Augsteins Welt:Geld für alle

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An dieser Stelle schreibt künftig jeden zweiten Freitag Nikolaus Piper. (Foto: Bernd Schifferdecker)

Das bedingungslose Grundeinkommen fasziniert viele - aber wer soll das alles bezahlen?

Von Franziska Augstein

Der Schachgroßmeister Garri Kasparow spielte 1997 gegen den Computer Deep Blue und verlor. IBM hatte den Deep Blue so gut angefüttert, dass die Maschine dem Menschen überlegen war. Seither erleben wir, dass immer mehr Produktionsprozesse von Maschinen übernommen werden. Das gilt derzeit vornehmlich für Arbeiten, die Menschen monoton vorkommen. Viele Arbeiter haben indes nichts einzuwenden gegen die immer gleichen Handgriffe. Was niemand mag: den eigenen Arbeitsplatz verlieren und durch eine Maschine ersetzt werden. Das wird aber kommen. Das ist die Zukunft.

Die Menschen machen sich selbst überflüssig. Derzeit wird viel Geld in die Entwicklung von Autos gepumpt, die sich selbst steuern. Ob die Leute das wirklich wollen, ob sie einem Auto vertrauen wollen, um sich ihren Papieren zu widmen oder einfach bloß, wie der heutige Fachausdruck für Wegduseln ist, zu chillen: Danach wird gar nicht erst gefragt. Es kann gemacht werden, es wird gemacht werden.

Bald brauchen wir keine Fahrer mehr und keine Autobauer und keine Leute, die in Fabriken Maschinen zusammensetzen. Fragt sich, wovon die Menschen leben sollen, wenn sie keine Arbeit haben, weil Maschinen alles viel billiger erledigen, nicht unbedingt besser, aber - samt steuerlichen Abschreibungen - viel günstiger und auch halbwegs zuverlässig. Manager, die sich selbst natürlich für unersetzlich halten, arbeiten ohne Unterlass daran, wie sie das Personal ihrer Firma abbauen können.

Da kommt die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens ins Spiel. Sie ist auf den ersten Blick schlicht bescheuert. Den Leuten Geld geben, damit sie auf dem Sofa vor der Glotze sitzen und Bier trinken? Oder damit sie, ihres Einkommens sicher, im Origami-Kurs lernen, aus Papier gefaltete Tiere anzufertigen?

Götz Werner, Gründer der Drogeriemarktkette dm, ist seit Langem ein Fürsprecher des bedingungslosen Grundeinkommens. Von Geld, weil er davon jede Menge hat, hält er nicht viel. Seine Firma hat er in eine Stiftung gegeben. Er sagt: Als Vater müsse man den Kindern die beste Ausbildung ermöglichen; aber dann müssten die Kinder auf eigenen Füßen stehen.

Warum ist Götz Werner für das bedingungslose Grundeinkommen? Zusammen mit den Finanzfachleuten Marc Friedrich und Matthias Weik hat er einen lustig geschriebenen Essay verfasst: "Sonst knallt's. Warum wir Wirtschaft und Politik radikal neu denken müssen" (Eichborn Verlag). Die Autoren tragen ein paar bedenkenswerte Argumente vor. Ihre Grundannahme ist: Wenn jeder, Jugendliche eingeschlossen, 1000 oder 1500 Euro im Monat erhält, dann werden die allermeisten dieses Geld eben nicht versaufen oder in Gummibärchen investieren. Es sei dem Menschen eigen, tätig zu sein. Tätig sein kann aber nur, wer einen freien Kopf hat. Was das Denken am allermeisten behindere, ist die Angst um die eigene Existenz - sie stiftet Panik und sie lähmt.

Die Autoren machen sich lustig über den wohlfeilen Preis des "Humankapitals". Sie erwähnen eine Umfrage unter 800 Spitzenmanagern internationaler Unternehmen, die ergeben hat, dass 64 Prozent von ihnen die eigenen Beschäftigten in erster Linie als Kostenfaktor ansehen. Und Kostenfaktoren müssen reduziert werden. Was aus den Menschen dann wird? In Deutschland nennt sich das Hartz IV. Das lähmt auch, meinen die Autoren. In der Tat, dieses Geld reicht gerade hin, nicht unterzugehen und den Leuten die Kraft zu geben, den Weg zu einer der vielen "Tafeln" zu finden, wo kostenlos Lebensmittel verteilt werden. Produktiv ist das nicht.

Die Frage ist nur: Wer soll das bezahlen?

So weit kann man den Autoren folgen. Die Frage ist nur, mit dem alten Song gesagt: "Wer soll das bezahlen ... wer hat so viel Geld?" Deutschland hat etwa 82 Millionen Einwohner. Bei einem Grundeinkommen von 1000 Euro, so haben die Autoren errechnet, macht das 984 Milliarden Euro pro Jahr. Und die müssen irgendwoher kommen.

Da haben die Autoren einen amüsanten Vorschlag. Es sollten alle Steuern abgeschafft werden, nur noch der Konsum solle besteuert werden. Dann werde sich das schon regeln lassen. Das will nun nicht ganz einleuchten. Es gibt immer noch eine gewisse Umverteilung von "oben" nach "unten", die für die Gesellschaft wichtig ist. Reiche zahlen mehr Steuern als Arme. Wenn nur der Konsum besteuert wird, dann kommt das vor allem den sogenannten Besserverdienenden zugute. Die Autoren meinen dazu: Das mache keinen Unterschied; aber wenn es dem Gerechtigkeitsgefühl diene, könne man ja auf den Kauf von Austern, Kaviar und dicken Autos eine besonders deftige Steuer erheben. Wir warten darauf, dass diese Behauptung mit Zahlen belegt wird. Das bedingungslose Grundeinkommen: Es ist eine gute Idee, aber woher das Geld dafür kommen soll, ist immer noch nicht klar.

Interessanterweise hat schon Milton Friedman, einer der Väter des wirtschaftlichen Neoliberalismus, sich für eine "negative Einkommensteuer" ausgesprochen. Er meinte damit, dass alle, die keine direkten Steuern zahlen, vom Staat in bar ausgezahlt bekommen, was die Finanzämter als Freibetrag anrechnen. Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos 2016 saßen, so die Autoren, "Hunderte knallharter Manager" und diskutierten über das bedingungslose Grundeinkommen. Die Chefs von Siemens, Telekom und SAP sollen dafür gewesen sein. Desgleichen die Gründer der Autofabrik Tesla und von Ebay.

Übrigens: Die Firma Wurlitzer musste Anfang der 70er-Jahre die Produktion ihrer herrlich-schönen Musikautomaten einstellen: Mit dem Aufkommen der Diskotheken hatten Discjockeys die Maschinen überflüssig gemacht. Es war eines der letzten Male, da Menschen wichtiger waren als Maschinen.

© SZ vom 26.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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