Autohersteller:Von Rüsselsheim nach Russland

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General-Motors-Chef Rick Wagoner spricht über das derzeit interessanteste Auto, eventuelle Kooperationen mit BMW und den Erfolg von Opel in Russland.

Michael Kuntz

Es ist in Genf fast wie in Detroit: Rick Wagoner, 56, lehnt sich im tiefgekühlten, fensterlosen Besprechungsraum des Opel-Standes zurück.

General-Motors-Chef Rick Wagoner hat keine Angst vor Toyota. (Foto: Foto: dpa)

Der Chef von General Motors, des neben Toyota größten Autoherstellers der Welt, stellt die erste Frage: Was ist am interessantesten auf der Messe? Antwort: Der Tata Nano, das billigste Auto der Welt aus Indien - zum ersten Mal in Europa. Rick Wagoner will ihn sich ansehen.

Halter eines zweifelhaften Rekords

Wagoner ist nicht nur Chef der amerikanischen Industrie-Ikone, die von Toyota bis auf 3000 Autos eingeholt worden ist, obwohl GM im vorigen Jahr mit 9,37 Millionen so viele Fahrzeuge wie noch nie produziert hat. Wagoner ist auch Halter eines eher zweifelhaften Rekordes. Mit 38,7 Milliarden Dollar hat sein Unternehmen einen der höchsten Verluste der Wirtschaftsgeschichte ausgewiesen. Wie geht es weiter? "Unser Geschäft läuft gut außerhalb der USA in Europa und hervorragend in Südamerika", antwortet Wagoner im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung.

In Amerika mache die Restrukturierung große Fortschritte, von 2005 bis 2007 konnten sieben Milliarden Dollar eingespart werden. "Bis der lustlose Markt sich belebt, können wir als Einziges die Kosten weiter senken."

"Wir entwickeln charismatische Autos"

Je schwächer der Markt, desto schwieriger wird es. Es geht um weitere fünf Milliarden Dollar in den kommenden Jahren. Der GM-Chef hegt eine schwache Hoffnung auf bessere Geschäfte in Amerika noch 2008.

Beschäftigung, Einkommen und der Export seien nicht schlecht. Andererseits bleibt der Immobilienmarkt schwach. Aber hier scheint sich der Rückgang abzuschwächen. Die Kreditkrise könnte ihren Höhepunkt überschritten haben. "Vor allem aber entwickeln wir weiter charismatische Autos", sagt er.

Reicht das, um das Kopf-an-Kopf-Rennen mit Toyota zu gewinnen? "Alle Journalisten hatten 2007 geschrieben, wir werden verlieren - haben wir aber nicht", freut sich der Amerikaner.

In diesem Jahr wird es darauf ankommen, wie sich die einzelnen Märkte entwickeln werden. "Läuft Brasilien besser, ist das für uns gut; kaufen die Japaner mehr Autos, ist das ein Vorteil für Toyota."

Fast eine Doppelspitze

Mit der Ernennung von Finanzchef Fritz Henderson, 50, zum Chief Operating Officer schiebt sich General Motors neu an. Ganz oben gibt es nun fast eine Doppelspitze.

Trotz des Altersunterschiedes von nur sechs Jahren glauben manche gleich an eine Weichenstellung für die Nachfolge von Wagoner. Der lobt "Fritz", wie alle sagen: "Wir arbeiten lange zusammen, er ist ein fähiger Mensch mit viel Erfahrung. Er wird sich um das operative Geschäft kümmern, ich mich mehr um das strategische."

Wie stark ist die Stellung von Opel im GM-Konzern? Die Bedeutung ist groß, allein schon wegen der Verkaufszahlen, sagt Wagoner. Die Marke läuft überraschend gut in Osteuropa und dort vor allem in Russland.

Dort gibt es eine neue kaufkräftige Mittelschicht, die im Opel Astra ein Premiumprodukt sieht. Diese russischen Aufsteiger haben im vorigen Jahr 75.000 Autos gekauft, fast ein Drittel aller Opel. Trotz des neuen Werkes in Russland will GM aber auch künftig immer in Westeuropa gebaute Autos ganz oder zerlegt nach Russland einführen.

Erfolgreiche Zusammenarbeit mit Saturn

Wagoner erwähnt auch die neue und schon sehr erfolgreiche Zusammenarbeit mit der Marke Saturn, für die Opel erstmals seit Jahrzehnten mit dem Astra wieder nach Amerika exportiert. Das eigentliche Problem in Westeuropa sei die Balance zwischen Kosten und Kapazitäten.

"Hier müssen wir die Produktivität weiter steigern." Mit einigen Ausnahmen wie etwa Rüsselsheim hätten die Werke die richtige Größe. "Es muss so sein, dass wir nicht nur in den osteuropäischen, sondern auch in den westeuropäischen Werken Geld verdienen."

Dafür muss Opel-Chef Hans Demant sorgen. "Wir reden nicht über große Restrukturierungen", sagt dieser angesichts magerer Renditen. So wie in der ganzen Autoindustrie sei auch bei der deutschen GM-Tochter ständiges Feintuning nötig.

Von den weltweit 260.000 GM-Beschäftigten arbeiten 29.300 bei Opel. Demant: "Wir sind immer in der Diskussion, wie wir die Organisation optimieren können." Ein neues Sparprogramm sei damit aber nicht verbunden.

GM-Europa-Chef Carl-Peter Forster will die operative Umsatzrendite von zwei Prozent 2007 bei Opel steigern - etwa durch die Verwendung von Gleichteilen, eine Reduzierung der Produktion und eine Fokussierung der Entwicklungsausgaben.

Hybrid-Antrieb mit Daimler

Sind weitere Kooperationen mit anderen Herstellern ein Weg aus der Krise? Immerhin entwickelt GM ja seinen Hybrid-Antrieb mit Daimler und BMW. Geht mit BMW mehr? Da verstummt Wagoner: "In der Autoindustrie redet zur Zeit jeder mit jedem. Aktuell gibt es nichts Neues zu vermelden."

© SZ vom 6.3.2008/mia/pak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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