Arcandor: Wirbel um Thomas Middelhoff:Die Rückkehr des Königs

Hat der ehemalige Arcandor-Chef Thomas Middelhoff von den völlig überzogenen Karstadt-Mieten profitiert? "Big T" wird womöglich von seiner Vergangenheit eingeholt.

Hans-Jürgen Jakobs

Gekrönt wurde Thomas Middelhoff in einer umgebauten Fabrikhalle des Bertelsmann-Konzerns, gleich neben der Autobahn. Der Bundeskanzler, der Außenminister, viele Spitzenpolitiker und Spitzenmanager der Wirtschaft, Chefredakteure und natürlich die Nomenklatura der eigenen Firma waren da. Irgendwann während der Zeremonie zur Ernennung als Vorstandsvorsitzender bekam Middelhoff eine Ledermappe mit den Leitlinien des Hauses überreicht - als Zeichen, dass er jetzt den Marschallstab im Tornister trage.

Thomas Middelhoff, Reuters

Thomas Middelhoff, ehemaliger Arcandor-Chef - hat er selbst von den hohen Karstadt-Mieten profitiert?

(Foto: Foto: Reuters)

Das war am 30. Oktober 1998. Thomas Middelhoff war der König von Bertelsmann und sollte einerseits die "Kontinuität" wahren, was dem Gütersloher Patron Reinhard Mohn ganz wichtig war, andererseits aber neue Geschäfte im Internet aufreißen. Diesen glorreichen Herbsttag hat Middelhoff nicht vergessen. Dass die Chefrolle schon knapp vier Jahre später, im Juli 2002, zu Ende ging, war eine schwere Kränkung für den extrovertierten Manager - viel tragischer als die jüngste Verabschiedung aus dem Handelskonzern Arcandor.

Sonderbonus - und der Mann wurde reich

Schließlich hatte Middelhoff doch der Eigentümerfamilie Mohn einen richtigen Geldsegen beschert, als er 2002 Anteile an America Online und vor allem am Ableger AOL Europe verkaufte. Das erbrachte insgesamt rund 18 Milliarden Mark. Middelhoff wurde dank Sonderbonus zum reichen Mann, der nun selbst Investor spielen durfte, unter anderem als Käufer von Anteilen an edleren Karstadt-Kaufhäusern. Er war in seinem Element - und fiel auch anderen auf, zum Beispiel der Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz, die sich wie der neue Multimillionär von der Kölner Privatbank Sal. Oppenheim betreuen lässt.

Kaufen und verkaufen, das macht der promovierte Betriebswirt am liebsten. Damals bei Bertelsmann baute der Dealmaker in der Zentrale quasi seine eigene kleine Investmentbank mit Venture-Capital-Spezialisten auf. Middelhoffs Lieblingsbanker wurde Alexander Dibelius, der Deutschland-Chef von Goldman Sachs. Irgendwann aber machte die Mehrheitseignerin Liz Mohn eben doch einen Schnitt. Zu krude war ihr die Portfolio-Manie des Thomas Middelhoff geworden. Und der Geschasste sann fortan auf eine neue Chefrolle, um der Welt sein Können zu beweisen.

Bei Karstadt-Quelle trat Middelhoff von Mai 2005 an blendend wie bei Bertelsmann auf: Plötzlich hieß der Konzern vokalreich Arcandor und das darbende Versandgeschäft Primondo - ganz so, als sei die Welt nach ein paar Handgriffen wieder in Ordnung. Am Hauptsitz in Essen versprach der vorgebliche Magier viel. Er machte das Tafelsilber - Immobilien und Tochterfirmen - zu Geld, brachte Finanzinvestoren ins Spiel, machte wie immer auf "Speed, Speed, Speed" - das Stammgeschäft aber litt weiter wie früher bei Bertelsmann.

Ein Mann, ein Deal

Thomas Middelhoff ist kein Sanierer, keiner fürs grobe Reinemachen. Er will den entscheidenden Deal. Er ist ein Mann der großen Geste - einer, der sich aufs Namedropping versteht und den Eindruck vermittelt, er stünde mit den Großen der Welt im E-Mail-Verkehr, von Bill Gates bis Bill Clinton. Journalisten bot er früher Champagnerwetten an. Er wollte damals sich und Bertelsmann-Eigner Mohn auf der Expo 2000 ein Denkmal mit dem Pavillon "Planet M" setzen. Und schon immer hatte es ihm der angelsächsische Turbo-Kapitalismus angetan: New York wollte er de facto zum Sitz der Bertelsmann AG machen - nach seinem Ende dort arbeitete er schon einige Monate später im feinen Londoner Stadtteil Mayfair für die Finanzfirma Investcorp.

Seit dem 1. Februar betreibt der heute 56-Jährige in der britischen Hauptstadt eine eigene Investmentfirma, zusammen mit dem Unternehmensberater Roland Berger und dem früheren Bertelsmann-Manager Florian Lahnstein. "Heute gilt alles als sexy, was an der Börse gehandelt wird", war eine frühe Erkenntnis des Mannes, den Freunde "Big T" nannten.

Die Marketingmaschine Middelhoff hat stets Persönliches zum Thema gemacht: die Eltern, die er auf das Riesengrundstück in Bielefeld holte, das früher der Pudding-Dynastie Oetker gehört hat; die Hühner und Pferde dort; die Begeisterung seiner fünf Kinder über die Karriere des Papas und die Karottenkuchen-Backkünste seiner Frau. Der Unternehmersohn ist ein begabter Plauderer, der einnehmend lächelt. In zahlreichen Porträts und Interviews wurde plangemäß alles verwurstet - nur als in der Arcandor-Zeit die kritischen Töne immer lauter wurden, nahm die Zahl der Gegendarstellungen zu, mit denen Middelhoff sein Image als schlanker, moderner Manager zu wahren suchte.

Weltmeister der Ankündigungs-PR

"Integration", "Internationalisierung", "Inspiration" - alles typische Zauberworte der rhetorischen Middelhoff-Kaskaden. Er ist ein Weltmeister der Ankündigungs-PR. Und natürlich vermeldete der Vorstandschef auf Zeit auch bei Arcandor sehr früh: "Die Trendumkehr ist erreicht" und erweckte den Eindruck, der Konzern sei vor der Insolvenz gerettet. Jetzt muss sich sein Nachfolger Karl-Gerhard Eick genau wieder damit befassen. Als größte Leistung Middelhoffs gilt intern der teure Umbau der Arcandor-Zentrale in Essen - es ist tatsächlich gelungen, innenarchitektonisch den Muff der siebziger Jahre zu verscheuchen.

Thomas Middelhoff sinnt inzwischen in London über neue Deals - und muss schauen, ob Arcandor noch die hohe Miete in jenen Karstadt-Häusern zahlt, die ihm und seiner Frau zum Teil gehören. In stillen Momenten denkt er wohl an damals, als er noch, mit der Ledermappe unter dem Arm, der König von Bertelsmann war und der Kanzler ihm applaudierte.

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