Audi:Viele Vorwürfe, viel Geld

Abgasaffäre bei Audi: Erst wurden dem ehemaligen Motorenchef heftige Vorwürfe gemacht, jetzt kam eine großzügige Einigung. Wie passt das zusammen?

Von Klaus Ott

Anfang des Jahres, als der Streit losging, herrschte bei Audi noch große Empörung. Ulrich Weiß, ehedem Chef der Motorenentwicklung am Standort Neckarsulm und wegen der Abgasaffäre gefeuert, verlangte sechs Millionen Euro Abfindung. Um seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen, überzog Weiß den ehemaligen Arbeitgeber und dessen Vorstandschef Rupert Stadler mit schweren Vorwürfen. Audi entgegnete schroff, das Ansinnen des Motorenentwicklers müsse als "zwielichtiges Angebot für ein Schweigegeld verstanden werden". So steht es in einem Schriftsatz, den Audi damals bei dem für diesen Fall zuständig Arbeitsgericht Heilbronn eingereicht hatte.

Jetzt ist der Streit ausgestanden; Audi und Weiß haben sich geeinigt. Im Umfeld des Autoherstellers mit Stammsitz in Ingolstadt, der zum Volkswagen-Konzern gehört, ist von einem Millionenbetrag für den Motorentechniker die Rede. Wie aber passt das zusammen? Erst viele Vorwürfe, dann viel Geld. Erkauft sich Audi das Schweigen von Weiß; oder sah man keine Chance, der Prozess zu gewinnen; oder ist es vielleicht beides? Der Ingolstädter Autohersteller ist tief verstrickt in die Abgasaffäre um manipulierte Diesel-Fahrzeuge. Die Software, mit der Volkswagen jahrelang die Schadstoffwerte geschönt und die Behörden in den USA getäuscht hatte, soll teils bei Audi entwickelt worden sein. Auch Fahrzeuge der Ingolstädter enthielten das sogenannte Defeat Device. Das sorgte dafür, dass die Abgasreinigung bei den offiziellen Tests auf einem Prüfstand bestens funktionierte, auf der Straße aber weitgehend abgeschaltet wurde.

Audi bestätigt die Einigung mit Weiß, nennt aber keine Details; "aus Gründen des Datenschutzes". Der Anwalt des Motorenentwicklers schweigt sowieso. Wie viele Millionen Euro fließen, damit der Streit ausgestanden ist und Ruhe herrscht, bleibt also das Geheimnis von Audi und Weiß. Das Nachsehen haben jene, die auf Aufklärung der gegenseitigen Vorwürfe in einem öffentlichen Arbeitsgerichts-Verfahren gehofft hatten. Das gilt vor allem für europäische Käufer von manipulierten Dieselfahrzeugen bei Volkswagen, die noch lange darauf warten müssen, bis sie mehr erfahren über mutmaßliche Täuschung und Betrug, während US-Kunden längst hohen Schadenersatz bekommen haben.

Motorenentwickler Weiß, der erst 2012 zu Audi kam, als die Machenschaften längst im Gange war, hat zwar umfassend bei der Staatsanwaltschaft München II als Zeuge ausgesagt. Weiß soll sogar mehrere Ordner Material überreicht haben, die den Autohersteller schwer belasten. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen frühere Audi-Verantwortliche wegen des Verdachts, mehrere zehntausend Kunden des Autoherstellers seien betrogen worden. Bis dieses Verfahren abgeschlossen ist und ein erster öffentlicher Prozess stattfindet, dürfte es aber 2019 werden, wenn nicht gar noch später. Solche Ermittlungen dauern lange. Bis dahin aber sind mögliche Schadenersatzansprüche von Autokäufern in Deutschland verjährt, und wohl auch im übrigen Europa. Was Weiß den Staatsanwälten gesagt hat, hilft den Kunden von Audi und VW als gar nichts.

Beim Arbeitsgericht wäre alles viel schneller gegangen. Dort wäre beispielsweise öffentlich erörtert worden, in welchem Umfang bei Audi belastendes Material beiseite geschafft worden war und ob Weiß daran beteiligt gewesen sei, wie von seinem ehemaligen Arbeitgeber behauptet. Es hätte auch leicht sein können, dass eine offenbar von dem Motorenentwickler zusammengestellte Chronik zur Sprache kommt. Eine Chronik, die den Verlauf der Affäre genau beschreiben soll. Und in der auch stehen soll, wer wann was verbrochen, angeordnet, geduldet oder gewusst habe. Bis hinauf in den Vorstand.

Weiss, der von Daimler kam, hat in seiner Zeit bei Audi viel mitbekommen und auch viel Material aus früheren Jahren gesammelt. Material, das den Ermittlern vorliegt. Das den Kunden von Audi und VW aber noch lange versperrt ist.

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