Aufsichtsrat:Ein Mann für gewisse Jahre

Aufsichtsrat: Joachim Milberg war drei Jahre BMW-Vorstandschef, ehe er zurücktrat. Seine entscheidende Rolle fand er in den elf Jahren an der Spitze des Aufsichtsrates.

Joachim Milberg war drei Jahre BMW-Vorstandschef, ehe er zurücktrat. Seine entscheidende Rolle fand er in den elf Jahren an der Spitze des Aufsichtsrates.

(Foto: Jose Giribas/Bloomberg)

Joachim Milberg ist einer, aber er erfüllt nicht das Klischee des Machers.

Von Karl-Heinz Büschemann

Joachim Milberg ist ein Manager, der zum verbreiteten Bild eines Industriebosses nicht passen will. Er führte elf Jahre lang den Aufsichtsrat von BMW, er war von 1999 bis 2002 Vorstandschef des Autobauers gewesen und erfüllt alle Kriterien eines mächtigen Mannes der Wirtschaft. Doch dieser 72-Jährige, der mit der Hauptversammlung die Bühne von BMW verlassen wird, schiebt keine Bugwelle von sichtbarer Wichtigkeit vor sich her. In der Fußgängerzone würde der Mann mit dem grauen Kopf als netter Rentner durchgehen, der früher vielleicht Latein- oder Geschichtslehrer war. Unspektakulär, aber klug.

Schon wie der Mann redet. Keine gestanzten Sätze aus dem Manager-Sprachbaukasten. Stellt man ihm eine Frage, sagt er gern: "Da muss ich mal nachdenken." Die Antwort kann schon mal ein paar Minuten dauern. Dieser Mann ist wie das Auto, das er privat fährt: Milberg hat in der Garage einen BMW M 4, dem man seine vielen Hundert PS nicht ansieht.

Mit seinem Abschied am Mittwoch endet eine Zeit der in Bescheidenheit gekleideten Erfolge. Die hat Milberg vom Aufsichtsrat aus maßgeblich gesteuert. Er war als Aufsichtsrat für BMW wichtiger denn als Vorstandschef. Meist ist es umgekehrt.

Milberg ist kein BMW-Aufsteiger. Er kam erst mit 50 Jahren ins Unternehmen, zuvor war er Professor für Maschinenbau in München und hatte viele seiner Studenten bei BMW untergebracht. 1993 kam er selbst und übernahm im Vorstand das Ressort Produktion. Unscheinbar war er weiterhin, aber seine große Stunde schlug 1999 in der größten Krise des Konzerns. BMW hatte sich zuvor mit dem Kauf des britischen Autoherstellers Rover übernommen. Konzernchef Bernd Pischetsrieder musste gehen, und weil der Konzern den schillernden Wolfgang Reitzle nicht als Chef dulden wollte, bekam der Unbekannte überraschend den Führungsjob.

Der schaffte die Wende, verkaufte Rover, feuerte drei Vorstände, die ihm nicht folgen wollten und brachte wieder Ruhe ins Unternehmen. Nach drei Jahren an der Spitze tat er, was die wenigsten Chefs schaffen. Er erkannte, dass er nicht der Richtige war für den Job und trat zurück. Offiziell wegen des Rückens.

Später wurde er Chef des Aufsichtsrates. Das waren seine besten Jahre, auch für BMW. Er konnte moderieren und aus höherer Ebene den Weg in die Zukunft vorbereiten. Dem Wissenschaftler war klar, dass die Autoindustrie vor einem Wandel steht. Er bereitete den riskanten Weg von BMW in die Elektromobilität vor, die außer Unsicherheit und hohen Kosten nicht viel versprach. Wie hat er das gemacht? Der Professor antwortet akademisch: "Wir haben die künftigen Einflussfaktoren auf das Unternehmen intensiv analysiert." Man müsse eine Strategie gut ableiten, doziert er, "Das ist die halbe Miete." Er und Vorstandschef Norbert Reithofer haben damit die Mitarbeiter, die Investoren, vor allem die Großaktionärsfamilie Quandt überzeugt. Die haben schätzungsweise drei Milliarden für das Stromauto lockergemacht, so viel wie kein anderer deutscher Autokonzern.

Dann fällt ein Milberg'scher Schlüsselsatz: "Das geht, wenn man Vertrauen in die Mannschaft hat." Sich verlassen auf das, was andere tun. Und: "Man muss offene, transparente Diskussionen im Unternehmen über die Zukunft führen." So finde man den Weg in die Zukunft, auch wenn das Ziel unsicher ist. Von diesem Prinzip könnten andere lernen. Anderswo wird autoritärer geführt, mit klaren Anordnungen von ganz oben. Der Konkurrent VW macht aber gerade die Erfahrung, dass er wichtige Technologien oder entscheidende Märkte zu wenig beachtet hat. Jetzt steckt er in einer Führungskrise und muss sparen, weil die Kosten davonlaufen.

Ob ein Unternehmen zukunftsfähig ist, sagt Milberg, stehe nicht in der Gewinn- und Verlustrechnung. "Die entscheidende Frage ist, ob das Unternehmen auf Dauer die besten Mitarbeiter gewinnen kann." Den Münchnern gelingt das besser als der Konkurrenz, wie Umfragen zeigen. Das liegt auch am dem unscheinbaren Professor Milberg.

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