Autohersteller in China:Lemminge im verlorenen Paradies

Lesezeit: 3 min

Fahrzeuge während eines Sandsturms im Februar 2008 auf einer Straße im Nordwesten Chinas. (Foto: REUTERS)
  • Als Chinas Nationalbank kürzlich die Landeswährung Renminbi abwertete, war die Botschaft klar: Es wird ernst für Exporteure.
  • Peking kurbelt die Wirtschaft an, indem eigene Exporte erleichtert und Importe verteuert werden.

Von Karl-Heinz Büschemann und Elisabeth Dostert, München

Jetzt geht der Schrecken um. Deutschlands Automanager würden am liebsten gar nichts mehr sagen, so setzt ihnen die Krise auf ihrem wichtigsten Exportmarkt zu. Der BMW-Konzern will nicht einmal mehr verraten, was er in den letzten vier Monaten dieses Jahres noch erwartet. Aufgrund der "sehr volatilen Situation" seien Angaben über Wachstumsperspektiven in China "derzeit nicht sinnvoll."

Selten waren die Chefs der Autokonzerne so verunsichert. Sie haben eine Hoffnung verloren: die Aussicht auf einen ewigen Boom im Wachstumsparadies China mit 1,4 Milliarden Menschen, die zum größten Teil noch auf ihr erstes Auto warten. Dieser Traum wird gerade zerstört. Plötzlich ist in China von Nachfragestau die Rede, von zurückhaltenden Konsumenten.

Und es steht viel auf dem Spiel. Besonders bei Volkswagen. Der Marktführer in Europa verkauft in China ein Drittel seiner Autos und fährt in der Volksrepublik den größten Teil des Gewinns ein. Im Juli sanken die Verkäufe konzernweit um vier Prozent auf 792 100, teilte das Unternehmen am Dienstag mit.

BMW drosselte in China bereits die Produktion. Als die Nationalbank kürzlich die chinesische Landeswährung Renminbi abwertete, war die Botschaft klar: Es wird ernst für Exporteure. Peking kurbelt die Wirtschaft an, indem eigene Exporte erleichtert und Importe verteuert werden. Das muss die deutsche Wirtschaft treffen, für die China der zweitwichtigste Absatzmarkt außerhalb der EU ist. "Deutsche Exporteure sehen sich bereits derzeit mit einer deutlichen Abschwächung der Nachfrage aus China konfrontiert", weiß die Analyse-Abteilung der Deutschen Bank. Im Mai seien die Exporte gegenüber dem Vorjahr schon um 9,3 Prozent gesunken.

Die Autohersteller sehen jetzt, dass sich der große fernöstliche Markt nur noch wenig von den angestammten Märkten in Europa oder Nordamerika unterscheidet. Auch in China müssen die Autohersteller inzwischen Rabatte geben, auch in China gibt es Überkapazitäten in den Fabriken, und auch in China hat sich eine eigene Autoindustrie entwickelt, die billiger anbietet, die zunehmend Marktanteile für sich beansprucht und für Preisdruck sorgt.

"In Schönwetterzeiten ist es keine Kunst, gute Geschäfte zu machen."

Volkswagen verkaufte im ersten Halbjahr knapp vier Prozent weniger Autos als im Jahr davor. Bei BMW brachte der Juli die Ernüchterung. Der Absatz lag in dem Monat plötzlich um sechs Prozent unter dem Vorjahreswert. Bei Audi war der Absatz sogar um 12,5 Prozent heruntergegangen. Nur Daimler ist noch zufrieden: "Wir erwarten keinen Rückgang." Mit dieser Einschätzung stehen die Stuttgarter aber im Moment allein.

Die chinesischen Turbulenzen führen manchem vor Augen, dass es ein Fehler war, sich auf das Zugpferd China zu verlassen, das stets für neue Nachfrage sorgte, wenn in den angestammten Märkten die Kauflaune stagnierte. Jetzt warten auch die Kunden in China ab. Dort gebe es "eine neue Normalität", orakelt der VW-Konzern. Die Unsicherheiten an den Börsen in China und im Immobilienbereich "lassen machen Kunden derzeit einen Autokauf aufschieben". Die Wolfsburger trösten sich damit, dass es den Konkurrenten aus anderen Ländern ähnlich geht. Ferdinand Dudenhöffer, Professor für Automobilwirtschaft an der Uni Essen-Duisburg erwartet in China einen Rückgang des Autogeschäfts in der zweiten Jahreshälfte. Das reiße den gesamten Welt-Automarkt mit. "Erstmals seit vielen Jahren wird der Weltmarkt im kommenden Jahr schlechter." In den vergangenen Wochen sind die Autoaktien deutlich stärker gefallen als der Dax.

Die meisten Vertreter der Autoindustrie sagen allerdings, die jetzige Schwäche werde nur vorrübergehender Natur sein. "China bleibt für uns ein bedeutender Markt mit Potenzial", sagt BMW-Chef Harald Krüger. Auch die Zulieferer der Autoindustrie wollen sich nicht verunsichern lassen. "Das Potenzial in China ist riesig", schwärmte kürzlich Till Reuter, der Vorstandschef des Industrie-Roboterbauers Kuka. China sei der am "schnellsten wachsende Robotermarkt der Welt".

Auch der Dürr-Konzern, er liefert unter anderem Lackieranlagen, äußerte sich kürzlich noch positiv zu den Aussichten in China. Allein im zweiten Quartal sei der Auftragseingang von dort um gut 50 Prozent gestiegen. "Wir sehen in China noch keine Anzeichen dafür, dass der zuletzt verhaltene Automobilabsatz zu einem weitgreifenden Investitionsrückgang in der Autoindustrie führt." Es dürfe aber nicht viel schlechter werden. "Sollte sich das Investitionsklima in China gravierend verschlechtern, hätte dies deutliche Auswirkungen auf Umsatz und Ergebnis", hatte Dürr zur Halbjahresbilanz erklärt.

Dass Unternehmen "wie die Lemminge nach China" strebten, hat Reinhold Festge, der Präsident des Maschinenbau-Verbandes VDMA und Gesellschafter des Maschinenbauers Haver & Boecker, nie verstanden. China sei zwar ein großer Markt, aber ob europäische Manager das Land wirklich verstehen, werde "sich erst zeigen, wenn es mal in eine Krise rutscht", sagt Festge. "In Schönwetterzeiten, wo ich eher einen Verteilermarkt habe, ist es keine Kunst gute Geschäfte zu machen."

Das schöne Wetter ist vorerst vorbei.

© SZ vom 26.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: