Atomkraft-Moratorium der Regierung:Energiekonzerne fürchten um Milliardengewinne

Mit einem abgeschriebenen Meiler können die großen Energiekonzerne etwa eine Million Euro pro Tag verdienen. Nun sollen drei Meiler vom Netz.

Markus Balser

Die Katastrophe in Japan wirkt sich nun auch unmittelbar auf die Energiebranche in Deutschland aus. Nach der Ankündigung der Bundesregierung, die Laufzeitverlängerung der deutschen Atomkraftwerke für drei Monate auszusetzen, müssen Energiekonzerne Meiler mindestens vorübergehend vom Netz nehmen. Betroffen sind die Atomkraftwerke NeckarwestheimI in Baden-Württemberg (EnBW), Biblis A in Hessen (RWE) und Isar 1 in Bayern (Eon).

Atomkraftwerk Isar II

Eine Aufnahme des Atomkraftwerkes Isar II, das zu den moderneren zählt.

(Foto: DPA)

Der südhessische Atommeiler Biblis A geht nach Angaben der hessischen Landesregierung im Juni für zunächst acht Monate vom Netz. Geplant seien Revisionsarbeiten, sagte Umweltministerin Lucia Puttrich (CDU) in Wiesbaden. Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) geht davon aus, dass auch der Reaktor Neckarwestheim I so schnell wie möglich abgeschaltet wird. "Wenn es ein Moratorium gibt, dann kann Neckarwestheim I in den drei Monaten nicht weiterlaufen", sagte Mappus.

Die beiden ältesten deutschen Atommeiler waren 1976 und 1975 in Betrieb gegangen. Bayerns Umweltminister Markus Söder (CSU) sprach sich dafür aus, den Meiler Isar 1 noch 2011 abzuschalten. Man könne die Anlage im Mai vom Netz nehmen, "wenn der Bund dies gesetzlich regelt". Grund sei der mangelnde Schutz gegen mögliche Flugzeugabstürze.

Die Energiebranche wurde von dem Moratorium offenbar völlig überrascht. "Wir nehmen sie zur Kenntnis. Es gilt der Primat der Politik", sagte RWE-Technikvorstand Gerd Jäger der Süddeutschen Zeitung, "wir gehen davon aus, dass uns die Bundesregierung kurzfristig zu Gesprächen einladen wird." Deutschlands größter Energiekonzern Eon kritisierte das Vorhaben. "Dafür gibt es keinen Grund. Unsere Anlagen werden nach höchsten Sicherheitsstandards betrieben", sagte ein Sprecher.

Die Stromkonzerne sehen sich durch die Katastrophe in Japan zunehmend unter Druck. Der Anteil des Atomstroms ist noch immer hoch. So stammt etwa ein Viertel der Stromerzeugung von RWE in Deutschland aus Atomstrom, bei Eon liegt der Anteil fast doppelt so hoch. Nun könnte die wichtige Einnahmequellen versiegen. Mit einem abgeschriebenen Meiler lässt sich etwa eine Million Euro pro Tag verdienen. Die Börse reagierte am Montag mit einem Kurssturz auf die Entscheidung. Die Aktien von Eon verloren bis zum Abend 5,3 Prozent, die von RWE 4,8 Prozent.

Offen blieb zunächst, wie die Bundesregierung das Moratorium umsetzen will. Die Laufzeiten für die Kraftwerke sind nach dem Beschluss über die Verlängerung in einem Vertrag zwischen Regierung und Energiekonzernen geregelt. Für die Aussetzung der Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke ist nach Ansicht von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) keine Gesetzesänderung nötig. Sie werde mit den Betreibern erörtern, was dies bedeute, sagte Merkel am Montag in Berlin. Die Laufzeitverlängerung um durchschnittlich zwölf Jahre hatte die schwarz-gelbe Bundesregierung erst im vorigen Jahr gegen den erbitterten Widerstand der Opposition beschlossen.

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