Auto:Was im Motor steckt

Operations At ThyssenKrupp AG's Steel Plant As Chinese Steel Exports Impact Profits

Stahlwerk in Duisburg: Thyssen-Krupp will unabhängiger von den Wurzeln des Konzerns werden, setzt mehr auf Aufzüge und Autoteile.

(Foto: Krisztian Bocsi/Bloomberg)

Der Trend zu Elektroautos und autonomem Fahren beschert den Auto-Zulieferern neue Produkte und Kunden. Doch Thyssen-Krupp warnt: Ein jähes Verbot von Verbrennungsmotoren hätte hohe Abschreibungen zur Folge.

Von Benedikt Müller, Essen

Die Fahrt in einem selbstfahrenden Auto könnte ja ganz gemütlich werden. Da liest man ein gutes Buch, Füße auf dem Armaturenbrett, während der Bolide eigenständig durchs Land steuert. Wären da nicht diese Erschütterungen: Schlaglöcher, Kopfsteinpflaster, Bodenwellen. Doch soll auch dagegen mehr Technik helfen: Zulieferer wie Thyssen-Krupp tüfteln an intelligenten Dämpfungssystemen, die auf Unebenheiten der Fahrbahn reagieren. In der Spitzenklasse gibt es diese Technik schon. Und überhaupt, betont Thyssen-Krupp, wäre autonomes Fahren unmöglich ohne elektrische Lenksysteme, die schon heute die Spur halten können ohne Eingreifen des Fahrers.

Erstmals seit zehn Jahren nimmt Thyssen-Krupp in der kommenden Woche wieder an der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt teil. Denn die Autoindustrie steht - erst recht seit dem Abgas-Skandal - vor so großen Veränderungen, dass sich Zulieferer wie Thyssen-Krupp neue Kunden erhoffen. Man denke nur an die vielen Start-ups, die entstehen, seitdem mehr Kunden Elektro- oder Hybridautos kaufen. Doch birgt gerade ein Abschied vom Verbrennungsmotor auch Gefahren für die vielen Zulieferer.

Mit Autoteilen erwirtschaftet der Konzern mittlerweile ein Viertel seines Umsatzes

So hat Thyssen-Krupp in den vergangenen drei Jahren zwar etwa eine Milliarde Euro in seine Komponenten-Sparte investiert - eben um den Herstellern vernetzter, autonomer oder elektrisch betriebener Fahrzeuge etwas anbieten zu können. Allerdings erwirtschaftet die Komponenten-Sparte des Konzerns immer noch 20 Prozent ihres Umsatzes mit Teilen, die nur in Verbrennungsmotoren verbaut werden - die also in einer Welt ohne Benzin- und Dieselautos nicht mehr gebraucht würden.

Umso deutlicher warnt Thyssen-Krupp-Chef Heinrich Hiesinger, die Politik dürfe den Wandel hin zu alternativen Antrieben nicht dirigistisch erzwingen. "Wir halten nichts von einem einseitigen Verbot des Verbrennungsmotors", sagte Hiesinger jetzt in Essen. Es sei zwar richtig, dass der Staat Grenzwerte für Kohlendioxid oder Stickoxide setze - und diese müssten ohne Wenn und Aber eingehalten werden. Doch für den Weg dorthin fordert Hiesinger "Technologie-Offenheit".

Im Bundestagswahlkampf sprechen sich etwa die Grünen dafür aus, Deutschland solle von 2030 an keine reinen Benzin- und Dieselantriebe mehr zulassen. Frankreich und Großbritannien haben ihren Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor für das Jahr 2040 angekündigt.

Hiesinger warnt, eine solche Entscheidung hätte hierzulande drastische Folgen für die Industrie: Viele Unternehmen müssten Vermögenswerte in ihren Bilanzen nach unten korrigieren, weil bestimmte Produktionszweige bei einem Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor nicht mehr gebraucht würden. Der Thyssen-Krupp-Chef verweist auf die Energiekonzerne, die Milliarden abschreiben mussten, nachdem die Bundesregierung den Ausstieg aus der Kernkraft und die Hinwendung zu erneuerbaren Energien beschlossen hatte.

Für Thyssen-Krupp ist die Komponenten-Sparte ein wichtiges Geschäftsfeld, um unabhängiger von der klassischen Stahlerzeugung zu werden, die anfällig für konjunkturelle Schwankungen ist. Als Hiesinger im Jahr 2011 von Siemens zu Thyssen-Krupp wechselte, hat er dem Traditionsunternehmen einen Wandel verordnet: hin zum breit aufgestellten Technologie-Konzern, der etwa Industrieanlagen, Aufzüge oder U-Boote herstellt und wartet. Mit Autoteilen erwirtschaftet Thyssen-Krupp mittlerweile ein Viertel des Umsatzes. "Das ist für uns ganz klar eine Wachstumsmaschine", sagt Hiesinger. Im laufenden Geschäftsjahr werde die Komponenten-Sparte ihren Umsatz um etwa zehn Prozent steigern, stellt der Konzern in Aussicht.

Unabhängiger von der Stahlerzeugung, dem historischen Kern von Thyssen-Krupp, will der Konzern zudem werden, indem er seine Stahlwerke in ein Gemeinschaftsunternehmen auslagert. Hierzu verhandelt das Essener Unternehmen unter anderem mit dem indischen Konzern Tata, der Stahlwerke in Großbritannien und den Beneluxstaaten unterhält. Allerdings laufen die Gespräche schon seit mehr als einem Jahr. Immerhin hat Tata im August eine Einigung für seine hohen Pensionslasten in Großbritannien erzielt. Dies hatte Thyssen-Krupp zur Voraussetzung für ein Joint Venture gemacht. Der Dax-Konzern prüft nun den Kompromiss mit dem britischen Pensionsfonds.

Hintergrund der Fusionspläne ist, dass die Auslastung europäischer Stahlwerke in den vergangenen Jahrzehnten zurückgegangen ist; zudem drücken günstige Importe aus China den Stahlpreis nach unten. Die Hälfte seiner jährlichen Stahlproduktion liefert Thyssen-Krupp übrigens an einen Stammkunden: die Autoindustrie und ihre vielen Zulieferer.

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