Auslandsinvestitionen:Trotz Brexit

Großbritannien bleibt ein beliebter Standort für internationale Konzerne, obwohl das Land die EU verlassen wird. Besonders stark engagiert sind Unternehmen aus den USA. Auch bei deutschen Managern ist das Königreich gefragt.

Von Björn Finke, London

Bei den Brexit-Verhandlungen geht es nicht voran; die britische Regierung ist sich uneins, was sie will. Doch internationale Konzerne schreckt das Gewürge im Königreich offenbar nicht ab: In keinem anderen europäischen Staat investierten ausländische Unternehmen 2017 mehr. Die Zahl der Projekte stieg um sechs Prozent auf 1205. Platz zwei in der Rangliste besetzt wieder Deutschland mit 1124 Vorhaben. Die Berater von Ernst & Young (EY) erstellen jedes Jahr diese Tabelle, die widerspiegelt, wie attraktiv Europas Länder für Firmen sind, die in der Fremde Büros oder Fabriken eröffnen wollen. Die Studie für 2017 wird an diesem Montag veröffentlicht und lag der SZ vorab vor.

Großbritannien hat diese Rangliste bisher immer angeführt. US-Konzerne sind die wichtigsten Auslandsinvestoren in Europa, und wegen der gemeinsamen Sprache und ähnlichen Kultur wählen sie gerne das Königreich und in kleinerem Umfang Irland als Brückenköpfe, um ihr Geschäft auf dem Kontinent auszubauen. Doch nach dem EU-Austritt im März - oder nach der vereinbarten Übergangsphase bis Ende 2020 - könnte es schwieriger werden, von Großbritannien aus Kunden auf dem europäischen Festland zu bedienen. Der Brexit könnte bürokratische Hürden errichten, im schlimmsten Fall würden Zölle eingeführt. Trotz dieser Unsicherheit über die künftigen Handelsbeziehungen legte aber die Zahl der Investitionen von US-Konzernen im Königreich um ein Sechstel zu.

Das meiste britische Geld floss in die Bundesrepublik und nach Frankreich

Hubert Barth, Deutschland-Chef von EY, sagte, dieses "große Vertrauen" in den Standort sei "bemerkenswert". Bei Vorlage der Rangliste im vergangenen Jahr hatte Barth die Prognose gewagt, dass Deutschland Großbritannien 2017 wegen des Brexit als Tabellenführer ablösen würde. Das ist ausgeblieben. Allerdings wächst die Zahl der Projekte ausländischer Konzerne im Königreich langsamer als früher. 2017 betrug das Plus sechs Prozent, 2016 - im Jahr des EU-Referendums - sieben. Zwischen 2013 und 2015 hingegen war die Steigerungsrate stets zweistellig.

Neben US-Unternehmen investieren auch deutsche Betriebe kräftig in Großbritannien. Nach Frankreich ist das Königreich das beliebteste Ziel deutscher Manager, die im europäischen Ausland Büros oder Werke aufbauen wollen. Für die Tabelle berücksichtigt EY nur Investitionen, die Standorte und Jobs schaffen, also keine Firmenübernahmen oder Aktienkäufe.

In Deutschland steuern amerikanische Konzerne die meisten ausländischen Investitionen bei. Zweitwichtigstes Herkunftsland ist die Schweiz vor Großbritannien auf Platz drei. Die Zahl der britischen Projekte in Deutschland stieg im Vergleich zu 2016 um satte 83 Prozent. Firmen aus dem Königreich investierten im vergangenen Jahr mehr denn je im europäischen Ausland, die Zahl der Vorhaben nahm um ein Drittel zu - vermutlich wegen des Brexit. Mit Standorten auf dem Festland können die Unternehmer Ihrer Majestät vorsorgen für den Fall, dass der EU-Austritt Geschäfte über den Ärmelkanal komplizierter macht. Das meiste britische Geld floss in die Bundesrepublik und nach Frankreich: Deutschland ist ein Profiteur der Brexit-Angst.

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