Autoindustrie:Fiat sorgt für Eklat in der Abgas-Affäre

The logo of Italian car maker Fiat is pictured at a sale point in Meyrin near Geneva

Fiat stellt sich stur und schweigt zu den Vorwürfen.

(Foto: REUTERS)
  • Nach Opel sollte am Donnerstag auch Fiat im Verkehrsministerium Fragen zur Abgas-Affäre beantworten.
  • Doch der italienische Autokonzern ließ den Termin bei Verkehrsminister Dobrindt einfach platzen.
  • Derweil erhärtet sich der Verdacht auf illegale Abschaltvorrichtungen bei Dieselfahrzeugen von Fiat.

Von Markus Balser und Klaus Ott, Berlin/München

Am Mittwoch war Opel zum Rapport geladen, am Donnerstag dann Fiat. Kaum hat der eine Auto-Hersteller im Bundesverkehrsministerium Rede und Antwort gestanden, was es mit überhöhten Abgaswerten auf sich hat, da ist auch schon der nächste dran. Aus gutem Grund - oder besser gesagt: aus schlechtem. Der Verdacht, dass nicht nur Volkswagen die Kontrolleure in den Prüfstellen und die Kunden belogen und betrogen hat, erhärtet sich zunehmend. Das gilt inzwischen auch für das italienische Unternehmen, das vor zwei Jahren den US-Konzern Chrysler übernommen hat und seitdem unter Fiat Chrysler Automobiles firmiert.

Das Kraftfahrt-Bundesamt in Flensburg, das im Auftrag von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) die Schadstoffwerte von Dieselfahrzeugen untersucht, hatte vor Wochen bei Fiat-Modellen entsprechende Indizien ermittelt. Die Abgasreinigung soll sich nach 22 Minuten abschalten; ein Test auf dem Prüfstand dauert normalerweise 20 Minuten. Dobrindt ordnete daraufhin weitere Untersuchungen an. Erste Ergebnisse deuten nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR auf eine illegale Abschalteinrichtung hin. Das könnte Schadstoffwerte erklären, die weit über den gesetzlichen Grenzen zum Schutz von Mensch und Natur liegen. Das Ministerium bestellte Fiat daraufhin für diesen Donnerstag, 15 Uhr, nach Berlin ein. Dort sollte Tacheles geredet werden, auch weil man im Verkehrsressort offenbar den Eindruck hat, Fiat arbeite nicht ernsthaft mit dem Kraftfahrt-Bundesamt zusammen.

Neuer Höhepunkt in der Abgas-Affäre

Und auch dieser Verdacht sollte sich erhärten. Denn Fiat sagte das Gespräch am Donnerstag kurzerhand über seine Anwälte ab. Der Grund gilt als Affront für die Bundesregierung: Fiat halte die deutschen Behörden schlicht nicht für zuständig, verlautete aus Regierungskreisen. Der Konzern mit Stammsitz in Turin wolle sich auch in Zukunft solchen Gesprächen hierzulande nicht stellen, hieß es weiter. "Dieses unkooperative Verhalten von Fiat ist völlig unverständlich", sagte Dobrindt am Abend. "Hier stehen konkrete Vorwürfe im Raum. Es wäre angemessen, wenn Fiat gegenüber der Untersuchungskommission dazu Stellung nehmen würde." Fiat Chrysler Automobiles hatte sich vor der Absage auf SZ-Anfrage zu dem geplanten Treffen nicht geäußert. Das Beispiel Fiat könnte Schule machen. Auch andere ausländische Hersteller könnten sich stur stellen. Für die Aufklärungsbemühungen der Behörden wäre das ein schwerer Rückschlag. Tatsächlich haben deutsche Behörden nur dann eine Weisungsbefugnis etwa für Rückrufe, wenn die Typ-Zulassungen auch in Deutschland erfolgt sind.

Die Abgasaffäre, die im September vergangenen Jahres in den USA und bei Volkswagen begann, erfasst aber längst große Teile der internationalen Autobranche. US-Behörden haben Daimler aufgefordert, Abgaswerte zu überprüfen. Französische Behörden haben Peugeot durchsucht. Die japanischen Hersteller Mitsubishi und Suzuki haben geschönte Angaben über die Kilometerleistung der Fahrzeuge oder fehlerhafte Verbrauchstests zugegeben.

Auch politisch hat der Streit Brisanz. Minister Dobrindt muss aufpassen, dass die Affäre ihn nicht ebenfalls beschädigt. Die Deutsche Umwelthilfe, die mutmaßliche Tricksereien bei Opel entlarvte, spricht von einem "Kontrollversagen" des Verkehrsressorts und "fortgesetzter Kumpanei" mit der Autoindustrie.

"Es muss jetzt wirklich alles auf den Tisch"

Das mag Dobrindt nicht auf sich sitzen lassen. Er will jetzt auch von anderen Auto-Konzernen wissen, ob sie verbotene Abschalteinrichtungen benutzen, um sich die teure Reinigung der Abgase weitgehend zu ersparen. "Wir werden weitere Hersteller anschreiben und zur Stellungnahme auffordern", sagt Dobrindt. "Es muss jetzt wirklich alles auf den Tisch", heißt es aus der vom Verkehrsminister eingesetzten Untersuchungskommission, die bei VW angefangen hat und sich nun einen Konzern nach dem anderen vornimmt. Dobrindt schlägt eine härtere Gangart ein, nachdem er zuvor auf Konsens mit der Autoindustrie statt auf Konfrontation gesetzt hatte. Gerade die Fälle Fiat und Opel lassen ihm keine andere Wahl mehr.

Schon als das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) vor vier Wochen erste Hinweise auf eine gesetzeswidrige Abschaltvorrichtung bei Fiat-Modellen fand, sollen Vertreter des italienischen Herstellers bei einem Treffen im Ministerium nicht sehr gesprächig gewesen sein. Das KBA wollte daraufhin drei weitere Fiat-Fahrzeuge mit 1,6- sowie 2,0- und 2,2-Liter-Motoren untersuchen. Bei einem Auto erhärtete sich der Verdacht. Bei den zwei anderen Fahrzeugen soll Fiat, zum Unmut des Ministeriums, für die Tests nötige Daten nicht oder nur mit großer Verzögerung geliefert haben.

Fiat schweigt, Opel dementiert

Auf Anfrage der SZ zu diesen Vorgängen erklärte Fiat Chrysler Automobiles am Donnerstag genau das, was der Konzern seit Wochen zu solchen Anfragen erklärt: Dass man sich dazu nicht äußere. Jeder Hersteller hat seine eigene Taktik. Volkswagen gab, nachdem US-Behörden die Vergehen öffentlich gemacht hatten, schnell alles zu; auch bis dahin unbekannte Verstöße in Europa. Fiat schweigt. Opel dementiert. "Opel-Motoren sind rechtskonform, und wir haben keine illegale Software", beteuerte Vorstandschef Karl-Thomas Neumann nach dem Treffen mit Dobrindt und dessen Untersuchungskommission.

Das Verkehrsministerium bezweifelt indes, dass bei der Abgasreinigung des deutschen Autobauers mit US-Mutter alles mit rechten Dingen zugeht. Beim Opel Zafira wird die Abgasreinigung ab 140 Stundenkilometern und bei geringem Luftdruck oberhalb von tausend Metern über Meereshöhe heruntergeregelt. Opel behauptet, das sei zum Schutz des Motors technisch notwendig und juristisch deshalb in Ordnung. Dobrindt mag sich dem aber ausdrücklich nicht anschließen - und spricht von "Unterschieden" bei der rechtlichen Bewertung.

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