Atomenergie:Nuklear-Poker

Schacht Gorleben

So wie einst im Erkundungsbergwerk Gorleben, hier ein Bild aus dem Jahr 2010, soll es bei der zweiten Suche nach einem Endlager nicht laufen.

(Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Interne Unterlagen enthüllen, wie die Kernkraft-Betreiber die Kosten für den Atommüll kleinrechnen.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Der Appell der Kommissionsspitze war eindeutig: Zwar gebe es mit den Atomkraft-Betreibern noch keine Einigung darüber, in welchem Umfang sie für ihre nukleare Altlast haften. Doch die Mitglieder der Kommission sollten öffentlich möglichst nur von letzten offenen Fragen reden, rieten die Vorsitzenden - "wegen der möglichen Auswirkungen auf den Kapitalmarkt". Vor allem empfahlen sie, "keine konkreten Sachfragen und mögliche Beträge zu kommunizieren". Nachzulesen ist das im letzten Protokoll der "Kommission zur Überprüfung der Finanzierung des Kernenergieausstiegs". Bei den Summen, mit denen diese Kommission seit Monaten hantiert, ist so ein Rat auch kein Wunder.

Wie die Energiekonzerne selbst mit den Milliarden jonglieren, das belegen interne Aufstellungen, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen. Darin rechnen die Energiekonzerne alle möglichen Einsparpotenziale vor - etwa durch die "Erstattung Vorausleistungen Gorleben". 2,95 Milliarden Euro wollen sie zurückhaben, weil der Bund nun nach einem neuen Endlager sucht - wegen der "nutzlos gewordenen Aufwendungen und Rückstellungen für Gorleben". Geeignet sei der Salzstock trotzdem.

Weitere 1,5 Milliarden Euro wollen die Unternehmen durch "technische Betriebsoptimierungen" erreichen, und noch einmal 2,5 Milliarden Euro durch eine andere Verpackung des Atommülls. Statt den Atommüll aus Castoren in spezielle Pollux-Behälter umzuladen, sollten gleich die Castorbehälter im künftigen Endlager abgestellt werden. Beim Endlager Schacht Konrad, das schwach- und mittelaktive Abfälle etwa vom AKW-Abriss aufnehmen soll, versprechen sich die Konzerne bis zu 1,5 Milliarden Euro Einsparungen. "Technischer Fortschritt, regulatorische Anpassungen und politische Entscheidungen ermöglichen eine erhebliche Reduzierung der (. . .) benötigten Mittel", wirbt das Papier. Und zwar um satte 9,5 Milliarden Euro.

Es ist das neueste Kapitel eines atemberaubenden Milliardenpokers. Im Zentrum stehen jene 38,3 Milliarden Euro, mit denen die Atomkraft-Betreiber Eon, RWE, Vattenfall und EnBW bisher Vorsorge für den Rückbau der Kernkraftwerke und die Entsorgung ihres Atommülls getroffen haben. Angesichts ihrer mauen wirtschaftlichen Lage ist unklar, ob sie diese Pflichten in ferner Zukunft werden einlösen können. Auch ist umstritten, ob angesichts des niedrigen Zinsniveaus nicht weitaus größere Rückstellungen in den Büchern der Konzerne stehen müssten. Die Unternehmen wollen deshalb zumindest die Haftung für die schwer kalkulierbare Endlagerung loswerden, etwa durch Einzahlung in einen Fonds. Doch wie viel sie dafür einzahlen, und ob sie damit jegliche Haftung loswerden, das konnte die Kommission bisher nicht klären. Eigentlich sollte das 19-köpfige Gremium schon fertig sein. Doch im jüngsten Entwurf des Schlussberichts finden sich lauter offene Baustellen.

Den Konzernen käme die 9,5-Milliarden-Bereinigung durchaus zupass. Denn die Gesamtkosten der nuklearen Altlast beziffert der Schlussbericht auf 48,8 Milliarden Euro - 10,5 Milliarden Euro mehr, als an Rückstellungen gebildet ist. Die Korrektur könnte die Lücke deutlich verkleinern.

Viel Hoffnung darauf besteht aber nicht. Das Bundesumweltministerium wies die Vorschläge in einer Stellungnahme harsch zurück. Bei fünf der sechs Positionen gebe es "keinerlei Anspruchsgrundlage", urteilte das Ministerium. Die Idee der "technischen Betriebsoptimierungen" etwa halte man für den "Versuch, Verhandlungsmasse aufzubauen". Einzig über die Beiträge der Konzerne zum Schacht Konrad lasse sich reden: bis maximal 270 Millionen Euro.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: