Ausbildungsplätze:Viele bleiben draußen

Eigentlich waren die Chancen auf einen Ausbildungsplatz noch nie so gut wie heute. Doch trotzdem gehen mehr als 20 000 Jugendliche in Deutschland leer aus. Das zeigt der neue Berufsbildungsbericht der Regierung.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Für Bundesbildungsministerin Johanna Wanka überwiegen die guten Seiten: "Jugendliche haben selten so gute Chancen auf einen interessanten Ausbildungsplatz und attraktive Berufsperspektiven gehabt wie heute", sagte die CDU-Politikerin bei der Vorstellung des Berufsbildungsbericht 2017. Trotzdem zeigt die 150 Seiten starke Regierungsanalyse, dass auf dem Lehrstellenmarkt nicht alles gut läuft - die wichtigsten Erkenntnisse:

Die Lehrstellen: 2016 wurden etwa 520 000 Ausbildungsverträge abgeschlossen. Das sind fast so viele wie 2015, aber deutlich weniger als noch vor fünf Jahren. Damals wurden fast 570 000 Lehrverträge unterschrieben. Dahinter steckt ein Teufelskreis: Es gibt wegen des Geburtenknicks weniger Schulabgänger und um fast 200 000 weniger Bewerber als noch vor zehn Jahren. Gleichzeitig beginnen etwa 150 000 junge Menschen mehr als vor einem Jahrzehnt ein Studium. Deshalb finden immer mehr Betriebe keine geeigneten Bewerber. Der Kammerverband DIHK beklagt: 14 000 IHK-Betriebe hätten 2016 überhaupt keine Bewerbungen für freie Ausbildungsplätze mehr erhalten. Sie fallen dann zunächst unfreiwillig aus der Statistik der Ausbildungsbetriebe heraus - und bieten nicht selten in der Folge aus Frust auch keine Azubiplätze mehr an.

Die Ausbildungsbetriebe: Hier gibt es erneut einen Negativrekord. 2015 bildeten nur 20 Prozent der Betriebe aus. Die Quote sinkt seit Jahren. 2009 hatten noch 23,5 Prozent der Betriebe einen Azubi. Das liegt dem Bericht zufolge auch daran, dass Start-ups oft nicht ausbilden. Probleme, Jugendliche zu finden, haben vor allem Kleinbetriebe mit weniger als zehn Mitarbeitern. Großbetriebe hätten bei jungen Menschen eine "größere Attraktivität", heißt es dazu in der Regierungsanalyse.

Das Passungsproblem: Bis Ende September 2016 erhöhte sich die Zahl der offenen Ausbildungsplätze um 4,5 Prozent auf 43 500. Zugleich gingen jedoch 20 600 Jugendliche leer aus. In dem Bericht wird hierzu festgestellt: "Die Passungsprobleme von Angebot und Nachfrage haben zugenommen." Mal passt also die Qualifikationen des Bewerbers nicht zu dem Anforderungsprofil des Arbeitgeber. Oder die angebotenen Plätze liegen zu weit entfernt von der Heimat der Jugendlichen, die diese nicht verlassen können oder wollen.

Die unbeliebten Berufe: Nach Angaben des Zentralverbands des Deutschen Handwerks sind sieben von zehn Ausbildungsberufe mit starken Besetzungsschwierigkeiten aus dem Handwerk. Dazu zählen Fleischer, Fachverkäufer im Lebensmittelhandwerk (jeweils 33 Prozent unbesetzte Stellen), Klempner (26 Prozent), Bäcker (24 Prozent) sowie Beton- und Stahlbetonbauer, Gerüstbauer und Gebäudereiniger.

Die Abiturienten und die Hauptschüler: Immer mehr Azubis haben Abitur, inzwischen sind es knapp 28 Prozent. 2009 waren es noch gut 20 Prozent. Das erschwert für wenige qualifizierte Schulabgänger den Weg ins duale System. Laut Deutschem Gewerkschaftsbund schafft nur jeder zweite Hauptschüler direkt den Sprung von der Schule in die Ausbildung.

Die Migranten: Sie sind in der dualen Ausbildung "weiterhin stark unterrepräsentiert", so der Bericht. Demnach hat 2014 nur knapp jeder dritte junge Mensch ohne deutsche Staatsangehörigkeit eine Ausbildung angefangen. Bei deutschen Staatsbürgern lag der Wert bei 56,3 Prozent. Der geringere Wert bei den Migrantenkindern wird vor allem auf deren niedrigere Schulabschlüsse zurückgeführt.

Die Abgehängten: Mehr als 1,2 Millionen Menschen zwischen 20 und 29 Jahren haben keine abgeschlossene Lehre - ohne zu studieren oder in der Schule zu sein. Bei den 20- bis 34-Jährigen sind es sogar fast zwei Millionen. Viele von ihnen arbeiten - ihre Aufstiegschancen gelten jedoch als schlecht.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: