Athener Statistik-Behörde:Wie ein Albtraum

Der Chef der griechischen Statistik-Behörde geht. Das Land steht inmitten der Vorgespräche für neue Kredite, bei denen Zahlen wichtig sind, ohne einen Nachfolger da.

Von Christiane Schlötzer

Seine E-Mails wurden aus der eigenen Behörde in Athen gehackt, er wurde angeklagt, musste sich stundenlang verhören lassen, und im Parlament behandelten Abgeordnete den griechischen Spitzenbeamten wie einen Staatsfeind: Nun ist Andreas Georgiou, seit fünf Jahren Chef der griechischen Statistik-Behörde Elstat, aus dem Amt geschieden. Turnusgemäß, denn er hatte einen Fünf-Jahres-Vertrag, den hatte er am 2. August 2010 angetreten.

Georgiou, geboren 1960 in Patras, aber hätte sich um eine zweite Amtszeit bewerben können, dies wollte er jedoch auf keinen Fall. Er gehe aus persönlichen Gründen, mit sofortiger Wirkung, und werde auch nicht für eine Übergangszeit im Amt bleiben, bis ein Nachfolger feststehe, so erklärte der Grieche jetzt. Der Süddeutschen Zeitung hatte Georgiou jüngst in Athen, voller Verbitterung, gesagt: "Ich habe in den fünf Jahren alles gegeben, was ich konnte." Er habe sich in seiner Amtszeit aber immer wieder "wie in einem Albtraum" gefühlt.

Damit steht das Land inmitten der Vorgespräche für neue internationale Hilfen, bei denen Zahlen wichtig sind, ohne Statistikchef da. Die Kreditgeber Athens haben den Streit um Georgiou und sein Amt zuletzt mit großer Aufmerksamkeit verfolgt und die Regierung von Alexis Tsipras ermahnt, unbedingt die Unabhängigkeit der Statistikbehörde zu wahren. Jeder Nachfolger des Mannes, der nun vom Parlament bestimmt wird, dürfte daher unter besonderer Beobachtung aus Brüssel stehen.

"Greek Statistics" galten als Synonym für Manipulationen

Georgiou hatte die Unterstützung der europäischen Statistik-Experten gewonnen, nach einer gründlichen Revision in der eigenen Behörde. "Greek Statistics" galten zuvor als Synonym für Manipulationen. Weil Georgiou das griechische Haushaltsdefizit zu Beginn seiner Amtszeit nach oben korrigierte, wurde er rasch zu einer Art Sündenbock. Dabei störte es seine Kritiker offenbar nicht, dass die größten statistischen Korrekturen schon zuvor erfolgt waren. So hatte der sozialistische Premier Giorgios Papandreou das Defizit für 2009 (ein Jahr, in dem die Konservativen regierten) im Nachhinein gleich mehrmals nach oben korrigiert, von sechs auf 15,4 Prozent, und damit einen Schock ausgelöst. Georgiou machte das Minus dann nur noch um 1,8 Prozentpunkte größer und nannte es "erstaunlich", dass für die falschen Zahlen nie jemand juristisch belangt worden sei.

Dagegen wurde gegen Georgiou immer wieder ermittelt, zuletzt sollte er nach Meinung ehemaliger Elstat-Mitarbeiter den Staat angeblich "um 171 Milliarden Euro" geschädigt haben - die Summe, die Griechenland bis dahin an internationalen Krediten erhalten hatte. Der Vorwurf lautete: Der Chefstatistiker habe als Teil einer von Deutschland angeführten Verschwörung mit dem Ziel gehandelt, besonders strenge Sparmaßnahmen in Griechenland durchzusetzen. Auch Teile der regierenden Syriza-Partei vertraten bis zuletzt diese Position und machten Georgiou damit zum Sündenbock, wie es zuvor auch Politiker der Konservativen getan hatten. Erst im Juli hatte ein Gericht das Verfahren eingestellt.

Bevor Georgiou den Posten in Athen antrat, hatte er gut 20 Jahre für den IWF in den USA gearbeitet. Auch das machte ihn in der Krise für seine Kritiker verdächtig. Vor 2010 war Elstat ein Teil des Finanzministeriums, seitdem ist es eine eigene Behörde. Griechenlands Kreditgeber verlangen, dass dies in jedem Fall so bleibt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: