Auffangfirmen:Die "verlängerte Rutschbahn in die Arbeitslosigkeit"

Betriebsbedingte Kündigungen sind weder sozialverträglich noch dem Image zuträglich. Deshalb greifen Unternehmen — wie jetzt auch Opel — beim Stellenabbau gerne auf staatlich geförderte Auffanggesellschaften zurück. Deren Erfolg ist jedoch umstritten.

Von Nina Bovensiepen

Als die Opel-Belegschaft im Herbst über Tage hinweg die Produktion im Bochumer Werk des Autoherstellers lahm legte, gaben sich die Arbeitnehmervertreter im Streit mit dem Management hart.

Auffangfirmen: Nun werden doch viele Opel-Mitarbeiter in Beschäftigungs-gesellschaften entlassen.

Nun werden doch viele Opel-Mitarbeiter in Beschäftigungs-gesellschaften entlassen.

(Foto: Foto: dpa)

Opel-Aufsichtsratschef Carl-Peter Forster hatte damals vorgeschlagen, die vom Stellenabbau betroffenen Mitarbeiter in so genannte Beschäftigungsgesellschaften zu überführen, um betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden.

In einer Abstimmung am 18. Oktober wies die Belegschaft diesen Vorstoß empört zurück. Nicht einmal zwei Monate später ist klar, dass es doch so kommen wird.

Um 10.000 Stellen ohne Massenentlassungen abzubauen, wird Opel in Rüsselsheim, Bochum und Kaiserslautern Mitarbeiter in Qualifizierungs- und Beschäftigungsgesellschaften auslagern, die noch in diesem Monat gegründet werden sollen. Vom "schärfsten Einschnitt in der Nachkriegsgeschichte" spricht der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Klaus Franz.

Imageschonend und sozialverträglich

Dass die Arbeitnehmervertreter trotzdem in die Lösung einwilligten, zeigt, wie machtlos ihre Position gewesen sein muss - Betriebsräte und Gewerkschafter sprechen bei solchen Gesellschaften häufig verächtlich von der "verlängerten Rutschbahn in die Arbeitslosigkeit".

Beschäftigungsgesellschaften werden meistens in Branchen oder Regionen gegründet, wo es sonst wegen einer Krise oder Insolvenz zu Massenentlassungen kommen würde. Arbeitgeber wählen diese Alternative gerne, weil sie sozialverträglicher und imageschonender als betriebsbedingte Kündigungen ist.

Von Politikern werden die Gesellschaften oft empfohlen, weil dadurch - zumindest kurzfristig - verhindert wird, dass die Arbeitslosenzahlen noch mehr steigen. Für betroffene Mitarbeiter kann ein Wechsel in eine Auffanggesellschaft interessant sein, weil die Chancen bei Bewerbungen womöglich größer sind, wenn sie aus einem Unternehmen heraus erfolgen als wenn sich ein Arbeitsloser bewirbt.

Nach einem Jahr droht meist die Auflösung

Kritiker halten dem entgegen, es handele sich lediglich um teure, staatlich finanzierte Arbeitslosenbeschäftigungsprogramme. Richtig ist, dass die Beschäftigungsgesellschaften vor allem aus öffentlichen Mitteln finanziert werden. Die Bundesagentur für Arbeit zahlt Betroffenen das strukturelle Kurzarbeitergeld. Dieses liegt bei 60 Prozent des letzten Nettolohns, Arbeitnehmer mit Kindern erhalten 67 Prozent.

Oft stockt der frühere Arbeitgeber das Geld etwas auf, sodass die Mitarbeiter im Schnitt etwa 80 Prozent ihres alten Lohns beziehen. Die staatliche Förderung ist meistens auf ein Jahr begrenzt. Häufig werden danach auch die Beschäftigungsgesellschaften wieder aufgelöst.

Die "verlängerte Rutschbahn in die Arbeitslosigkeit"

Wie Telekom und Siemens

Auffangfirmen: Jetzt steht der Plan für die Sanierung von Opel.

Jetzt steht der Plan für die Sanierung von Opel.

(Foto: Foto: dpa)

Bis dahin ist es deren Aufgabe, die ihnen überstellten Mitarbeiter weiter zu qualifizieren - und nach Möglichkeit in einen neuen Job zu vermitteln. Solange dies nicht gelingt, können sie aber auch Aufträge annehmen oder ihre Beschäftigten an andere Firmen ausleihen.

Ein prominentes Beispiel dafür ist die Deutsche Telekom. Der Konzern hat seine Auffanggesellschaft Vivento zu Zeiten der Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes gegründet, als zehntausende Stellen abgebaut wurden. In diesem Sommer hatte sich die Bundesagentur für Arbeit für die Bearbeitung der Hartz-IV-Anträge tausende Vivento-Mitarbeiter ausgeliehen.

Dies sorgte für Aufruhr, weil die Vivento-Kollegen zu Westtarifen mit Sonderzulagen auch in ostdeutsche Arbeitsagenturen entsandt wurden. Viele andere Unternehmen haben in den vergangenen Jahren ebenfalls Stellenabbau über Beschäftigungsgesellschaften betrieben.

Hilfe von externen Dienstleistern

So gründete der Elektronikkonzern Grundig für 700 Mitarbeiter eine solche Gesellschaft, nachdem das Unternehmen Mitte 2003 Insolvenzantrag gestellt hatte. Auch Siemens wählte dieses Mittel, als es um den Abbau von einem Drittel der 6600 Jobs in der Netzwerksparte am Münchner Standort Hofmannstraße ging.

Gegründet werden die Gesellschaften entweder von den in Schieflage geratenen Unternehmen selbst; immer häufiger greifen diese aber auch auf die Hilfe von externen Dienstleistern zurück. Bei Opel sollen die Bochumer BAQ GmbH und die Reutlinger My-Pegasus-Gruppe mit ihren Erfahrungen behilflich sein.

My Pegasus hat nach Angaben auf seinen Internetseiten seit 1994 bereits 44.000 Menschen in Auffanglösungen begleitet. Wie viele davon in neue Jobs vermittelt wurden, steht dort nicht. Das Unternehmen wirbt aber damit, dass es bessere Vermittlungsquoten als die Bundesagentur für Arbeit hat.

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