Aus für Solargeschäft:Bei Siemens geht die Sonne unter

Siemens steigt aus dem schwächelnden Solargeschäft aus. Der Rückzug von Deutschlands größtem Technologiekonzern verschärft die Krise der grünen Industrie - und hat Auswirkungen auf das Wüstenprojekt Desertec.

Markus Balser und Björn Finke

Die Hoffnungen auf die neue Sparte waren beim deutschen Technologiekonzern Nummer eins gewaltig: "Bei Siemens scheint künftig die Sonne", sagte Konzernchef Peter Löscher noch im Herbst 2009. Damals feierte sein Unternehmen die Übernahme der israelischen Solarfirma Solel Solar Systems. Die Akquisition galt als Einstieg in ein Zukunftsfeld.

Siemens trennt sich vom Solargeschäft

Siemens will sich bei den erneuerbare Energien auf Wind- und Wasserkraft konzentrieren. Die Division Solar & Hydro mit etwa 800 Mitarbeitern soll aufgelöst werden.

(Foto: dapd)

Nur drei Jahre scheint die Sonne nicht mehr: Die Sparte steht vor dem Ende, Löschers Konzern steigt wieder komplett aus der Solartechnik aus. Der Dax-Konzern sucht Käufer für seine Solarthermie- und Fotovoltaiksparte, wie die Münchner am Montag mitteilten. Der Rückzug betrifft weltweit 680 Mitarbeiter und ein Umsatzvolumen von mehr als 200 Millionen Euro; Gespräche mit Interessenten laufen bereits.

Für Siemens ist der Strategieschwenk Teil eines Sparprogramms, das Konzernchef Löscher dem Unternehmen verordnet hat. Brisanter Nebeneffekt: Der Konzern lässt außerdem zum Jahresende seine Mitgliedschaft beim Wüstenstromprojekt Desertec auslaufen. Ein Sprecher betonte aber, es gebe hier keinen Zusammenhang zum Rückzug aus dem Solargeschäft.

Siemens-Rückzug ein schlechtes Zeichen

Die Sorgen um die deutsche Solarbranche dürften damit weiter wachsen. Denn der Ausstieg von Siemens gilt als schlechtes Zeichen für die Zukunft der ohnehin angeschlagenen Industrie Deutschlands. Einstige Weltmarktführer wie Solon und Q-Cells sind in den vergangenen Monaten bereits in die Insolvenz geschlittert. Mehrere klamme deutsche Firmen wurden verkauft. Andere Schwergewichte wie Solarworld schreiben hohe Verluste.

Auf dem globalen Solarmarkt spielt sich einer der härtesten Konkurrenzkämpfe der internationalen Wirtschaft ab. China hat mit aller Macht binnen wenigen Jahren aus dem Nichts die größte Solarindustrie der Welt aufgebaut. Der Weltmarktanteil chinesischer Firmen liegt bei 65 Prozent, in Europa bei 80 Prozent. Das Ziel Chinas sei klar, warnt etwa Solarworld-Chef Frank Asbeck: "Den Rest der Welt aus dem Markt drängen und ein Monopol schaffen auf die Technik zur Nutzung der größten Energiequelle der Welt. Peking weiß: Das wäre noch wertvoller, als auf allen Öl- und Gasvorräten der Erde zu sitzen."

Siemens hat keine Hoffnung auf eine Wende

Die internationale Politik hat sich längst eingeschaltet, um Jobs in Europa und den USA zu retten. Die Regierung in Washington verhängte unter US-Präsident Barack Obama in diesem Jahr Strafzölle. Die Europäische Kommission hat auf Druck europäischer Solarkonzerne das größte Anti-Dumping-Verfahren ihrer Geschichte gegen Chinas Solarwirtschaft eingeleitet. Der Verdacht an die Adresse Pekings: Chinas Firmen könnten versuchen Konkurrenten mit unfairen Preisen zu bekämpfen.

Doch bei Siemens hat das Management offenbar wenig Hoffnung auf eine rasche Wende. Im Bereich Fotovoltaik beschäftigt Löschers Konzern 160 Mitarbeiter weltweit. Siemens fertigt keine Solarzellen oder Solarpanele, sondern kauft die Technik ein und errichtet als Generalunternehmer für Investoren kleine Solarkraftwerke. Doch nachdem Regierungen Subventionen für Solarstrom gekürzt hatten, werden immer weniger Sonnenkraftwerke gebaut.

Auch bei Solarthermie-Projekten wie Desertec kommen die Geschäfte wohl erst im größeren Stil in mehreren Jahren in Gang. Derzeit machen den Planern die Umwälzungen in Nordafrika zu schaffen. Siemens trennt sich wohl auch deshalb von dem 2009 für 284 Millionen Euro gekauften israelischen Solarthermie-Spezialisten Solel mit heute 520 Beschäftigten. Siemens hat in dem Bereich nie Gewinn erwirtschaftet.

Solar nein, grüne Energie ja

Ein Rückzug aus der grünen Energie sei dies allerdings nicht, heißt es aus dem Konzern. Siemens sieht erneuerbare Energien nach eigenen Angaben weiterhin als Wachstumsmarkt an, setzt aber nun ausschließlich auf Wind- und Wasserkraft. Insgesamt machte Siemens mit erneuerbaren Energien zuletzt 3,9 Milliarden Euro Umsatz.

Anders als im Solar-Markt läuft das Windgeschäft für Siemens profitabel. Der Konzern hat hier 9000 Mitarbeiter und einem Auftragsbestand von mehr als zehn Milliarden Euro. Bei Windparks auf See ist der Konzern Weltmarktführer. Auch das Joint-Venture Voith Hydro für konventionelle Wasserkraftwerke schreibt schwarze Zahlen und soll weiterlaufen. In der Solarbranche hofft Siemens zudem weiter auf Abnehmer. Der Konzern werde nach wie vor Generatoren und Netztechnik für Solarparks anbieten. Derartige Technik will das Unternehmen auch für die Wüstenstrominitiative Desertec liefern - wenn Unternehmen erst einmal damit angefangen haben, die Vision von Solar- und Windparks in Nordafrika zu realisieren.

Für die Desertec-Planungsgesellschaft DII gilt der Ausstieg dennoch als Rückschlag. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung prüft neben Siemens auch der deutsche Konzern Bosch seinen Ausstieg aus dem Wüstenstromprojekt. Damit würden zwei prestigeträchtige Gesellschafter zum Jahresende ihre Mitgliedschaft kündigen. Eine Sprecherin äußerte sich zunächst nicht zu den Informationen. "Für uns ändert sich nichts", sagte DII-Chef Paul van Son der SZ. "Unser Ziel bleibt es, den Menschen in Nordafrika und dem Nahen Osten mit Strom zu versorgen und ihre Zukunft zu gestalten."

Der Gründer der israelischen Solarfirma Solel kann den Ausstieg von Siemens nicht verstehen - und sieht offenbar für den Geschäftsbereich eine Zukunft. Der frühere Chef des Solartechnikspezialisten erwägt nun sogar die Firma von Siemens zurückzukaufen. "Heute ist kein guter Tag für die Solarindustrie", erklärt Avi Brenmiller. Er war vor der Übernahme Vorstandschef des israelischen Unternehmens und gehört zu den Gründern. Seine Analyse: "Die Zukunft der Solarenergie liegt in ihrer Kombination mit der Förderung von fossilen Brennstoffen."

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