ATU:Poker um die Werkstätten

Recyclingzentrum der Autowerkstattkette ATU

Reifen und mehr: Die Werkstattkette ATU kämpft ums Überleben.

(Foto: Armin Weigel/dpa)

Die Firma soll verkauft werden, doch das Geschäft hängt am seidenen Faden: Die Mieten für die Standorte müssen gesenkt werden. An diesem Donnerstag läuft die Frist aus.

Von Reuters/Uwe Ritzer

NürnbergDie etwa 10 000 Beschäftigten der Automobil-Werkstatt- und Zubehörkette ATU bangen einmal mehr um ihre Arbeitsplätze. Der im September verkündete Verkauf der etwa 600 Filialen umfassenden Firma mit Sitz im bayerischen Weiden an die französische Mobivia-Gruppe droht im letzten Moment zu platzen. Schuld daran sind ins Stocken geratene Verhandlungen mit dem Vermieter von etwa 300 Immobilien, in denen ATU-Werkstätten betrieben werden. Gibt es nicht kurzfristig eine Lösung, bliebe ATU nichts anderes übrig, als einen Antrag auf ein Insolvenzverfahren zu stellen.

Am Donnerstag dieser Woche läuft die Drei-Wochen-Frist ab, innerhalb der das schon länger wirtschaftlich angeschlagene Unternehmen sich mit der Vermieterin von fast der Hälfte seiner rund 600 Standorte einigen muss, der niederländischen Firma Lino. Die Nachrichtenagentur Reuters zitierte aus Unterlagen, wonach Lino zwar grundsätzlich zu einer Einigung bereit sei. Als Gegenleistung fordere das Unternehmen jedoch von den bisherigen ATU-Eigentümern eine Sonderzahlung von 100 Millionen Euro. Hinter Lino stecken als Kreditgeber die Deutsche Bank und der Hedgefonds Davidson Kempner.

"Wir haben ein attraktives Angebot unterbreitet, das die Interessen aller Parteien in angemessener Weise berücksichtigt", hieß es dazu bei Lino, ohne dass konkrete Zahlen genannt wurden. Niemand habe Interesse an einer Insolvenz. "Eine Einigung ist ohne Zweifel das bestmögliche Ergebnis für alle Beteiligten." Die Deutsche Bank wollte sich nicht zu den Vorgängen äußern. In einem Schreiben an den ATU-Aufsichtsrat erklärte der als Sanierer eingesetzte Hans-Joachim Ziems bereits am 17. November, angesichts der stockenden Verhandlungen sei die "positive Fortführungsprognose" für das Unternehmen mit 10 000 Mitarbeitern entfallen. Nur sie schützt ATU aber davor, wegen Überschuldung in Insolvenz zu geraten. Ist innerhalb von drei Wochen keine konkrete Lösung in Sicht, muss der Antrag gestellt werden. ATU gehört mehreren Hedgefonds wie Centerbridge, die 2013 den Finanzinvestor KKR durch einen Tausch von Schulden in Anteile als Eigentümer abgelöst hatten.

Mit dem französischen ATU-Konkurrenten Mobivia schienen sie einen Käufer gefunden zu haben, der im September auch mit großer Erleichterung und erheblichem Optimismus präsentiert wurde. Angeblich wollen die Franzosen 225 Millionen Euro für ATU bezahlen. Klappt die Übernahme, entstünde ein Unternehmen mit 2000 Werkstätten und 20 000 Mitarbeitern.

Scheitert der Verkauf, droht dem Unternehmen die Insolvenz

Allerdings knüpfte Mobivia von Anfang den Deal an die Forderung nach einer drastischen Reduzierung der Mieten. Für die 273 Werkstattgebäude und Lagerräume waren zuletzt jährlich 57 Millionen Euro fällig. Aktuell wird nach Informationen aus Finanzkreisen über einen neuen, 20 Jahre laufenden Mietvertrag verhandelt, der eine Jahresmiete von 26 Millionen Euro vorsieht. Darauf will sich Lino aber nur gegen die Sonderzahlung einlassen. Allein auf den Immobilien lasten 718 Millionen Euro Schulden, welche die Deutsche Bank als Kreditgeberin möglichst nicht abschreiben will.

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