Auto:Friedrichshafen gegen München

Der Autozulieferer ZF Friedrichshafen will den schwedischen Bremsenspezialisten Haldex übernehmen. Doch bei diesem Plan funkt ein Wettbewerber aus der Heimat dazwischen: Knorr-Bremse aus München.

Von Max Hägler, Stuttgart

Im Juli erst passierte es wieder einmal: Ein Lastwagen krachte auf der Autobahn A1 bei Hamburg in einen PKW. Nahezu ungebremst, weil der Trucker offenbar den wegen eines Staus stehenden Wagen übersehen hatte. Vier Menschen starben. Wenn 30 Tonnen auf eine Tonne prallen, geht das für die Insassen fast immer tragisch aus.

Die Lastwagenbranche weltweit arbeitet wegen solcher Unfälle an Assistenzsystemen, die selbständig bremsen und auch ausweichen können. Unter anderem der Zulieferkonzern ZF aus Friedrichshafen am Bodensee: In diesen Wochen zeigt er wie ein Lastwagen auf stehende Autos zurast und dann selbstständig einen Aufprall verhindert. Für Autos gibt es solche Systeme bereits, für große, schwere Trucks ist das viel schwieriger: Ein diffiziles Zusammenspiel aus Computeraugen, Roboterlenkung ist notwendig, viel Software und perfekt gesteuerten Bremsen.

Bremsen sind nun auch der Anlass für eine spannende Bieterschlacht ausgerechnet zwischen den zwei süddeutschen Unternehmen ZF und Knorr-Bremse um die schwedische Firma Haldex. Im Tagestakt wabern derzeit die Nachrichten hin und her: Wer bietet mehr?

Die ZF-Techniker hatten bei der Konstruktion des Lastwagens erkannt, dass sie alles mögliche im Sortiment haben: Sensoren, Lenkung, Steuersoftware. Aber Lastwagenbremsen haben sie nicht. Doch ein Gesamtsystem, entwickelt aus einer Hand, verkauft sich besser. Deswegen sei es naheliegend gewesen, so hört man, sich für Haldex aus dem schwedischen Landskrona zu interessieren. Vor allem die dort gebauten Druckluftbremsanlagen für Lastwagen würden sich gut fügen, stellte ZF-Vorstandschef Stefan Sommer fest. Aber gerade als seine Leute die Gespräche aufgenommen hatten mit den Schweden, kamen Konkurrenten ins Spiel, die mitbieten um den recht kleinen Bremsenspezialisten, der etwa 2100 Menschen beschäftigt. Noch im Rennen ist Knorr-Bremse, der milliardenschwere Bremsenspezialist mit Sitz am Frankfurter Ring in München. Knorr, ein Familienunternehmen rund um Eigner Heinz Hermann Thiele und Vorstandschef Klaus Deller, dominiert den Bremsenmarkt. So stark ist dieser Zulieferer, dass die Lastwagenhersteller stöhnen, weil Knorr die Regeln vorgibt. Die Münchner brauchten den eigentlich weit schwächeren Wettbewerber nicht. Aber als Teil des mächtigen ZF-Konzerns könnte Haldex unangenehm werden für Knorr, zumal in diesen neuen Zeiten von Assistenz- und Robotersystemen, die neue Anforderungen stellen an die Technik.

Deshalb überboten die Münchner in den vergangenen Tagen immer wieder den Zulieferer vom Bodensee, der im Besitz einer Stiftung ist und dessen ausgeschüttete Gewinne vor allem der Stadt Friedrichshafen zugute kommen. 100 Kronen pro Haldex-Aktie war das Eingangsgebot von ZF, derzeit liegt Knorr beim Preis vorn: 125 Kronen bieten sie, fünf Kronen mehr als derzeit ZF, umgerechnet gut 13 Euro. Zusammengefasst bietet Friedrichshafen 554 Millionen Euro, München hingegen 580 Millionen Euro.

Doch der Verwaltungsrat von Haldex empfiehlt seinen Aktionären weiter, an ZF zu verkaufen; bis zum 3. Oktober wollen die Friedrichshafener auf 50 Prozent der Anteile kommen. Beide Bieter seien solide Unternehmen, mit beiden sei man in guten Gesprächen, sagte Magnus Johansson, Sprecher der Haldex-Verwaltungsrates, der Süddeutschen Zeitung: Aber ZF sei im Vorteil, da sich die Manager vom Bodensee bereits um die Kartellbehörden bemüht haben, alle relevanten Stellen hätten schon grünes Licht gegeben. Man könnte also schnell zur Unterschrift kommen und die Aktionäre an ihr Geld. Außerdem würden sich Haldex-Produkte gut einfügen in die neuen ZF-Truck-Robotersysteme, es ergäbe industriepolitisch Sinn. Knorr hingegen müsste sich der Kartellprüfung erst noch unterziehen und es dürfte knifflig werden, wenn ein Marktführer noch größer werden will, auch wenn sie in München abwiegeln und das Problem für lösbar halten.

Bekommt damit die Zahnradfabrik den Zuschlag? Noch nicht. Zum einen ist derzeit so viel Bewegung an der Börse, dass unklar ist, wer gerade Anteile hält; ZF und Knorr sind beide bereits an Haldex beteiligt. Zum anderen ist fraglich, ob sich die Bremsspezialisten aus München geschlagen geben. "Mit Erstaunen" haben sie dort die Haldex-Empfehlung zur Kenntnis genommen, zumal sie ihren Übernahmeplan wohl gern detailliert vorgestellt hätten in Karlskrona. Sollte nun nochmals ein Angebot kommen, Knorr etwa nochmals ein paar Kronen drauflegen, dann würde man dies natürlich abermals genau prüfen, sagt Verwaltungsrat Johansson. ZF würde da eher nicht mitgehen. Da wäre man dann bei irrationalen Preisen, hört man aus dem ZF-Umfeld, also überteuerten.

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