Augsteins Welt:Das Kind im Banker

Augsteins Welt: An dieser Stelle schreibt künftig jeden zweiten Freitag Nikolaus Piper.

An dieser Stelle schreibt künftig jeden zweiten Freitag Nikolaus Piper.

(Foto: Bernd Schifferdecker)

Die Menschen können nicht gut mit Geld umgehen. Es verdreht ihnen den Kopf. Psychologen wissen das, viele große Unternehmen wissen es nicht. Das zeigt sich auch bei den Boni.

Von Franziska Augstein

Der Industrielle Otto Happel ist steinreich, außerdem segelt er gern und gut. Gut und gern 60 Millionen Euro hat er für eine Segelyacht bezahlt, mit der er eine Regatta zu gewinnen trachtete. Happels Ehrgeiz strandete: Das Schiff hatte Pech und lief auf Grund, obgleich die Untiefe auf den Seekarten eingezeichnet ist. Seither prozessiert Otto Happel gegen den Hersteller. Undenkbar scheint ihm, dass die Bootsführung einen Fehler gemacht haben könnte. Das Manager Magazin hat davon berichtet. Das Boot, genauer: sein Hersteller, muss sich vor Gericht verantworten. Der Streitwert samt den bei Anwälten und Gerichten auflaufenden Kosten wird auf 20 Millionen Euro geschätzt, was ziemlich viel ist für eine verlorene Regatta. Happel geht es um die Ehre. Das lässt er sich etwas wert sein.

Derlei Geschichten aus der Welt von Krösus sind bekannt und amüsieren das Tretboot-fahrende Publikum. Dumme Geldausgaben machen freilich alle Menschen; auf die Dicke des Portemonnaies kommt es nicht an. Die englische Psychologin Claudia Hammond weiß ein Lied davon zu singen. Man kann es auch lesen: "Erst denken, dann zahlen" (Verlag Klett-Cotta, 2017). Claudia Hammond berichtet von etlichen Studien, die mit hilflosen, hilfswilligen Probanden ausgeführt wurden.

Die ergaben zum Beispiel, dass man mit Kreditkarte viel mehr zu zahlen bereit ist, als wenn man das Geld bar löhnen muss. Die Studien ergaben auch, dass die Idee vom "freien Willen" nur eingeschränkt gültig ist. Werden bestimmte Bereiche im Hirn stimuliert, dann ist der Mensch über Vernunft und Verstand hinaus freigiebig.

Auch die Sprache soll einen Einfluss auf den Umgang mit Geld haben: Das Deutsche hat ein schwaches Futurum. Man kann etwa sagen: Morgen ist schlechtes Wetter. Das Präsenz macht, so die Theorie, den Leuten bewusst, dass was sie heute ausgeben, ihnen morgen fehlen wird. Im Englischen und Französischen hingegen wird deutlich zwischen Heute und Morgen unterschieden. Die Zukunft ist grammatisch ziemlich weit weg. Wer in solchen Sprachen denkt, neigt also angeblich dazu, nach der Devise von Goethes Faust zu handeln: "Das Drüben mag mich wenig kümmern". Es ist ja noch so lange hin...

Ob an dieser Idee etwas dran ist oder nicht: Die Einführung exorbitanter Bonus-Zahlungen für Manager kommt auf jeden Fall nicht aus Deutschland. Aus Sicht des gelegentlich Tretboot-fahrenden Publikums sind die Boni für Manager überzogen und ungerechtfertigt. Es hat sich herumgesprochen, dass solche Leute viele Hunderttausende, wenn nicht Millionen - seien es Dollar, Euro oder Pfund - auch dann erhalten, wenn sie ihrem Unternehmen geschadet haben.

Makroökonomisch gesehen, fallen Millionen an Bonus-Zahlungen nicht ins Gewicht. Unternehmerisch gesehen, sind sie schädlich, weil jährliche Bonus-Zahlungen auf Aktivitäten - zumal im Finanzbereich - die Angestellten dazu verführen, auf Teufel komm raus schlechte Produkte zu verkaufen, was sich irgendwann auch makroökonomisch bemerkbar machen kann, siehe die weltweite Finanzkrise, die 2007 in den Vereinigten Staaten von Amerika begann. Moralisch gesehen: Die Tretboot-Fahrer fühlen sich im großen Stil veräppelt, wissen nicht ganz genau, warum, und jagen vor Zorn wie verschreckte Entenküken über den See. Sofern sie ihr Interesse an Demokratie nicht ganz aufgegeben haben, stimmen viele in allen Ländern jetzt für seltsame Parteien.

Wenn Bonus-Zahlungen nicht so hoch ausfallen wie erwartet, registrieren Manager: Verlust

Claudia Hammond illustriert sehr hübsch, was schon Adam Smith Ende des 18. Jahrhunderts geschrieben hat: Sofern die Leute nicht Hunger leiden und nicht schlechter dastehen als ihre Nachbarn, sind die meisten eigentlich ganz zufrieden. Hammond erzählt von einem gut verdienenden Mann, der in Londons Finanzdistrikt beschäftigt war. Einige Jahre ist es her, da bekam dieser Mann am Jahresende lediglich einen Bonus von 18 000 Pfund. Darüber brach er in Tränen aus. Er war wohlhabend, er brauchte das Geld nicht, aber 18 000 Pfund waren viel weniger, als Kollegen von ihm erhielten. Das brachte ihn aus der Fassung. Hammonds Frage: Sind Boni eigentlich nützlich?

Für alle Unternehmen und für die Wirtschaft besser wäre, wenn es keine Boni gäbe, sondern allen Managern grundsätzlich nur Anteilsscheine am Unternehmen in Aussicht gestellt würden. Das würde die Damen und Herren (meistens sind es Herren) dazu bewegen, sich für die Zukunft des Unternehmens einzusetzen, bei dem sie angestellt sind. Das geht aber nicht, erklärt Hammond. Zum einen ist das Boni-System eingeführt, und zum anderen ist "Geld in der Zukunft (...) für uns weniger wertvoll als Geld, das wir jetzt besitzen. Anteile statt Geld zu erhalten, könnte sogar als ein Verlust angesehen werden."

Dann kommt es noch schlimmer: Nach allem, was Hammond weiß, ist Geld das entscheidende Movens für Leute im Geldgewerbe. Da das nun einmal so ist, "wird Ausfall oder Minderung von Bonuszahlungen als Verlust wahrgenommen. Die Mitarbeiter machen ihre Arbeit dann weniger gern, als wenn die Zahlung von Boni gar nicht erst eingeführt worden wäre". Und um es noch schlimmer zu machen, vergleicht Hammond alle Mitarbeiter in Finanzdistrikten mit Kindern: Wenn Eltern die hingekritzelten Malereien ihrer Kinder zu sehr loben, dann malen die Kinder von da an nicht besser, sondern eher fantasieloser. Genau diesen Effekt habe ein vertraglich zugesicherter Bonus.

Die vernünftige Lösung wäre: Boni gibt es nicht vertraglich garantiert, sondern wirklich nur dann, wenn jemand für sein Unternehmen und die Mitarbeiter etwas erreicht hat. Aber dazu wird es nicht kommen. Derweil braut sich die nächste Finanzkrise schon zusammen.

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