Auto: Angst vor der Zukunft:Einer für Opel

Für ihn begann die Krise mit dem Manager José Ignacio Lopez: Seit 30 Jahren verkauft Karl-Albert Neulinger Opel-Fahrzeuge - seine Treue muss er womöglich teuer bezahlen.

Uwe Ritzer

Auf Carl-Peter Forster lässt Karl-Albert Neulinger nichts kommen. Dass der bisherige Europachef von General Motors (GM) den US-Konzern nun verlassen hat, sei ein großer Verlust für die Tochterfirma Opel, sagt er. Denn Forster, der habe sich wirklich um die Marke gekümmert. Und Neulinger erzählt, wie er und noch ein paar andere Opel-Händler Forster um ein Gespräch gebeten hätten. Eigentlich glaubten sie nicht, dass ein vielbeschäftigter Manager sich Zeit für ihren kleinen Kreis nehmen würde. Aber Forster kam, und Neulinger schwärmt noch heute über das Treffen.

Opelhändler, Karl-Albert Neulinger, urit

Der Autohändler Karl-Albert Neulinger verkauft seit mehr als 30 Jahren Autos mit dem Blitz auf dem Kühlergrill.

(Foto: Foto: urit)

"Er hat sich unsere Sorgen interessiert angehört und mit uns ernsthaft diskutiert", sagt er. Mitreißend sei der Manager gewesen, "er hat uns kleinen Händlern Mut gemacht, an die Marke Opel zu glauben." Nun ist Forster weg. Wie überhaupt die Manager seit Jahren kommen und gehen. "Dabei bräuchte Opel am dringendsten Verlässlichkeit und Stetigkeit", sagt Neulinger.

Händler bangen um Zukunft

Der 58-Jährige weiß das aus eigener Erfahrung. Seit 1920 verkauft seine Familie nur Autos der Marke Opel. Karl-Albert Neulinger steht seit 30 Jahren im Betrieb, wie zuvor sein Vater und sein Großvater. Mit Tochter Stefanie, 27, einer gelernten Kauffrau und Kfz-Meisterin, arbeitet schon die vierte Generation im Unternehmen mit. Das zählt 25 Beschäftigte im Stammhaus in Weißenburg und einer Filiale im benachbarten Gunzenhausen, zwei Kleinstädten 45 Autominuten südlich von Nürnberg. Neulinger ist einer von gut 1500 deutschen Opel-Händlern, die ebenso um die Zukunft bangen wie die Beschäftigten in den Werken. "Denn eines ist klar", sagt Karl-Albert Neulinger, "wenn Opel in die Knie geht, steht am nächsten Tag meine Hausbank vor der Tür und ich habe ein Problem."

Hinter seinem Schreibtisch im Weißenburger Verkaufsraum hängt die Kopie einer Zeitungsannonce aus den fünfziger Jahren. Ein Kunde hat sie Neulinger geschenkt. "Opel Olympia - ein Wagen von internationalem Format", steht da zu lesen, und: "Opel Kapitän, 2,5 Liter - repräsentativ, schnell, bequem, wirtschaftlich." Karl-Albert Neulinger grinst stolz unter dem akkurat gestutzten, schwarzgrauen Schnauzbart. "Den Kapitän wollte damals jeder Selbständige fahren", sagt er. Opel, das ist für ihn nach wie vor "nicht irgendeine Fahrzeugmarke, sondern eine Weltanschauung." Autos, die bezahlbar für alle Schichten seien und dabei einen ganz eigenen Charakter hätten. Auch wenn der zeitweise verloren gegangen sei.

