Aufsichtsratsposten bei Rosneft:Gerhard Schröder, ein Rentner auf Abwegen

Mehr als eine halbe Million Euro bekommt der Altkanzler jährlich vom deutschen Staat für sein Büro in Berlin. Das soll seine Unabhängigkeit und Loyalität gewährleisten. Das Geld des Steuerzahlers nimmt Schröder gern - und pfeift auf die Loyalität.

Kommentar von Julian Hans, Moskau

So weit ist es gekommen: Ein deutscher Rentner muss sich in Russland etwas dazuverdienen, um über die Runden zu kommen. So könnte man Gerhard Schröders Engagement beim russischen Staatskonzern Rosneft betrachten, folgte man der Logik des Ex-Kanzlers: Ich bin hier nur Privatperson, was ich tue, geht keinen was an. "Es geht um mein Leben, und darüber bestimme ich und nicht die deutsche Presse!", hatte er trotzig auf einer Wahlkampfveranstaltung im August gerufen.

Die Abneigung gegen freie Medien teilt der Basta-Altkanzler mit seinem Freund Wladimir Putin. Doch die Kritik kommt nicht nur von dort allein, auch vielen Parteigenossen ist nicht wohl dabei, dass sich Schröder in den Dienst des russischen Staates stellt. Der Konzern gehört mehrheitlich dem russischen Staat und bei allen Privatisierungsmanövern achtet der Kreml sorgfältig darauf, dass seine Anteile nicht unter 50 Prozent fallen.

Schröder bezieht jährlich eine halbe Million Euro vom deutschen Staat

Der ehemalige deutsche Bundeskanzler ist jetzt endgültig angekommen in einem Klub, in dem ehemalige Angehörige gegnerischer Geheimdienste den Ton angeben: Der Ex-KGB-Mann Wladimir Putin, dessen engster Vertrauter, Rosneft-Chef Igor Setschin, einst für den Militärgeheimdienst GRU unterwegs, Matthias Warnig, hauptamtlicher Stasi-Mitarbeiter und heute ebenfalls Mitglied im Board of Directors.

Dass Schröder kein gewöhnlicher Rentner ist, kann man auch daran ablesen, dass der deutsche Staat ihm jährlich mehr als eine halbe Million Euro für sein Büro in Berlin überweist. Das geschieht nicht ohne Grund; es soll ehemaligen Staatsoberhäuptern und Regierungschefs auch nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt eine gewisse Unabhängigkeit gewährleisten. Dazu gehört auch die Loyalität zu dem Staat, dem er gedient hat. Schröder nimmt das Geld des Steuerzahlers, aber er pfeift auf die Unabhängigkeit und auf die Loyalität.

Völkerverständigung ist nicht die oberste Maxime von Rosneft

Als einen reinen Wirtschaftsjob will er seinen neuen Posten dann nämlich doch nicht verstanden wissen. Er leiste einen Beitrag zur Energiesicherheit Deutschlands, argumentiert er. Das konnte man vielleicht bei seinem Engagement für die Gazprom-Tochter Nord Stream gerade noch als Argument gelten lassen. Gas wurde zumindest bis zur Entwicklung moderner Flüssiggas-Terminals stets über Pipelines geliefert; war man da nicht angeschlossen, hatte man ein Problem. Öl aber kommt per Tanker, es kann kurzfristig auf dem Markt eingekauft werden, je mehr Anbieter, desto besser für den Kunden.

Bleibt schließlich noch das Argument, mit seiner Stimme bei Russlands größtem Ölkonzern trage er zur Verständigung zwischen Deutschen und Russen bei. Es genügt, sich die Geschichte des Unternehmens Rosneft und seines Chefs nur oberflächlich anzusehen, um zu verstehen, dass Völkerverständigung nicht dessen oberste Maxime ist. Nicht einmal dem russischen Volk hat Rosneft unter der Führung von Igor Setschin gut getan.

Mithilfe von Geheimdienst und Justiz ließ Setschin Konkurrenten zerschlagen und ihre Manager vor Gericht bringen. Diese Raubzüge haben entscheidend zu einem Klima beigetragen, in dem sich niemand seines Eigentums sicher sein kann. Wäre Gerhard Schröder in der Lage, diese Umtriebe zu unterbinden oder auch nur zu bremsen, Putin und Setschin hätten ihn nicht ins Boot geholt. Schröder ist nützlich, weil er in Russland schwach ist, aber in Europa immer noch einflussreich. Dass ein ehemaliger Bundeskanzler für ein Unternehmen arbeitet, das in Brüssel und Washington auf den Sanktionslisten steht, ist empörend.

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