Austausch von Kontodaten:Gläserne Anleger

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Der Bundestag schiebt Steuerhinterziehung ins Ausland den gesetzlichen Riegel vor.

Von CERSTIN Gammelin, Berlin

Sparer und Anleger haben es künftig schwer, Kapitalerträge vor der Steuer zu verbergen. Der Bundestag verabschiedete am Donnerstag das Gesetz zum automatischen Informationsaustausch über Kapitalerträge. Demnach dürfen Finanzbehörden die Daten von Kontoinhabern erheben und mit solchen Staaten austauschen, die ihrerseits Kontendaten liefern. Die Informationen werden von 2016 an gesammelt, Mitte 2017 sollen erstmals die Daten zum Stichtag 31. Dezember 2016 ausgetauscht werden. Banken und Sparkassen werden folgende Daten zur Verfügung stellen: Name, Anschrift, Steueridentifikationsnummer sowie Geburtsdaten und Geburtsort jeder meldepflichtigen Person, Kontonummer, Jahresendsalden der Finanzkonten sowie gutgeschriebenen Kapitalerträge. Abgewickelt wird der Datenaustausch in Deutschland über das Bundeszentralamt für Steuern. An dem Austausch nehmen weltweit mehr als 90 Staaten teil.

Peer Steinbrück hatte die Steuer eingeführt, um die Kapitalflucht ins Ausland zu begrenzen

Für den zuständigen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ist die Einführung des automatischen Informationsaustausches Anlass genug, um andererseits die pauschale Abgeltungsteuer für Kapitalerträge abzuschaffen, die sein Vorgänger Peer Steinbrück 2009 mit der Begründung eingeführt hatte: besser 25 Prozent auf X als 42 Prozent auf Nix. Mit dieser Begründung hatte der Sozialdemokrat seine Genossen überzeugt, einem Gesetz zuzustimmen, das Kapitalerträge deutlich niedriger besteuert als Einkünfte aus Arbeit, was mithin ungerecht ist. Das Argument, es sei besser, die Anleger zu motivieren, ihr Geld im Lande zu lassen und gering zu versteuern, als es außer Landes zu schaffen und gar nicht zu versteuern, überzeugte.

Seither haben sich die Zeiten geändert. Die Flucht ins Ausland ist deutlich schwerer, außerdem braucht Schäuble dringend Geld im Bundeshaushalt. Doch Schäubles Ankündigung, in der nächsten Legislaturperiode darüber nachzudenken, "ob wir die Steinbrück'sche Steuerreform bei der Kapitalertragsteuer, die ja mit der Unvollkommenheit der Erfassung von Kapitaleinkünften begründet war, zur Disposition stellen", löste umgehend Widerspruch bei Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) aus. Die Rückkehr zur progressiven Besteuerung von Kapitalerträgen könnte "dem Finanzplatz Deutschland Schaden zufügen". Andere Staaten hielten an der Abgeltungsteuer fest. Zudem seien 25 Prozent zuzüglich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer im internationalen Vergleich "üppig". Angesichts des niedrigen Zinsniveaus stelle eine begünstigte Besteuerung von Kapitalerträgen "auf Sicht kein Gerechtigkeitsproblem dar". Norbert Walter-Borjans, Sozialdemokrat und Finanzminister von Nordrhein-Westfalen, fühlte sich daraufhin veranlasst, "dem Wolfgang Schäuble viel Spaß mit seinen Parteifreunden von CDU und CSU" zu wünschen - und dem Bundesminister zugleich Unterstützung anzubieten. Er sei sich mit Schäuble seit Langem darüber einig, "dass die Abgeltungssteuer nur eine Nothilfe ist, um Bezieher hoher Zinseinkünfte überhaupt zum Steuerzahlen zu bewegen". Mit der Meldepflicht der Banken an die Finanzämter, wie das bei jedem Arbeitsverhältnis auch der Fall sei, "gibt es keinen Grund, Millionäre nur mit 25 Prozent zu besteuern".

© SZ vom 13.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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