Audi:Flucht nach vorne

Audi Chief Executive Officer Stadler and Chief Financial Officer Strotbek present the company's annual results during a news conference in the Bavarian city of Ingolstadt

Schon der Bilanzbericht im März dieses Jahres deutete an, wohin die Reise für Audi gehen soll.

(Foto: Michael Dalder/Reuters)

Die VW-Tochter Audi plant einen totalen Umbruch: In wenigen Jahren soll der Autohersteller eine durchdigitalisierte Firma werden.

Von Thomas Fromm

Es war vieles zusammengekommen bei dieser Entscheidung. Vieles, was die Sache beschleunigte. Der Abgang der alten Volkswagen-Manager-Garde unter dem langjährigen Ex-Chef Martin Winterkorn öffnete die Tür für neue Strategien; die seit fast einem Jahr schwelende Dieselaffäre sorgte dann noch für den nötigen Druck im Kessel. Erst vor einigen Wochen machte VW-Chef Matthias Müller klar, dass die Dinge nicht so bleiben können, wie sie sind. Bis 2025 sollen Elektroautos ein Viertel des Absatzes ausmachen; ein neuer Geschäftsbereich für Mobilitätsdienste soll dem klassischen alten Autogeschäft zur Seite gestellt werden.

Das klang für VW-Verhältnisse schon ziemlich revolutionär. Aber es geht noch revolutionärer.

Wenn an diesem Mittwoch die Topmanager der VW-Tochter Audi in München zusammenkommen, wird ihnen ihr Chef Rupert Stadler das Bild eines Autoherstellers an die Wand beamen, das mit dem alten Audi-Bild nur noch wenig gemein hat. Name des Zukunftsprogramms: "Speed up", also: "Schneller werden".

Schneller werden soll hier im Grunde: alles. Aus Audi, der Marke mit den vier Ringen, soll in den nächsten Jahren eine durchdigitalisierte Firma werden. Elektroautos, autonomes Fahren, hoch vernetzte Fahrzeuge. Rund ein Drittel der Forschungsausgaben von zuletzt mehr als vier Milliarden Euro sollen in die Digitalisierung gehen, so heißt es aus dem Konzern. Gleichzeitig soll an anderen Stellen kräftig gekürzt werden.

Bislang hat Audi Hybridmodelle der E-Tron-Reihe im Programm. Die elektrische Reichweite liegt dabei lediglich bei 50 Kilometern, das gilt auch für den gerade aktualisierten E-Tron.

Modellvarianten, die in der Entwicklung zu viel Geld schlucken und hinterher nicht genug einspielen, sollen von der Konzernliste genommen werden. In Zeiten, in denen Herausforderer wie der kalifornische Elektroautobauer Tesla oder die Taxi-App Uber in die angestammten Geschäftsfelder von Traditionsherstellern wie Audi eindringen, will man unnötige Ausgaben vermeiden.

Die Ingolstädter sehen sich als technische Avantgarde

Denn die neue Autowelt ist teuer und der milliardenschwere Dieselskandal noch längst nicht ausgestanden. Dass ausgerechnet die VW-Tochter Audi im Konzern nun schwer nach vorne prescht, hat einen Grund: Die Ingolstädter sind nicht nur die große Gewinnschleuder im VW-Reich. Geht es Audi gut, kann es VW insgesamt zumindest nicht sehr schlecht gehen. Die "Audianer", wie sie oft genannt werden, sehen sich aber auch als die technische Avantgarde. So könnte die Oberklasse-Tochter in den kommenden Jahren die Verantwortung für sämtliche Entwicklungen im Bereich selbstfahrender Autos bekommen.

Audi-Chef Stadler weiß: Das Geschäft ändert sich gerade rasant, und Geld wird künftig nicht mehr nur mit reinen Autos verdient, sondern gerade auch mit den Dienstleistungen drumherum.

Hier steigt der Konkurrenzdruck unter den großen Drei. Sowohl Daimler als auch BMW haben sich in den vergangenen Jahren stärker mit solchen Themen beschäftigt als der VW-Konzern. Beispiel Car Sharing: Hier ist Daimler mit seiner Firma "Car2go" unterwegs; die Münchner arbeiten in dem Car-Sharing-Angebot "Drive now". Bei VW sah man solche Services bislang eher skeptisch. Warum Autos kilometerweise verleihen, wenn ich sie nicht auch ganz verkaufen kann? Künftig wird man umdenken müssen.

Die Frage wird bald nicht mehr sein, wer die schnellsten Autos baut. Sondern die intelligentesten.

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