Augsteins Welt:Währungsunion im Mittelalter

Von leveraged buyouts und quantitative easing hatten die Leute im Mittelalter keine Ahnung. Doch die Idee von Monopolen war bekannt.

Von Franziska Augstein

An diesem Freitagabend nimmt Papst Franziskus in Rom den Aachener Karlspreis entgegen. Das ist ein Glück für den Preis, der normalerweise bloß an einflussreiche Politiker vergeben wird, weil sie - naja - weil sie einflussreich sind.

Papst Franziskus ist von anderer Art: Er hat den Gedanken der Karitas so stark gemacht, dass viele eine Weile lang fürchteten, er könne dafür im Vatikan vergiftet werden. Den Karlspreis kann der Papst gut annehmen. Denn Karl der Große war, viele kriegsbedingte Massaker beiseitegelassen, ein wahrer Christenmensch. Er hat im späten 8. und frühen 9. Jahrhundert nach Christus die Herrschaft der Kirche in Italien gefestigt. Und zu seiner Zeit war der Kirchenstaat noch politisch unbedeutend, er war eher so, wie Papst Franziskus sich die Ecclesia Catholica Romana wünscht: nicht auf politische, nur nebenbei auf wirtschaftliche Macht gegründet, sondern vornehmlich im Glauben.

Mit der wirtschaftlichen Macht war es im 8. und 9. Jahrhundert so eine Sache: Warentausch war üblich. Handwerker sammelten sich, wo ein Fürst wohnte, der samt seines Hofstaats imposant ausgestattet werden wollte. Damit die Konkurrenz nicht überhandnahm, entwickelten die Zünfte strenge Hierarchien. Laut dem Mittelalterhistoriker Arno Borst herrschte Monopolwirtschaft. Die zugelassenen Handwerker lebten ohne hektische Konkurrenz und ohne Existenzsorge. Es war eine vorkapitalistische Welt.

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Wer die Europäische Währungsunion pries, wer heute die Europäische Union stützen will, verweist gern auf Karl den Großen, Kaiser aus dem Geschlecht der Karolinger, und die angeblich uralten Wurzeln der EU. Karl verabreichte seinem Riesenreich eine Münzreform: Mit dem Denar, wie der Historiker Friedrich Prinz 2000 schrieb, stellte Karl "ganz auf Silbergehalt um, womit ansatzweise ein europäischer Wirtschaftsraum entstand". Aus dieser Perspektive war Karls Reich ein Vorläufer der Europäischen Währungsunion. Das ist heute nützlich für Politiker und ihre Redenschreiber.

Während Prinz im Jahr 2000 noch ganz optimistisch gestimmt war, galt das für seinen Kollegen Johannes Fried 2013 schon nicht mehr. In seiner Karl-Biografie zeigt er den Kaiser des Frankenreiches als einen Mann, der vor allem Krieg führte. Mit dem Europa-Gedanken hatte seine Regentschaft in der Praxis wenig zu tun: "Der junge Karl war geradezu zum Erobern verdammt; er musste sein Reich ausweiten, um sich wahrhaft als König zu erweisen und sein Gefolge angemessen entlohnen zu können." Zu Karls Zeiten waren die geografischen Kenntnisse so schlecht, dass er nicht wusste, wo genau die Grenzen seines Reiches lagen.

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begann die Münzreform, die König Karl aus dem Geschlecht der Karolinger verfügte: Von Gold und anderen Metallen ging er ab und führte in seinem Reich, das von Nordspanien bis zur Ostsee reichte, den Denar ein: eine Silbermünze. Zu Lebzeiten wurde er "Vater Europas" genannt. Nicht ganz zu Recht.

Lange bevor die Fürsprecher des Vertrags von Maastricht zur Einrichtung der Europäischen Währungsunion historisch aufrüsteten, gab es Leute, die in Charlemagne, wie er in Frankreich heißt, einen großen Europäer sahen. Freilich, viele waren es nicht. Einer war Napoleon, der sich ein noch größeres Reich erobern wollte, als Karl es hatte. Nach der Schlacht von Waterloo und dem Aufflammen des deutschen Nationalismus war es mit dieser Idee dann aber vorbei. Mit Johannes Fried gesagt: "Kaum also war der Europa-Gedanke mit dem Karolinger - und sei es noch so vage - verknüpft, da verflüchtigte er sich schon wieder."

Von leveraged buyouts und quantitative easing hatten die Leute im Mittelalter keine Ahnung. Die Idee von Monopolen aber: Die war bekannt. Danach streben Unternehmen auch heute. Der katholischen Kirche war es immer wichtig, das Monopol auf den wahren Glauben zu haben. Das ist auch heute noch so, in ökumenischen Zeiten.

An dieser Stelle schreiben jeden Freitag Franziska Augstein und Nikolaus Piper im Wechsel.

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