Auszubildende:Drei Policen reichen

Das neue Ausbildungsjahr beginnt - Vermittler von Versicherungen sind schon ausgeschwärmt, um für ihre Produkte zu werben. Wichtig sind Haftpflicht sowie Schutz vor Krankheit und Berufsunfähigkeit.

Von Berrit Gräber

Noch ein paar Wochen Ferien, dann geht das neue Ausbildungsjahr für gut eine Million Schulabgänger los. Die meisten Azubis bringen gerade zu Beginn ihrer Lehrzeit nur wenige Hundert Euro im Monat heim, haben aber schon kostenträchtige und oft unnütze Versicherungsverträge unterschrieben, von Renten- und Lebensversicherungen bis hin zu Handy-, Unfall- und Hausratpolicen, warnt Sascha Straub, Versicherungsexperte der Verbraucherzentrale Bayern. Seit Wochen gibt die Versicherungsbranche ihr Bestes, um die Berufseinsteiger als Neukunden zu gewinnen. Dabei sind Lehrlinge häufig noch bei den Eltern mitversichert. Drei eigene Versicherungen als Basisschutz seien am Anfang vollkommen ausreichend, sind Versicherungsexperten überzeugt.

Was ist mit der Krankenversicherung?

Was jeder Auszubildende haben muss, ist eine eigene Krankenversicherung - im Gegensatz zu Schülern oder Studenten unter 25 Jahren, die in der Regel noch bei den Eltern gesetzlich mitversichert sind. Lehrlinge sollten sich am besten schon vor Antritt der Ausbildungsstelle schlaumachen und selbst eine gesetzliche Kasse aussuchen. Haben sie sich bis spätestens 14 Tage nach Beginn der Ausbildung noch keine Gedanken gemacht, legt der Arbeitgeber die Absicherung fest, weil er seinen Angestellten anmelden muss, betont Straub. Die Mitgliedschaft besteht dann 18 Monate. Danach ist Wechseln kein Problem. Die Leistungen der über 100 Krankenkassen sind zwar zu 95 Prozent gleich, unterscheiden sich aber in vielen interessanten Extras wie Zuzahlungsfreiheit unter 18 Jahren, alternative Medikamente, kostenfreie Impfungen gegen Gebärmutterhalskrebs, Geld für Zähne, Brille oder Osteopathie. Eine eigene private Zusatzversicherung, die das Einbettzimmer oder die Chefarztbehandlung im Krankenhaus zahlt, ist bei dem schmalen Einkommen der Azubis kein Muss - auch wenn die Werbung das oft suggeriert.

Auszubildende: Auszubildende bei den Münchner Stadtwerken.

Auszubildende bei den Münchner Stadtwerken.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Wie steht es um die Privathaftpflicht?

Auch diese Absicherung ist für Azubis sehr ratsam, erläutert Bianca Boss vom Bund der Versicherten. Sie springt ein, wenn man anderen Schaden zufügt, also zum Beispiel das Handy des Freundes oder das teure Parfüm der Freundin fallen lässt. Haben die Eltern eine Haftpflichtpolice für die Familie, brauchen Azubis in der ersten Berufsausbildung allerdings noch keine eigene. Sie sind in ihrer Lehrzeit auch als Volljährige noch mitversichert und können sich eigene Beiträge sparen. Haben Mutter und Vater keine Privathaftpflicht, sei ein eigener Vertrag notwendig, empfiehlt Straub. Das gilt auch bei Heirat. Die wichtige Police ist für Singles ab etwa 40 Euro im Jahr zu kriegen.

Wie sinnvoll ist eine Berufsunfähigkeitsversicherung (BU)?

"Diese Police ist existenziell", sagt Boss. Sie sei ein wichtiger Schutz für alle, die auf ihr Arbeitseinkommen angewiesen sind. Die BU springt ein, wenn der Versicherte nach einem Unfall oder wegen Krankheit nicht mehr arbeiten kann. Gut jeder Vierte muss seinen Beruf aufgeben, weil die Gesundheit nicht mehr mitspielt. Wer dann keine Absicherung hat, wird schnell zum Sozialfall. Wichtig: Eine BU sollte möglichst schon mit Beginn der Lehre abgeschlossen werden. Je früher, desto günstiger die Prämien. Junge Menschen sind meist noch kerngesund. Die Beiträge richten sich aber auch nach dem Beruf. Handwerker werden stärker zur Kasse gebeten als kaufmännische Angestellte. Wird die BU mit einer Risikolebensversicherung kombiniert, ist sie meist billiger zu haben. Interessant können auch "Starter-Policen" sein. Sie bieten trotz einer vorher festgelegten Startphase von bis zu 15 Jahren den vollen Schutz für einen geringen Anfangsbeitrag. Wichtig ist die "Nachversicherungsgarantie". Damit lässt sich nach der Ausbildung, wenn das Einkommen steigt, die Rente ohne Gesundheitsprüfung erhöhen.

Weitere Hilfe

Von privaten Lebens- oder Rentenversicherungen sollten Berufseinsteiger nach Ansicht der Verbraucherschützer lieber die Finger lassen. Wer das regelmäßige Sparen nicht jahrzehntelang durchhält, muss teuer für den Ausstieg bezahlen. Azubis, die Geld übrig haben, können mithilfe des Betriebs fürs Alter sparen. Viele Firmen zahlen Azubis vermögenswirksame Leistungen (VL), oft bis zu 40 Euro im Monat. Der Staat legt häufig noch etwas drauf. Der Bund der Versicherten bietet zur Orientierung die kostenfreie Broschüre "Gut versichert ... in Ausbildung und Studium": www.bundderversicherten.de (Publikationen anklicken, dann Broschüren). Verbraucherzentralen beraten gegen Gebühr auch in Sachen Altersvorsorge. Berrit Gräber

Was muss nicht sein?

Als Alternative oder Ergänzung zur BU wird Azubis gern eine private Unfallversicherung ans Herz gelegt. Die meisten Menschen werden aber nicht durch Unfall, sondern durch psychische Erkrankungen, Krebs oder Rückenleiden berufsunfähig. Boss hält die Unfallpolice wenig geeignet zur Absicherung des Lebensunterhaltes. Die BU sei immer vorzuziehen, weil sie nicht nur bei Unfall und Invalidität, sondern auch bei Krankheit eine Rente zahlt - vorausgesetzt, die Berufsunfähigkeit beträgt mindestens 50 Prozent. Verzichtbar ist zudem der Abschluss einer eigenen Rechtschutzversicherung. Kinder sind bis zum Ende der Erstausbildung, spätestens bis zum Alter von 25 Jahren bei den Eltern mitversichert. Eine extra Reiserücktritts- oder Gepäckversicherung sowie eine Handyversicherung sind ebenfalls meist überflüssig.

Was ist mit der Hausratpolice?

Solange der Azubi noch zu Hause wohnt, ist eine Extra-Police unnötig. Haben die Eltern eine Hausratversicherung, ist der Nachwuchs darüber abgesichert. Das gilt auch für sein Zimmer oder Wohnheim am Ausbildungsort. Anders kann es aussehen, wenn der Azubi einen eigenen Hausstand gründet oder in eine Wohngemeinschaft zieht. Aber: Nur wer schon in der Lehre hochwertigen Hausrat anschafft, etwa kostspielige Möbel, Hightech-Geräte, teure Computer oder eine Profi-Fotoausrüstung, sollte über eine eigene Absicherung nachdenken. Die Police deckt üblicherweise Einbruchdiebstahl, Brand, Blitzschlag, Explosion oder Schäden durch Rohrbrüche und Sturm ab.

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