Aufspaltung von Banken geplant:Bankkunden sollen besser geschützt werden

In der EU wird über die Aufspaltung der Banken diskutiert. Zukünftig sollen die Kreditinstitute nicht mehr mit den Einlagen normaler Privatkunden spekulieren dürfen. Doch es wären nur die größten Geldhäuser betroffen und die können mit den Vorschlägen der Experten gut leben.

Javier Cáceres und Andrea Rexer

Europas Binnenmarktkommissar Michel Barnier ist ein graumelierter, hagerer Franzose, der nicht nur Sinn hat für feinen grauen Zwirn, sondern auch für ebensolche Ironie. Es ist Dienstagmittag, und Barnier steht in der sogenannten VIP-Ecke des Kommissionsgebäudes in Brüssel; an seiner Seite der Finne Erkki Liikanen, der ihm zuvor den 140 Seiten dicken Abschlussbericht vorgelegt hat: "Hochrangige Expertengruppe zur Reform der Struktur des europäischen Bankensektors." Ob man ihn richtig verstanden habe, dass die Gesetzesregelungen, die aus den Vorschlägen der Liikanen-Kommission folgen sollen, im Sommer verabschiedet sein werden, wird Barnier gefragt. Und Barnier entgegnet: "Welchen Sommer meinen Sie denn?"

Die elfköpfige Expertengruppe war im Februar von Barnier eingerichtet worden; ihr gehörten neben dem finnischen Zentralbankgouverneur Liikanen auch Banker, Professoren, Finanzpolitiker, Verbraucherschützer an. Ihre Arbeit sollte in erster Linie darauf abzielen, eine der perversesten Folgen der Finanzkrise für die Zukunft möglichst auszuschließen: Dass mit dem Geld von Steuerzahlern Hochrisiko-Zockereien von Bankern bezahlt werden, letztlich billionenschwere "Verluste vergesellschaftet werden und Gewinne privat bleiben", wie Liikanen sagt.

Seine Expertengruppe legte einen Fünf-Punkte-Plan vor - und ging dabei in eine ähnliche Richtung wie vor wenigen Tagen der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück, wenn auch nicht ganz so weit. Denn: Die Kommission will nur den Eigenhandel - also die Spekulation auf eigene Rechnung - und weitere risikoreiche Geschäfte organisatorisch abtrennen. Und zwar nur dann, wenn die Risikogeschäfte eine bestimmte Größe überschreiten.

Die Trennung soll greifen, wenn der Umfang der Risikogeschäfte entweder 15 bis 25 Prozent der Bankenbilanzsumme oder mehr als 100 Milliarden Euro beträgt. Dann käme die Bankenaufsicht ins Spiel. Sie müsste entscheiden, ob sie es für angezeigt hält, die Risikosparten komplett zu isolieren. "Verkürzt gesprochen: Was wir erreichen wollen, ist, dass die Geschäftsmodelle der Banken, die nicht ausdrücklich der Finanzierung von Haushalten oder Nichtfinanzunternehmen dienen, vom klassischen Bankensystem getrennt werden", sagt der frühere spanische Finanzstaatssekretär Juan Manuel Campa, der zu den elf Experten gehörte. Trennen sei aber nicht gleichbedeutend mit zerschlagen. Die voneinander getrennten Sparten können unter einem Markendach existieren. Das "Universalbankenmodell" verschwinde also nicht von der Bildfläche.

"Uns ist daran gelegen, die Vielfalt des europäischen Bankenwesens zu erhalten", sagt Liikanen. Sein Argument: Die Analyse des bisherigen Verlaufs der Krise habe nicht zutage gefördert, "dass ein Geschäftsmodell besonders gut oder besonders schlecht gelaufen" wäre. Die Banken in Spanien etwa seien nicht wegen der Zockerei mit komplexen Derivaten in die Schieflage geraten, sondern wegen der Spekulation mit Immobilien.

Es braucht Wellenbrecher

Wie viele Banken betroffen wären, lasse sich so ohne Weiteres nicht sagen, erklärt Campa. Direkt erfasst werden nur eine Handvoll Branchengrößen des Kontinents - die Deutsche Bank etwa oder die Société Générale und die BNP Paribas. Andererseits machen ebendiese Banken einen großen Marktanteil unter sich aus. Als weitere Maßnahme zur Bändigung von Zockern wird vorgeschlagen, dass die Boni für Banker in Form von Schuldverschreibungen fließen. Das heißt, es sollen Anreize geschaffen werden, nachhaltig zu wirtschaften.

Die Banken in Deutschland reagierten verhalten auf das Papier. Man habe Schlimmeres erwartet, hieß es in Finanzkreisen. Dass sich die Kommission zum Universalbank-Modell bekannte, war für die großen Privatbanken besonders wichtig. Dennoch warnen sie davor, dass eine organisatorische Abspaltung relevanter Geschäftsbereiche eine Gefahr für die Stabilität des Finanzstandorts darstellen könnte.

"Eine organisatorische Abtrennung aller Handelsaktivitäten von Universalbanken beschränkt nach Meinung der Deutschen Kreditwirtschaft die Möglichkeiten der bankinternen Risikostreuung", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der großen Bankenverbände von Privatbanken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken.

Bankenprofessor Christoph Kaserer von der TU München bezeichnet die Vorschläge der Experten als halbherzig: "Solange nicht auch die Geldflüsse zwischen den unterschiedlichen Sparten und Häusern klar eingeschränkt werden, ist nichts gewonnen. Man braucht einen Wellenbrecher", kritisiert er. Es nütze nichts, wenn eine der neuen Handelssparten so eng mit dem Einlagenbereich verbunden ist, dass sie sich im Pleitefall gegenseitig nach unten reißen würden. Positiv bewertet er hingegen die Vorschläge, beim Unterschreiten einer bestimmten Kapitalschwelle Fremdkapital in Eigenkapital zu wandeln. Dadurch hätten die Eigentümer einen Anreiz, darauf zu dringen, dass die Bank weniger Risiko eingehe. Denn im schlimmsten Fall könnten sie sehr viel Geld verlieren.

Wie lange es dauert, bis der Liikanen-Bericht in Gesetze gegossen wird, ist offen. Am Dienstag wurden die Vorschläge online gestellt, die europäische Öffentlichkeit hat nun sechs Wochen Zeit, Vorschläge und Kritik einzubringen. Danach wird Barnier dem Kommissars-Kollegium einen Vorschlag zur Abstimmung unterbreiten - womöglich noch kommenden Sommer.

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