Wenn aus Autos Maschinen werden

Selbst als der Manta als fahrbarer Untersatz für Proleten mit Vokuhila-Frisur und künstlichen Fuchsschwänzen an den Antennen ausgelacht wurde, hätten sich Opel-Autos prächtig verkauft, sagt Neulinger. Den Ausgangspunkt der Krise glaubt er genau datieren und vor allem personifizieren zu können: Ende der achtziger, Anfang der neunziger Jahre, als der spanische Chefeinkäufer José Ignacio Lopez die Preise der Zulieferer drückte. Je mehr die sparen mussten, desto häufiger fuhren verärgerte Kunden in die Neulinger-Werkstatt. Weil ihre Autos schnell rosteten, weil mit schlechtem Kleber angepappte PVC-Leisten abfielen oder der Türgummi plötzlich herunterhing. Kleinigkeiten, die schnell zum Imageproblem wurden. "Und wenn das Image Schaden nimmt, braucht man das Zehnfache an Zeit, um es wieder ins Positive zu drehen", sagt Neulinger.

Opelhaendler, Karl-Albert Neulinger, ap

Liefen dank der Abwrackprämie besonders gut: die kleinen Opel-Modelle wie etwa der Corsa.

(Foto: Foto: AP)

Erschwerend kam hinzu, dass die Autos mit dem Blitz am Kühlergrill plötzlich nur noch als fahrbare Maschinen wahrgenommen wurden, aber kein Lebensgefühl mehr ausdrückten. "Der Vectra zum Beispiel", führt Neulinger an, "das war immer ein technisch gutes Auto. Aber kein Wagen, nach dem man sich auf der Straße umgedreht hat." Natürlich haben er und seine Kollegen versucht, solche Beobachtungen an den Konzern weiterzuleiten und zu warnen. "Aber wenn überhaupt, dann kam das nur stark gefiltert bei den Entscheidern im Management an", sagt er. Erst unter Carl-Peter Forster habe sich das geändert. "Der Insignia und der neue Astra sind nicht nur technisch gute Autos, sondern sprechen auch emotional an", sagt er. Der Händler beobachtet das an seiner Kundschaft. "Die wollen sie anfassen, sich reinsetzen und das Auto spüren."

Dank Abwrackprämie liefen kleine Modelle gut

Etwa 500 Neufahrzeuge gingen bei der Firma Neulinger in Spitzenzeiten jährlich über den Hof; zuletzt war es knapp die Hälfte. In diesem Jahr werden es an die 300 sein. Dank Abwrackprämie verkauften sich vor allem die kleinen Modelle Corsa, Agila, Meriva oder Astra ganz gut. Wer weiß, wie das Jahr ohne Abwrackprämie gelaufen wäre.

"Viele Stammkunden zögern den Kauf eines Neuwagens seit Monaten hinaus, weil sie vorher wissen wollen, wie es mit Opel weitergeht", sagt Neulinger. Verunsichert sind auch jene, die doch kaufen. "Die fragen nicht nur, was das Auto bietet", sagt der Händler. "Die wollen auch wissen, was mit Garantien oder Ersatzteilen ist, falls Opel nicht überlebt." Er beruhigt dann: "Garantie-Ansprüche erlöschen nicht und Opel-Teile wird es immer geben, denn die kommen von Zulieferern." Ansonsten sind seine Zukunftsprognosen vor allem Ergebnis eigener Internet- und Zeitungslektüre. Von Opel oder GM gebe es so gut wie keine Informationen für die Händler, sagt er.

Natürlich hat auch Karl-Albert Neulinger überlegt, die Marke zu wechseln. Oder wenigstens, eine zweite mit in sein Angebot zu holen. Er hatte Angebote und hat sie allesamt abgelehnt. "Neulinger steht hier in der Gegend für Opel und für sonst nichts", sagt er. Die Gefahr, das eigene Image zu verwässern und auch in der Qualität nachzulassen, sei zu groß. Und so wartet er auf gute Nachrichten. "Jeden Tag hört und liest man etwas anderes, das nervt", sagt er.

Carl-Peter Forster ist weg, Nachfolger Nick Reilly ein Übergangschef. "Wenn ich das schon höre: Übergangschef", sagt Neulinger. "Da weiß man, dass der bald wieder weg ist." Er selbst will unbedingt ein Opelaner bleiben.

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