Audi-Hauptversammlung:Stimmung bodenlos, Vertrauen grenzenlos

Audi-Hauptversammlung: "Härteste Disruption aller Zeiten" - Audi-Chef Stadler steht unter Druck.

"Härteste Disruption aller Zeiten" - Audi-Chef Stadler steht unter Druck.

(Foto: CHRISTOF STACHE/AFP)

Kleinanleger lassen die Fetzen fliegen - und Großaktionär Volkswagen winkt alles durch.

Von Stefan Mayr, Neckarsulm

Kurz vor halb drei legt Matthias Müller seine Stirn in Falten und atmet tief durch. Laut Programm sollte die Hauptversammlung der Audi AG schon seit eineinhalb Stunden beendet sein, doch der Chef des Volkswagen-Konzerns sitzt immer noch auf dem Podium und muss den Tiefpunkt des Tages über sich ergehen lassen: Die Aktionäre stimmen über Müllers Absetzung als Versammlungsleiter ab. Die Stimmung ist miserabel im Audi-Forum in Neckarsulm. Etliche Aktionäre kritisieren den Umgang des Autoherstellers mit der Diesel-Affäre in ungewöhnlich scharfer Weise.

Die Rede ist von "Skandal" und "Chaos", einer spricht von einem "Selbstbedienungsladen". Auch Christian Strenger meldet sich zu Wort. Der ehemalige Chef des DWS-Investmentfonds stellt sowohl Vorstand als auch Aufsichtsrat ein miserables Zeugnis aus: "Von dem Betrug soll keiner aus dem Führungskreis gewusst haben?", fragt er, "das glauben Sie doch selber nicht." So weit ist es gekommen bei dem Premium-Autobauer, der seit Jahren der Gewinnbringer innerhalb des Volkswagen-Konzerns ist: Ein Kleinaktionär spricht den Managern und Kontrolleuren sein Misstrauen aus - und bekommt kräftigen Applaus. Strenger und andere Redner fordern die Aktionäre auf, weder Vorstand noch Aufsichtsrat zu entlasten. Der Appell ist freilich nur symbolischer Natur, denn 99,55 Prozent aller Audi-Aktien hält die Volkswagen AG. Entsprechend klar fällt die Abstimmung über Aufsichtsrats-Chef Müller als Versammlungsleiter aus: 99,99 Prozent sprechen ihm das Vertrauen aus.

Für Kritiker Strenger zeigt das Ergebnis den "Ursprung des Problems" bei Audi: Im Volkswagen-Konzern gelte das Prinzip "wir bestellen uns selbst, wir kontrollieren und wir entlasten uns selbst." Er fordert das Management auf, "endlich" eine "wirklich neutrale Prüfung der Vorkommnisse" zu starten. Wieder bekommt er Zwischen-Applaus - was Vorstandschef Rupert Stadler bei seiner Rede nicht gelungen war.

Die Männer auf dem Podium lassen viele Fragen unbeantwortet

Am Tag vor der Hauptversammlung hatte der Aufsichtsrat beschlossen, Stadlers Vertrag um fünf Jahre zu verlängern. Auch das kritisieren die Anteilseigner. "Die gelungenste Innovation bei Audi ist der Kleber, mit dem sie hier auf ihren Stühlen sitzen", sagt einer. Aufsichtsratschef Müller betonte zu Beginn der Versammlung, bislang sei bei keinem Vorstandsmitglied eine "eindeutige und schwerwiegende Pflichtverletzung festgestellt" worden. Diese Formulierung lässt Raum für Interpretationen. Heißt das, kleinere Verstöße hat es schon gegeben? Müller betont, der Aufsichtsrat drücke dem Vorstand sein Vertrauen aus. Das überzeugt offenbar nicht alle Aktionäre. Nicht zuletzt, weil die Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen Müller wegen des Verdachts auf Marktmanipulation ermittelt. Die Männer auf dem Podium lassen viele Fragen unbeantwortet - mit Verweis auf laufende Verfahren. Ein Aktionär nach dem anderen kritisiert die "mangelhafte" Beantwortung scharf.

Vorstandschef Stadler hat zuvor - vergeblich - versucht, die kritische Stimmung mit einer kämpferischen Rede einzufangen. Er bezeichnet die Dieselaffäre als die "wahrscheinlich härteste Disruption aller Zeiten", sieht Audi aber auf einem guten Weg. Die Diesel-Affäre wird ihn aber noch länger beschäftigen. Derzeit laufen laut Audi 40 Untersuchungen in Deutschland, USA, Südkorea, Australien und Spanien. Zudem gibt es 800 Zivilklagen in Südkorea, Belgien, Italien, Israel, Taiwan und Großbritannien.

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