Arques übernimmt SHC:Der Durchlauferhitzer

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Der Ausstieg aus dem Kommunikationsgeschäft ist komplett: Siemens verkauft seine Telefongerätesparte SHC an Arques. Der Finanzinvestor saniert Firmen im Hau-Ruck-Stil.

Martin Hesse

Wenn es darum geht, Verwirrung zu stiften, war Arques schon immer ganz groß. Binnen eines Jahres beschäftigt der Finanzinvestor aus Starnberg bereits den dritten Vorstandschef, auch zwei Finanzvorstände hat die Firma in wenigen Jahren verschlissen. Der dritte Chef, Michael Schumann, kündigte noch Anfang Juli an, Arques wolle sich wieder auf das Kerngeschäft konzentrieren, den Kauf und die Sanierung angeschlagener Firmen. "Deshalb wundert es mich, dass sie jetzt von Siemens SHC kaufen", sagt Gordon Schönell, Analyst beim Bankhaus Lampe. "Das ist eigentlich kein typischer Restrukturierungsfall."

Die BenQ-Pleite liegt vielen Siemensianern noch im Magen: Die SHC-Beschäftigten sehen die Übernahme durch Arques deshalb mit gemischten Gefühlen. (Foto: Foto: ddp)

Als ginge es um das Aufmotzen von Gebrauchtwagen

Es gibt so einiges, was Analysten bei Arques wundert: Wie der Investor es schafft, in einem Tempo Firmen zu sanieren und abzustoßen, als ginge es um das Aufmotzen von Gebrauchtwagen; oder ob es Zufall war, dass Firmengründer Peter Löw im Frühjahr 2007 ausstieg und 100 Millionen Euro abräumte, just bevor die Aktie von 40 auf sechs Euro stürzte.

Begonnen hatte alles mit der Pleite der Heilquelle Bad Salzschlirf Anfang 2001. Gut ein Jahr später schlüpfte der ehemalige McKinsey-Manager Peter Löw in den noch immer an der Börse gehandelten Mantel der Firma. Er benannte ihn in Arques um und legte los: Binnen fünf Jahren baute Löw mit seinem Studienfreund Martin Vorderwülbeke ein Firmenimperium auf, das an der Börse zeitweise eine Milliarde Euro wert war.

Er sammelte so unterschiedliche Unternehmen wie den Kinderwagenhersteller Teutonia, die Nachrichtenagentur DDP oder den Metallverarbeiter SKW Metallurgie. Keiner der Konkurrenten - etwa die Münchener Finanzinvestoren Orlando und Aurelius - kauft und verkauft Firmen in solch einem Tempo. Für 2008 hat sich Schumann vorgenommen, zehn bis 15 Firmen zu erwerben und fünf bis sieben zu veräußern.

Löws Modell funktionierte lange gut. Arques übernahm die Firmen meist zu einem Preis, der weit unter dem Buchwert lag. Die Differenz aus beiden Beträgen bilanzierte die Gesellschaft gleich als Gewinn. Das ist möglich, wenn auch 2005 die Bilanzpolizei einiges an der Bilanzierung bei Arques auszusetzen hatte. Zudem bleibt es bei den Buchgewinnen nur, wenn es Arques tatsächlich gelingt, die gekauften Firmen zu sanieren.

In den ersten Jahren erzielte Arques dabei einige Erfolge. Kritiker halten der Firma - die ihre Beteiligungen mit 80 Sanierungsexperten und Standardkonzepten binnen kurzer Zeit umpflügt - allerdings vor, sie setze mehr auf schnelle Erfolge als auf nachhaltige Geschäftsmodelle. Im Aufschwung habe dies funktioniert. Eine Reihe Firmen ließen sich zu höheren Preisen veräußern, mit Teutonia erzielte Arques 10.000 Prozent Rendite.

"Die Arques-Aktie ist kein Investment wert"

2007 aber, kurz nach Löws Ausstieg, ist Arques selbst ins Straucheln geraten. Ein eilig aus mehreren Firmen zusammengeschweißter Druckkonzern namens Arquana musste Anfang 2008 Insolvenz anmelden - Arques war bereits kurz vorher ausgestiegen. Mit der früheren Otto-Tochter Actebis kaufte Arques Ende 2007 erstmals keinen Sanierungsfall - und übernahm sich offenbar damit. "Wenn es nicht gelingt, Actebis dieses Jahr zu verkaufen, kann Arques die Gewinnziele für 2008 nicht halten", sagt Analyst Schönell.

Im Winter setzte sich auch Vorderwülbeke, der Löw als Chef beerbt hatte, von Arques ab. Analysten bezweifeln, dass es dem Finanzinvestor auch im Abschwung gelingt, Firmen zu sanieren und über die Börse wieder zu veräußern. "Die Arques-Aktie ist kein Investment wert", sagt Schönell. Die Ex- Siemensianer von SHC werden hoffen, dass er sich irrt.

© SZ vom 02.08.2008/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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