Autoelektronik:So veraltet wie "Guns N' Roses"

Vom Röhrenklotz zur digitalen Schaltzentrale - 80 Jahre Autoradio

Damals ein ganz heißes Teil: Ein Blaupunkt-Autoradio von 1950.

(Foto: Bodo Marks/Dpa)

Seit Jahren kämpft Blaupunkt gegen die Bedeutungslosigkeit - nun steht das Traditions-Unternehmen wieder einmal zum Verkauf.

Von Max Hägler, Berlin

Vor 20, vor 25 Jahren da war Blaupunkt eine große Marke. Es war die Zeit der Musikkassetten und CDs. Tina Turner, Guns N' Roses und die ewige Madonna liefen im Autoradio - oft eins von Blaupunkt, gerade wenn es ein sportlicher Wagen war oder zumindest ein aufgehübschter. Und besonders gut angesehen war, wer hinten im Kofferraum einen Zehnfach-CD-Wechsler hatte. Von Blaupunkt. Der letzte Schrei, made in Germany. So wie Blaupunkt einst überhaupt die Musik ins Auto brachte, im Jahr 1932 mit dem ersten in Deutschland entwickelten Autoradio. Einen Rauminhalt von etwa zehn Litern hatte das Musikteil damals.

Doch die Zeiten sind vorbei. Also die von Guns N' Roses und die von Blaupunkt alsMaß aller Dinge, wenn es um Autoelektronik geht. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Hildesheim steckt in der Krise, in einer Beinahe-Pleite sogar. Und wie es aussieht, wechseln nun wieder einmal die Eigentümer.

Man sei mit zwei möglichen Investoren in sehr ernsthaften Gesprächen, teilte das Büro des vom Gericht bestellten Verwalters mit. Allerdings lasse sich noch nicht sagen, wann die Verhandlungen zu einem Abschluss kommen könnten. Ziel sei es, den Geschäftsbetrieb und möglichst viele Arbeitsplätze zu retten, hieß es. Die Blaupunkt-Gruppe mit 450 Mitarbeitern in sechs Ländern versucht sich seit September neu zu ordnen, per Insolvenz in Eigenverwaltung. Das Management bleibt dabei im Amt und übernimmt die Sanierung selbst, ihm wird allerdings ein sogenannter Sachwalter von außen zur Seite gestellt.

1923 wurde Blaupunkt gegründet und stellte sogar Hifi- sowie Fernsehgeräte her. Viele Jahrzehnte war die Firma Teil des Autozulieferers Bosch, der unter dem Namen Blaupunkt vor gut 25 Jahren auch das erste europäische Navigationssystem auf den Markt brachte, "TravelPilot IDS" genannt. Der letzte Schrei auch das. Doch Mitte der 2000er-Jahre geriet Blaupunkt zunehmend in Schieflage, machte bald keine Gewinne mehr. Das mag an zu hohen Produktionskosten gelegen haben, aber auch daran, dass die Nachfrage nach Audiogeräten sank: immer mehr Smartphones und mobile MP3-Player kamen auf den Markt, das normale Autoradio war bald nur noch Abspielstation. Im Dezember 2008 verkaufte der schwäbische Konzern schließlich die Traditionsmarke - und zwar den Bereich Autoantennen und kleine Elektronik, also Autoradios und Navigationssysteme. Eigentlich verschenkten die Schwaben den Firmenteil sogar, samt einer Mitgift von wohl 100 Millionen Euro. Sie konzentrieren sich seitdem auf die Entwicklung und den Bau integrierter Systeme, wie sie in modernen Autos üblich sind und verkaufen diese Hifi-Navi-Kombinationen lukrativ an Autohersteller.

Richtig erholt hat sich Blaupunkt aber trotz der Mitgift nicht mehr, auch wenn die Hildesheimer mittlerweile selbst Gesamtsysteme an die Autoindustrie, auch die deutsche übrigens, zuliefern. Der Münchner Finanzinvestor Aurelius, der sich einst auch beim Schnapsbrenner Berentzen sowie den RTL-Shops engagierte, ließ sich damals Blaupunkt andienen - und hat mittlerweile 89 Prozent weiterverkauft: an einen britischen Finanzinvestor. Doch offensichtlich wollen beide Finanzfonds kein eigenes Geld in das Blaupunkt-Geschäft stecken, das dem Vernehmen nach aus dem Takt geraten ist, weil einer malaysischen Tochterfirma während einer geplanten Expansion Kredite gestrichen wurden.

Und so soll die Marke und das Geschäft eben an den nächsten Eigentümer weitergereicht werden: Ein Finanzinvestor stehe bereit, heißt es aus dem Büro des Sanierers, also eine Firma, die das Geschäft nur einige Jahre halten will, um einfach nur Geld zu verdienen durch einen möglichst raschen Weiterverkauf zu einem höheren Preis. Aber auch ein strategischer Investor soll immerhin ernsthaft interessiert sein, also ein Unternehmen, das Blaupunkt auch deswegen kaufen würde, weil es sich zu bestehenden Firmen gut dazufügen würde.

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