Atomausstieg:Atomkonzerne wollen raus aus der Haftung

  • Deutschlands Atomkonzerne können die unbegrenzte Haftung für Atomkosten loswerden, indem sie sich aufspalten.
  • Die Bundesregierung erwägt, das mit neuen Regelungen zu verhindern.
  • Der Energiekonzern Eon überlegt nun, wie eine entsprechende neue Regelung verhindert werden kann - notfalls per Verfassungsklage.

Von Markus Balser, Berlin

Das Schlupfloch schien so diskret wie wirksam zu sein. Deutschlands größter Energiekonzern Eon wollte die eigene Aufspaltung Anfang 2016 in eine grüne Eon und das Kraftwerksunternehmen Uniper gerne dazu nutzen, auch gleich noch ein lästiges Risiko loszuwerden: die unbegrenzte Haftung für seine Atomkosten. Denn nach deutschem Recht genügte es bislang, die Atomsparte einfach in ein neues Unternehmen auszugliedern, um die ewige Haftung auf gerade mal fünf Jahre zu begrenzen. Angesichts der offenen Frage, ob die deutschen Atomrückstellungen von 38 Milliarden Euro in den nächsten Jahrzehnten tatsächlich ausreichen oder weitere Milliarden gebraucht werden, ein lukrativer Schachzug.

Doch die Bundesregierung will das Vorhaben nun offenbar vereiteln. Im Bundeswirtschaftsministerium von Sigmar Gabriel (SPD) kursieren Pläne, die fragliche Fünfjahresregel noch vor der Eon-Aufspaltung abzuschaffen. Im Management der Energiekonzerne sorgt das für so große Unruhe, dass man bereits das unkonkrete Vorhaben mit schwerem Geschütz bekämpft. "Wir halten das, was angedacht wird, für verfassungswidrig", sagte Konzernchef Johannes Teyssen am Mittwoch im Hinblick auf geplante Einschränkungen der Fünfjahresfrist. Sein Unternehmen habe in der Sache eine rechtliche Analyse externer Gutachter an die beteiligten Ministerien geschickt. Der Eon-Chef deutete damit an, dass der Konzern auch im Streit über die Atomhaftung eine Verfassungsklage für möglich hält. Die Regierung solle zunächst die Ergebnisse ihrer eigenen Kommission abwarten, bevor sie "ohne genaue Kenntnis der Sachlage" Schlüsse ziehe, wetterte Teyssen. Die AKW-Betreiber RWE und Eon wehren sich bereits mit einer Verfassungsklage gegen den beschleunigten Atomausstieg und fordern von der Bundesregierung einen Milliarden-Schadenersatz für das Abschalten ihrer Kraftwerke.

In der Politik wuchsen zuletzt die Zweifel, ob die Rückstellungen der vier AKW-Betreiber in Deutschland Eon, RWE, EnBW und Vattenfall von gut 38 Milliarden Euro die Kosten für den Abriss der Atomkraftwerke und die Lagerung ihres noch Tausende Jahre strahlenden Mülls wirklich decken können. Die Bundesregierung prüft deshalb bis Ende September, ob die Bilanzen der Konzerne Rücklagen und Kosten richtig wiedergeben. Von Herbst an soll dann eine Kommission der Regierung darüber beraten, wie die finanzielle Verantwortung für den Rückbau, die Stilllegung und die Endlagerung am besten abgesichert werden kann.

Ob die Rückstellungen ausreichen - darüber wird schon lange gestritten. Grüne und Umweltschützer verlangen seit Monaten, die Rückstellungen in einen staatlichen Fonds zu überführen, um sie zu sichern. Die Konzerne kritisieren dagegen, dass die Politik ihnen immer neue Kosten bei der Zwischenlagerung oder der Suche nach einem Endlager aufbürdet. Die Energiebranche selbst setzt die Politik nun erneut unter Handlungsdruck. Denn am Montag drohte auch der Essener Energiekonzern RWE, dass man dem Auslagerungsmodell von Eon folgen könnte. RWE-Chef Peter Terium kündigte offen an: Eine Abspaltung des Kraftwerksgeschäfts sei zwar nicht das Ziel von RWE - bleibe aber eine Option.

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