Asiens Fluggesellschaften:Abheben zum Kampfpreis

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Die indische Airline Indigo hat bei Airbus 430 Flugzeuge des neuen Typs "A320neo" bestellt. (Foto: Dhiraj Singh/Bloomberg)

Die Firmen expandieren kräftig. Vor allem das Geschäft der Billigflieger boomt. Sie erobern im Eiltempo neue Kunden - denn die meisten Menschen dort sind noch nie geflogen.

Von Jens Flottau, Tokio

Wenn er tun könnte, wie er wollte, dann hätte Andrew Cowen schon eine Idee: "Wir würden so schnell wie möglich 20 neue Ziele anfliegen." Cowen ist Chef der Billigfluggesellschaft Hongkong Express und schwärmt von den Zukunftsperspektiven: "In Asien sind die meisten Menschen noch nie geflogen. Ich glaube, das ist für uns eine riesige Chance." Die Chance, viele dieser Leute ins Flugzeug zu bringen und ganz groß ins Geschäft zu kommen. Noch kann Cowen aber nicht so ganz, wie er will, weil der Flughafen von Hongkong schon jetzt chronisch überlastet ist. Eine dritte Start- und Landebahn wurde zwar gerade genehmigt, doch der Bau wird wohl Jahre dauern. "Das wird uns noch eine Weile zurückhalten", gesteht der Airline-Chef ein. Doch spätestens, wenn es die Infrastruktur hergibt, soll Hongkong Express durchstarten.

Es spricht vieles dafür, dass das gelingen wird. Die Branche hat in den vergangenen zehn Jahren eine geradezu explosionsartige Entwicklung hinter sich. Die Zahl der Flugzeuge asiatischer Airlines hat sich auf 5800 verdoppelt. 75 neue Fluggesellschaften wurden gegründet, die meisten davon waren Billig-Airlines, die mit ihren günstigen Tickets Kundenschichten erschlossen haben, an die die klassischen Anbieter nie herangekommen sind. Der wachsende Wohlstand, die größer werdende Mittelschicht tun ihr Übriges: Die Billigflieger Asiens expandieren derzeit im Schnitt jährlich um 30 Prozent.

Und es gibt kaum ein Land, das den Boom nicht zu spüren bekommt. Allein in Südkorea gibt es mittlerweile fünf Billiganbieter. "Wir versuchen, jedes Jahr um 20 Prozent zu wachsen", sagt Hyuk Park, Vorstand von Jeju Air. Für eine asiatische Billig-Airline ist das wenig. Indigo in Indien hat in den vergangenen acht Jahren im Durchschnitt um 29 Prozent zugelegt. Das Unternehmen hat bei Airbus 430 Flugzeuge der A320neo-Familie bestellt, noch nie zuvor hatte eine Fluggesellschaft in so kurzer Zeit so viele Jets gekauft.

Bisher hatten sich neben Indigo noch drei andere Branchengrößen hervorgetan: Air Asia aus Malaysia, Lion Air in Indonesien und Jetstar, eine Qantas-Tochter mit Sitz in Australien. Die vier größten Anbieter warten auf die Auslieferung von insgesamt 1200 neuen Flugzeugen, das sind weit mehr als Lufthansa, Air France-KLM und British Airways insgesamt derzeit fliegen und doppelt so viele wie die aktuellen Flotten von Ryanair und Easyjet zusammen. Doch wenn nicht alles täuscht, dann wird die Gruppe noch um eine weitere Fluggesellschaft ergänzt. Vietjet aus Vietnam hatte schon 2015 in der Branche für Aufsehen gesorgt, weil sie mehr als 80 Airbus-Flugzeuge bestellt hat. Gerade nutzte Vietjet den Besuch von US-Präsident Barack Obama dafür, einen Vertrag über 100 neue Boeing 737 zu unterzeichnen. Bis 2023 soll die Flotte von derzeit 31 auf etwa 200 Flugzeuge wachsen.

Die Billigfluggesellschaften haben neben dem Geschäftsmodell noch weitere Gemeinsamkeiten: Sie sind alle Privatunternehmen und konkurrieren oft mit jahrzehntealten Staatsunternehmen wie Thai Airways, Malaysia Airlines oder den chinesischen Marktführern Air China, China Southern und China Eastern. Vor allem in China können sie aber trotz der beeindruckenden Wachstumszahlen immer noch nicht tun und lassen, was sie wollen. Sie müssen Genehmigungen für neue Strecken oder Flugzeuge einholen, nicht selten fliegen sie gegen unsichtbare Mauern, durch die die Etablierten geschützt werden - noch.

Auch, um wenigstens einige der Einschränkungen zu umgehen, haben viele der kleinen und mittelgroßen Billig-Airlines nun beschlossen, sich zusammenzutun. Sie haben, ungewöhnlich für den auf Einfachheit getrimmten Sektor, Allianzen gegründet und treiben damit das Geschäftsmodell in eine Richtung, in die sich die ursprünglichen Erfinder des Billigfluges in den USA (Southwest) und Europa (Ryanair) nicht trauen: "U-Fly" ist eine Gruppe von vier Gesellschaften rund um Hongkong Express, acht weitere haben die "Value Alliance" gegründet. "Wir wollen es dadurch besser mit Air Asia oder Jetstar aufnehmen können", sagt Katsuya Goto, Chef von Vanilla Air mit Sitz am Flughafen Tokio-Narita. Vanilla ist eine Tochtergesellschaft von All Nippon Airways (ANA), der größten japanischen Fluggesellschaft, die mit Lufthansa in der Star Alliance verbündet ist. ANA hatte Vanilla einst als Joint-venture mit Air Asia gegründet, um das japanische Billigsegment zu erobern, doch die Anteilseigner überwarfen sich schnell. Nun versucht es ANA auf eigene Faust.

Das Wachstum hat Grenzen: "Es wird ein bisschen eng auf dem Markt."

Vanilla gehört noch zu den Kleinen in dem Sektor, mit gerade einmal neun Flugzeugen. Doch der Konzern hat ehrgeizige Ziele: Bis 2020 soll Vanilla den Umsatz verdreifachen und die Flotte mehr als verdoppeln. Dank der derzeit niedrigen Treibstoffpreise schreibt der Ableger jetzt schon schwarze Zahlen. Da der innerjapanische Markt stagniert, will Vanilla in Richtung China und nach Südostasien expandieren. Dafür braucht die Fluggesellschaft, wie die anderen Wettbewerber in Asien, Flugzeuge mit deutlich größerer Reichweite als die Kollegen in Europa - die Distanzen sind viel größer. Vanilla hat deswegen Interesse an der Airbus A320neo-Familie, die auch Strecken von acht Stunden fliegen kann.

In Südkorea hat Jeju Air ähnliche Pläne. Gut 20 Maschinen betreibt der kleine Anbieter, in vier Jahren sollen es 50 sein. Das klingt für asiatische Verhältnisse nach nicht besonders viel. "Es wird ein bisschen eng auf dem Markt", sagt Park trotzdem. Allerdings gibt es allein in Korea mittlerweile fünf Billigfluggesellschaften. Aber das habe auch sein Gutes: "Dann verstehen die Leute das Billigmodell schneller."

© SZ vom 06.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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