumhersteller erfasst. Daimler und BMW reagieren mit Produktionskürzungen und verlängerten Werksferien auf die Flaute.

Laut Focus fehlen Opel zwei Milliarden Euro. Gesamtbetriebsratschef Klaus Franz bezeichnete dies als "Quatsch". "Das kann ich nun überhaupt nicht bestätigen. Wir sind hier in der Realwirtschaft und nicht beim Lotto", sagte er. Ein Sprecher des Unternehmens wollte sich dazu nicht äußern.

In einer Erklärung aller Opel-Betriebsratschefs hieß es, Opel habe keine Liquiditätsprobleme. Die beantragte Bürgschaft sei eine reine Vorsorgemaßnahme.

"Wir müssen davon ausgehen, dass die Milliardenforderungen von Opel an General Motors bei einer Verschärfung der Situation in den USA von GM nicht mehr bedient werden können."

Die geplanten Investitionen in 20 neue Modelle bis 2012 müssten daher schon jetzt gesichert werden. Für Entwicklungsleistungen schuldet GM seiner deutschen Tochter mehrere Milliarden Euro.

"Wir werden als Beschäftigte unseren Beitrag in dieser schwierigen Zeit leisten", hieß es bei den Betriebsräten. Die Politik solle aber alle Hilfen an Standortzusagen knüpfen. Es müsse verhindert werden, dass Gelder am Ende von GM "verbrannt werden".

"Wir werden Bedingungen stellen"

Bei Opel arbeiten gut 25.000 Menschen in Rüsselsheim, Bochum, Kaiserslautern und Eisenach.

Opel-Chef Hans Demant hat versprochen, eventuell benötigte Mittel nur in die deutschen Werke zu investieren. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) gab für den Autobauer in der Bild am Sonntag eine Überlebensgarantie ab: "Wir lassen Opel nicht untergehen."

Der geschäftsführende hessische Ministerpräsident Roland Koch will sich noch vor der Auflösung des Wiesbadener Landtags am Mittwoch eine Garantieermächtigung über 500 Millionen Euro holen.

Am Wochenende schränkte der CDU-Politiker allerdings ein: Vor einer Bürgschaft für Opel seien noch wichtige Fragen zu klären. Staatliche Hilfen dürften Opel nicht am Ende wegen des Europarechts schaden, sagte er im Deutschlandfunk.

Außerdem sei Deutschland nicht dafür da, Geld bereitzustellen, das Opel aus den USA vorenthalten werde.

Auch Wirtschaftsminister Michael Glos kündigte an, Hilfen genau zu prüfen. "Wenn wir Steuergeld zur Rettung internationaler Automobilkonzerne riskieren, dann werden wir Bedingungen stellen", sagte der CSU-Politiker der Bild am Sonntag.

Rüttgers forderte Unterstützung auch für andere Autohersteller. So müsse die Wirkung kurzfristiger Maßnahmen wie der befristeten Steuerbefreiung von Neuwagen durch längerfristige Anreize stabilisiert werden.

Umweltminister Sigmar Gabriel sagte dazu im Tagesspiegel, die Koalition habe bereits Prüfaufträge für weitergehende Stützmaßnahmen vergeben. "Das Kabinett hat bereits beschlossen, was Herr Rüttgers jetzt fordert."

Nach Ansicht des Bundesfinanzministers Peer Steinbrück (SPD) sollen die Probleme beim Autobauer Opel indes nicht den "Erregungszuständen Einzelner, beispielsweise wahlkämpfender Ministerpräsidenten" überlassen werden.

In einem Gespräch mit der Leipziger Volkszeitung (Montagausgabe) warnte er zugleich vor Trittbrettfahrern, die nun glaubten, wegen der Folgen der Finanzmarktkrise Staatsgelder abholen zu können.

"Wer seine Defizite selber zu verantworten hat, der sollte nicht auf den Staat als Reparaturbetrieb bauen", sagte Steinbrück. "Das wird es mit der Bundesregierung nicht geben."

Allerdings könne auch nicht in Abrede gestellt werden, dass der Staat an manchen Stellen helfen müsse, "um schlimmere Schäden für unser Land zu verhindern". Aber der Staat wolle nicht das Risiko "einer Bittsteller-Prozession der Branchen" übernehmen.

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