Augsteins Welt:Der Goldesel soll weiter liefern

Der Fall einer fehlgeschlagenen Privatisierung in Kosovo zeigt, wie desolat die politisch-wirtschaftlichen Strukturen dort sind.

Vor zwei Wochen ging es hier auch schon um Kosovo. Jetzt ist von einer fehlgeschlagenen Privatisierung zu erzählen. Der Fall zeugt von Kosovos desolaten politisch-wirtschaftlichen Strukturen: Die deutsche Investmentgesellschaft ACP Axos Capital hatte den Zuschlag für den Erwerb der kosovarischen Telefongesellschaft PTK erhalten. Axos gilt als hochseriös. Umso bedenkenswerter sind die Umstände, die zum Fehlschlag des Projekts führten.

Vor sechs Jahren wollte Kosovo seine Telefongesellschaft PTK in einem öffentlichen Bieterprozess privatisieren. 2013 erhielt Axos mit dem Gebot von 277 Millionen Euro den Zuschlag als Höchstbieter. Mitglieder des Konsortiums waren neben privaten Investoren auch die Weltbank über ihre Tochter International Finance Corporation, die Europäische Bank für Wiederaufbau sowie die Kfw mit ihrer Tochter Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft.

Das Konsortium hatte einen Plan ausgearbeitet, der die PTK auf den neuesten Stand der Technik bringen sollte. Zusätzliche 250 Millionen Euro waren für den technischen Ausbau und Arbeitsplatzförderung eingeplant. Die British Telecom wollte einige ihrer Callcenter von Indien nach Kosovo verlegen. Alles schien gut zu laufen - bis Kosovo einen Rückzieher machte. Zwar hatte die Regierung 2010 im Parlament über die Privatisierung der PTK abstimmen lassen, die Zustimmung war rechtsverbindlich. Aber dann ließ sie erneut abstimmen. Politische Grabenkämpfe führten dazu, dass etliche Parlamentarier den Saal verließen, womit das Quorum nicht mehr gegeben war. 2013 kündigte die Regierung ihren eigenen Beschluss. Daraufhin wandte Axos sich an den von der Weltbank eingerichteten Schiedsgerichtshof International Centre for Settlement of Investment Disputes. Es geht um eine Euro-Summe in dreistelliger Millionenhöhe.

Augsteins Welt: An dieser Stelle schreiben jeden Freitag Franziska Augstein und Nikolaus Piper im Wechsel.

An dieser Stelle schreiben jeden Freitag Franziska Augstein und Nikolaus Piper im Wechsel.

Die Telekommunikationsbranche ist lukrativ. Mario Holzner vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche meint denn auch: Viel sinnvoller für Kosovo wäre es, das große Bergwerk Trepča zu privatisieren und dabei zu modernisieren. Sein Argument hat viel für sich. Noch überzeugender wäre es, wenn nicht die staatliche kosovarische Telefongesellschaft PTK für einflussreiche Politiker und ihre Klientel quasi als Geldautomat diente. Telekom-Experten schätzen, dass binnen zehn Jahren 200 bis 300 Millionen Euro in dunkle Kanäle geflossen seien. Vor diesem Hintergrund wird verständlich, warum die Privatisierung der PTK unterbunden wurde: Dann würde sachgerecht abgerechnet werden, und aus Sicht der Kosovaren, die sich unredlich bereichern, litte der Goldesel PTK an dauerhafter Verstopfung.

Internationale Hilfsorganisationen, Diplomaten und Investoren sind zunehmend desillusioniert. Mit seiner jungen Bevölkerung, darunter viele gut ausgebildete Menschen, hätte Kosovo alle Möglichkeiten. Aber zwischen 1998 und 2003, so berichten es Leute, die sich auskennen, habe die Korruption sich institutionalisiert. EU-Repräsentanten würden nur noch verachtet, seitdem man begriffen habe, dass die EU bloß an Formalien interessiert ist und nicht hinschaut, wo genau ihre Hilfsgelder landen. Selbst EU-Vertreter werden vom herrschenden Klima angesteckt - siehe die Gerichtsverfahren gegen Angehörige der EU-Agentur Eulex: Mitarbeiter dieser Organisation, die in Kosovo für Rechtssicherheit sorgen soll, haben sich als bestechlich erwiesen. Auf absehbare Zeit ist mit einem Wandel der Zustände wohl nicht zu rechnen.

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Millionen Euro wollte die Investmentgesellschaft Axos für den Kauf der kosovarischen staatlichen Telefongesellschaft PTK ausgeben, mehr als die Hälfte davon für Investitionen in deren Ausbau. Aus dem Geschäft wurde nichts. Mit fremden Eignern wäre es gewiss nicht mehr möglich, dass Kosovaren sich an der PTK privat bereichern.

An dieser Stelle schreiben jeden Freitag Franziska Augstein und Nikolaus Piper im Wechsel.

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