Autoindustrie in den USA:Der Tod der dicken Schlitten

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Amerika stellt auf Sparautos um: Präsident Obama hat sich mit den Herstellern darauf geeinigt, dass es künftig weniger Spritschlucker geben wird - der Verbrauch soll bis 2025 unter fünf Liter sinken. Allerdings musste Obama der Auto-Lobby auch Zugeständnisse machen.

Nikolaus Piper, New York

Amerikas Autofahrer sollen sich ihrer schweren und benzinschluckenden Fahrzeuge entwöhnen und auf Sparautos umsteigen. Nach wochenlangen Verhandlungen wird voraussichtlich an diesem Freitag ein großer Kompromiss zwischen Präsident Barack Obama und der US-Autoindustrie vorgestellt. Der Kompromiss sieht vor, dass sich der Flottenverbrauch jedes Herstellers zwischen 2017 und 2015 auf 4,36 Liter pro 100 Kilometer nahezu halbieren soll.

Dicke Schlitten, kleine Tankrechnung: So sah der amerikanische Traum aus. Jetzt sollen die Spritschlucker schrumpfen. Im Bild: ein Cadillac. (Foto: dpa)

Der Flottenverbrauch ist der Durchschnittswert aller von einem Hersteller verkauften Fahrzeuge. Seit den frühen siebziger Jahren fördern die amerikanischen Behörden das Benzinsparen, anders als die Europäer, nicht mit höheren Steuern, sondern mit Vorgaben für den Spritverbrauch der Autos. Ein Liter Superbenzin kostet an Amerikas Tankstellen immer noch zwischen 70 und 80 Cent, wesentlich weniger als in fast jedem europäischen Land. Umso wichtiger ist die Regulierung des Verbrauchs für Umweltschützer.

Nach Berichten amerikanischer Medien ist Obama dabei der Industrie in wesentlichen Punkten entgegengekommen. Seine Experten hatten ursprünglich das Ziel von 4,18 Liter pro 100 Kilometer angestrebt. Die Energieeffizienz der neu verkauften Personenautos soll von 2012 an jährlich um fünf Prozent steigen. Für die größten Benzinverbraucher jedoch - Kleinlaster, Minivans und große Geländewagen (SUVs) - muss die Effizienz nur um 3,5 Prozent steigen.

Diese Klausel ist ein großes Zugeständnis an die drei Großen von Detroit - General Motors, Ford und Chrysler -, deren Gewinn in der Vergangenheit immer maßgeblich vom Verkauf der "Light Trucks" abhing. Umgekehrt werden all jene Importeure benachteiligt, die keine oder nur wenige Trucks herstellen, in erster Linie die deutschen Daimler, BMW, Audi und Volkswagen.

Dan Becker, Direktor der Umweltgruppe Safe Climate Campaign in Washington, nannte den Kompromiss "einen starken Schub im Kampf gegen Ölabhängigkeit und Klimawandel". Er sei aber erheblich geschwächt durch die Auto-Lobby. In einer Erklärung des Weißen Hauses hieß es, der Kompromiss werde "den Autofahrern erhebliche Kostensenkungen an der Tankstelle bringen, den Ölverbrauch dramatisch senken, die Umwelt entlasten und neue Jobs schaffen".

Zu den Kompromissen, zu denen die Regierung Obama gezwungen wurde, gehört die Möglichkeit, das ganze Projekt auf halbem Wege zu stoppen, sollte es sich als zu hart für die Industrie erweisen, entweder weil sich die Benzinpreise anders entwickeln als erwartet oder die Verbraucher zu wenig von den neuen Sparautos kaufen.

Dieser "Midterm Review" bringt ein erhebliches Maß an Unsicherheit in den Prozess. Der Prozess wird weiter dadurch verkompliziert, dass Kalifornien das Recht bekommt, die höheren Standards einzuführen, selbst wenn der Rest des Landes darauf verzichten sollte.

Wie es heißt, soll der Kompromiss an diesem Freitag von Obama und den Chefs von GM und Ford sowie dem Präsidenten der Autogewerkschaft UAW vorgestellt werden. Mittlerweile unterstützen die meisten Hersteller den Kompromiss: GM, Ford, Chrysler, Honda, Hyundai, Toyota und Nissan.

Auch der deutsche BMW-Konzern stellt sich hinter den Kompromiss. Eine Sprecherin von Daimler meinte dagegen: "Nach unserem bisherigen Wissensstand haben wir Bedenken gegen den Plan. Wir werden die Vorschläge jetzt im Einzelnen prüfen."

Die Skepsis bei den deutschen Herstellern Daimler, Volkswagen und ursprünglich auch BMW rührt unter anderem daher, dass die neuen Regeln die Einführung von Dieselmotoren in den USA erschweren. Bisher gibt es auf amerikanischen Straßen kaum Dieselfahrzeuge, ein entsprechendes Tankstellennetz fehlt. Die Deutschen planten bisher, die Dieseltechnik als ihren Beitrag zum Energiesparen in den USA zu vermarkten.

© SZ vom 29.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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