Audi:Abgas-Skandal: Audi kommt davon

Inside Audi AG's Hungarian Factory As Volkswagen AG Faces Pressure From EU Consumer Groups

Auch bei Audi-Fahrzeugen wurden verdächtige Abgaswerte ermittelt. Strafrechtlich relevant sind sie bislang aber nicht.

(Foto: Bloomberg)
  • Auch Fahrzeuge der VW-Tochter Audi sind in die Abgasaffäre verwickelt. Doch strafrechtliche Ermittlungen braucht das Unternehmen nicht zu fürchten.
  • Bislang gibt es keine belastenden Beweise dafür, dass auch Audi auf illegale Weise die Abgaswerte manipuliert hat.

Von Claus Hulverscheidt und Klaus Ott

Einige wenige Zeilen würden genügen. Ein paar Zeilen, in denen eine Verkehrs- oder Umweltbehörde offiziell bescheinigt: Ja, auch Audi habe bei Diesel-Fahrzeugen gegen Vorschriften verstoßen. Auch die Volkswagen-Tochter in Ingolstadt habe sich zuschulden kommen lassen, was auch die Konzernmutter VW aus Wolfsburg viele Jahre lang verbrochen hat. Auch die Ingolstädter hätten Abgasmessungen manipuliert und viele Behörden und Millionen Kunden getäuscht.

Ein paar Zeilen mit diesen Aussagen würden Staatsanwälten, Autokäufern und Rechtsanwälten reichen, um außer gegen VW auch gegen Audi vorzugehen; um den Autohersteller mit den vier Ringen, dem Markenzeichen der Ingolstädter, in die Mangel zu nehmen; um Strafen zu fordern, Bußgelder zu verhängen, Schadenersatz durchzusetzen.

Fakt ist aber: Es gibt diese Zeilen nicht. Deshalb gibt es bei der für Audi zuständigen Staatsanwaltschaft München II auch kein Straf- und kein Bußgeldverfahren. Deshalb gibt es auch keine bedeutende Anwaltskanzlei, die für Audi-Kunden Schadenersatzklagen empfiehlt oder gar betreibt. Anders als bei VW, wo viele Staatsanwälte ermitteln, wo sich die Schadenersatzforderungen häufen, wo wegen der Abgas-affäre bald 15 Milliarden Dollar in den USA fällig werden und wo weitere Summen in Milliardenhöhe und in Euro noch folgen könnten. VW muss büßen, Audi kommt davon. Auf diesen Nenner lässt sich der Stand der Dinge bringen.

An vielen Stellen in dem Sündenregister kommt auch Audi vor

Ein Stand, der auf den ersten Blick mehr als verwundert. Vergangene Woche erst haben die Generalstaatsanwälte von drei US-Bundesstaaten eine umfangreiche Klageschrift mit neuen, schweren Vorwürfen gegen VW veröffentlicht. An vielen Stellen in dem Sündenregister kommt auch Audi vor. Dort sei das erste "Defeat Device" entstanden, also jene Software, die erkennt, ob sich ein Fahrzeug auf dem Prüfstand befindet. Hier, gewissermaßen im Labor, messen die Behörden bislang den Ausstoß der gesundheits- und umweltschädlichen Stickoxide. Ein verbotenes Defeat Device sorgt dafür, dass sich die Abgasreinigung auf dem Prüfstand ein- und auf der Straße weitgehend ausschaltet.

In der US-Klageschrift ist von sechs Defeat Devices im Konzern Volkswagen die Rede: Drei Mal bei VW selbst, zwei Mal bei Audi und ein Mal bei Porsche. Doch auf eine Bescheinigung der US-Umweltbehörde EPA, wonach neben VW auch die Tochter Audi ein illegales Defeat Device eingesetzt habe, wartet die Staatsanwaltschaft München II dem Vernehmen nach bislang vergeblich. Vor Wochen schon sollen die deutschen Strafverfolger in Übersee angefragt haben, wie der Fall Audi dort eingestuft werde.

Audis Argument: Motorschutz

Die Münchner Strafverfolger prüfen seit Monaten, ob Anlass für ein Ermittlungsverfahren bei Audi besteht. Wegen Betrugsverdachts beziehungsweise, so ein weiterer möglicher Vorwurf, illegaler Werbung. Das betrifft, so die Staatsanwaltschaft, "federführend in Ingolstadt entwickelte Diesel-Motoren" und mögliche Manipulationen oder Unregelmäßigkeiten. "Nachdem es sich um einen technisch und rechtlich sehr komplexen Sachverhalt handelt, konnte die Prüfung bislang noch nicht abgeschlossen werden", sagt Oberstaatsanwalt Ken Heidenreich.

Für Ermittlungen und eventuell sogar Durchsuchungen brauchen die Münchner Strafverfolger einen ausreichenden Anfangsverdacht wie etwa die Annahme der zuständigen Verkehrs- und Umweltbehörden, dass ein verbotenes Defeat Device vorliege; oder eine Selbstanzeige oder zumindest ein Eingeständnis von Audi. Nichts dergleichen liegt vor, anders als bei der Konzernmutter VW. Die US-Umweltbehörde EPA hatte im September 2015 Verstöße von Volkswagen bekannt gemacht; der Konzern hat die Manipulationen zugegeben und selbst Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Braunschweig gestellt.

Auch die Kanzleien tun sich bei Audi schwer

Auf dieser Basis lassen sich rasch Ermittlungen einleiten, was die Braunschweiger Strafverfolger auch getan haben. Sie ermitteln inzwischen gegen mehr als 20 Beschuldigte. Zudem läuft ein Bußgeldverfahren, das für VW teuer werden kann. Bei Audi in Ingolstadt ist die Lage ganz anders. Die Vier-Ringe-Marke beruft sich auf dasselbe Argument, das fast die ganze Autobranche bemüht, um ein zeitweises oder gar oftmaliges Abschalten der Abgasreinigung bei Diesel-Fahrzeugen im Straßenverkehr zu rechtfertigen: Motorschutz. Dies sei, zum Beispiel, bei bestimmten Temperaturen notwendig. Die Europäische Union und die Verkehrsbehörden lassen das grundsätzlich gelten, streiten aber mit diversen Autoherstellern, ob der angebliche Motorschutz nicht zu weit gehe.

Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) in Flensburg kam bei einer Untersuchung infolge der Abgasaffäre zu dem Ergebnis, Volkswagen habe ein verbotenes Defeat Device benutzt. Bei einem Audi A6, der sich ebenfalls als Dreckschleuder erwies, urteilte das KBA hingegen milde. Sollten die Ingolstädter, wie beabsichtigt, den Schadstoffausstoß senken, dann "würden Zweifel an der Zulässigkeit der Abschalteinrichtung aus Motorschutzgründen nicht weiter bestehen". Auf das Kraftfahrt-Bundesamt könnte sich also keine Staatsanwaltschaft berufen, die wegen Audi ermitteln wollte. Auch die Kanzleien, die für Kunden und Aktionäre von VW in Europa und den USA Schadenersatz in Milliardenhöhe fordern, tun sich bei Audi schwer. Nach dem jetzigen Stand der Dinge habe man "keine Chance", gegen Audi vorzugehen, sagen führende Schadenersatzanwälte. Mit Namen zitieren lassen will sich aber keiner dieser Juristen. Sie leben schließlich davon, Schadenersatzansprüche zu erheben, statt zu verneinen.

Audi muss derzeit weder Anwälte noch Staatsanwälte fürchten. Die Ingolstädter haben einstweilen gute Chancen, juristisch glimpflich davon zu kommen.

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