Autoindustrie:IG Metall verbündet sich mit US-Gewerkschaft

Autoindustrie: Fertigung im VW-Werk in Chattanooga im US-Bundesstaat Tennessee. 2400 Menschen sind hier beschäftigt.

Fertigung im VW-Werk in Chattanooga im US-Bundesstaat Tennessee. 2400 Menschen sind hier beschäftigt.

(Foto: Erik Schelzig/AP)
  • Die IG Metall und Vertreter der US-amerikanischen Gewerkschaft UAW gründen ein gemeinsames Büro in Spring Hill im US-Bundesstaat Tennessee.
  • Gemeinsam wollen sie für mehr Mitbestimmung in den US-Werken deutscher Autohersteller kämpfen.

Von Thomas Fromm

Herkunft der Unternehmen und Sitz ihrer Zentralen sind sprachlich geregelt: VW, das sind die Wolfsburger. Daimler die Stuttgarter, und bei BMW, klar, spricht man von den Münchnern. Dabei steht das größte BMW-Werk schon seit Jahren nicht mehr in München, sondern in Dingolfing. Und selbst da nicht mehr lange: Irgendwann im nächsten Jahr wird der Konzern dann an die 450 000 Autos jährlich im US-Werk Spartanburg im Bundesstaat South Carolina zusammenschrauben, und damit wird Spartanburg, das Werk, in dem ein Großteil der Geländewagen der X-Serie gebaut werden, die größte BMW-Fabrik weltweit.

Je mehr Fahrzeuge Deutschlands Autokonzerne in den USA und im Nafta-Raum verkaufen, desto amerikanischer werden sie. AMW statt BMW. Amerikanische Motorenwerke.

IG Metall kritisiert schon lange die Verhältnisse in den USA

BMW in South Carolina, VW in Tennessee, Daimler in Alabama - die Deutschen zieht es schon seit Jahren in den Süden der USA, und dafür gibt es viele Gründe. Erstens: Der US-Markt wächst stärker als der europäische. Zweitens: Die regionalen Politiker locken die Deutschen mit interessanten Anreizen, von Steuervergünstigungen über Subventionen bis zu niedrigeren Löhnen. Vor allem aber: Die mächtige Autogewerkschaft United Auto Workers (UAW) ist zwar am traditionellen amerikanischen Autostandort Detroit stark - im Süden aber bekommen die gefürchteten Gewerkschafter kaum einen Fuß in die Tür. "Bisher wurden in den Südstaaten kaum Tarifverträge abgeschlossen", klagt Wolfgang Lemb, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall. "Der Grund dafür sind die ständigen Drohungen: Mal drohen die regionalen Politiker mit dem Verlust von Subventionen, mal droht der Konzern selbst mit der Absage von Investitionen. Das werden wir so schnell nicht ändern."

Ändern vielleicht nicht. Aber zumindest wollen die deutschen Betriebsräte ihren Einfluss vor Ort künftig stärker nutzen - und ausbauen. Am Donnerstag haben IG Metall und Vertreter der UAW daher ein gemeinsames Büro in Spring Hill im US-Bundesstaat Tennessee eröffnet - ein Vertreter der IG Metall soll dort mit Kollegen der amerikanischen Gewerkschaft zusammenarbeiten. Eine typisch "deutsche Mitbestimmung" gibt es damit zwar noch nicht. Aber, so das Kalkül der deutschen Betriebsräte: Sie wollen auf diese Weise diesseits und jenseits des Atlantiks mitreden.

"Wir kennen das Management ja schon aus Wolfsburg, Stuttgart oder München", sagt Lemb, der bei der IG Metall auch für Internationales zuständig ist. Dies helfe, "den amerikanischen Kollegen den Rücken zu stärken". Wenn es sein müsse, könne man "dem Management auch mal einen großen Felsbrocken in den Weg legen".

Betriebsrat nach deutschem Muster

Mit anderen Worten: Es könnte den Konzernvorständen künftig passieren, dass deutsche und amerikanische Themen in der Diskussion verknüpft werden. Das könnte spannend werden - für Manager auf beiden Seiten des Atlantiks.

Es ist ein Machtkampf, der da im Süden der USA stattfindet: Die UAW versucht schon seit Langem, ihre Macht in die Fabriken im Süden zu tragen. Zum Beispiel, als Vertreter der VW-Belegschaft für Tarifverhandlungen im Werk Chattanooga anerkannt zu werden. Was der Gewerkschaft vorschwebt, ist ein Betriebsrat nach deutschem Muster. Dafür aber bräuchte sie bei einer Abstimmung die Unterstützung von mehr als 50 Prozent der Beschäftigten in einem Betrieb - die hat sie bislang nicht. Auch, weil sich erzkonservative Politiker aus der Region gegen den Einfluss der Gewerkschaft stemmen. Für sie sind die Arbeitnehmervertreter eine Gefahr für Arbeitsplätze und die wirtschaftliche Entwicklung. Einzige Möglichkeit für die Gewerkschaften daher derzeit: lokale Niederlassungen in der Fabrik.

Der IG Metall sind diese Verhältnisse schon seit Langem ein Dorn im Auge. An die 750 000 Autos produziere die deutsche Autoindustrie pro Jahr vor Ort, und dies mit mehr als 100 000 Beschäftigten bei Herstellern und in der Zulieferindustrie - von einem "Niedriglohnstandort" ist in der Branche bereits die Rede. "Wir sind nicht dagegen, dass die deutsche Industrie dort investiert", sagt Lemb. "Aber die Bedingungen müssen sich ändern: Viele Beschäftigte in den USA haben keine Tarifverträge, und sie verdienen im Schnitt knapp über 11 Euro. Das kann nicht so bleiben." Was die deutschen Gewerkschafter am meisten wurmt: In Deutschland habe man eine "sehr klar geregelte Mitbestimmung, während sich unsere Unternehmen dort in den Südstaaten ganz anders verhalten", findet Lemb. Und er warnt die Manager: "Ich bin nicht bereit, die Unternehmen so einfach von der Fahne zu lassen."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: