Arcandor:Reger Wechsel

Arcandor hat in diesem Jahr mehr als die Hälfte der Vorstandsposten neu besetzt, doch die Probleme des Konzerns sind geblieben.

Stefan Weber

Rüdiger Andreas Günther, der designierte Finanzvorstand des Arcandor-Konzerns, ist Karatekämpfer. Als Träger des schwarzen Gürtels ist der 50-Jährige zweimal deutscher Meister gewesen. Das ist zwar schon eine Weile her. Aber den Ehrgeiz und das Durchsetzungsvermögen, das Günther benötigte, um auf der Kampfsportmatte zu obsiegen, wird der Mann mit dem lichten Haar in seinem neuen Job gut brauchen können. Am Montag war sein erster Arbeitstag in der Essener Zentrale des Handels- und Touristikkonzerns. Nicht als Chef der Finanzen, sondern zunächst als "Lehrling" an der Seite von Amtsinhaber Peter Diesch.

Arcandor: Im Vorstand von Arcandor gab es in der letzten Zeit viele Wechsel - doch die Probleme sind geblieben.

Im Vorstand von Arcandor gab es in der letzten Zeit viele Wechsel - doch die Probleme sind geblieben.

(Foto: Foto: dpa)

Der 54-Jährige wird seinen Nachfolger einen Monat lang einarbeiten. Dann verlässt Diesch Arcandor nach zwei Jahren mit unbekanntem Ziel. Sein Vertrag hatte eine Laufzeit bis Ende 2009, und eingedenk der Lobeshymnen, die Konzernchef Thomas Middelhoff bisweilen in der Öffentlichkeit über seinen Finanzvorstand anstimmte, hatten Außenstehende den Eindruck, an der Spitze dieses Ressorts werde es so rasch keinen Wechsel geben. Dieschs Vorgänger Harald Pinger hatte es ebenfalls nur 24 Monate im Amt gehalten. Die offizielle Abschiedsformel war in beiden Fällen die gleiche: "Persönliche Gründe" hätten die Manager dazu bewogen, den Aufsichtsrat um eine Vertragsauflösung zu bitten.

Personalwechsel zur Unzeit

Im Umfeld des Unternehmens kursieren auch andere Versionen: Sowohl Pinger als auch Diesch seien mit zunehmender Amtszeit häufiger mit Vorstandschef Middelhoff aneinandergeraten, heißt es. Auch hätten sich beide Hoffnungen auf die Nachfolge des Konzernlenkers gemacht. Middelhoff hatte seinen Abschied zunächst für Dezember 2008 terminiert, ehe er sich in diesem Frühjahr dazu entschloss, ein Jahr länger zu bleiben.

Tatsache ist, dass Diesch zuletzt ungewöhnlich großen Einfluss hatte: Er verantwortete die Bereiche Controlling, Bilanzen, Steuern, Immobilien, Finanzdienstleistungen sowie Mergers & Acquisitions. Seit dem vorzeitigen Ausscheiden von Warenhauschef Peter Wolf in diesem Juli trug Diesch zusätzlich Verantwortung für Karstadt. Obendrein übertrug ihm Middelhoff vor zwei Monaten das Personalressort. Der zuständige Vorstand Matthias Bellmann hatte das Unternehmen kurz vorher verlassen. Ein solches Mammutprogramm sei für Diesch nicht zu schultern gewesen, sagen Beobachter. Zumal er immer noch pendelte - zwischen seiner in Norddeutschland lebenden Familie und dem Arbeitsplatz in Essen.

Ganz gleich, aus welchen Motiven heraus der frühere Linde-Manager Arcandor verlässt: Sein Weggang trifft das wieder einmal in einem tiefen Umbruch befindliche, finanziell angeschlagene Unternehmen zur Unzeit. Und das aus zwei Gründen: Ein Wechsel in stürmischen Zeiten ist immer problematisch, weil dann dem neuen Kapitän wenig Zeit bleibt, sich einzuarbeiten. Damit ist die Gefahr groß, Fehler zu machen. Zwar gilt Günther als langjähriger Finanzchef und Geschäftsführer des Landmaschinenherstellers Claas als gut vernetzt in der Finanzwelt. Ihn aber wegen einer früheren Tätigkeit beim Metro-Konzern als "exzellenten Kenner des Handels" zu bezeichnen, wie dies Middelhoff tut, ist ein wenig verwegen. Schließlich liegt der Metro-Job bereits mehr als 15 Jahre zurück.

Bedrohliche Situation

Der erneute Personalwechsel schürt auch Gerüchte, die Situation bei Arcandor sei sehr viel bedrohlicher, als dies das Unternehmen einräumt. Details teilt der Konzern erst am 15. Dezember bei der Vorstellung der Bilanz für das Geschäftsjahr 2007/08 (30.9.) mit. In den ersten neun Monaten dieser Abrechnungsperiode, in denen das lukrative Weihnachtsgeschäft bereits enthalten war, blieben Umsatz und Ergebnis weit hinter den Erwartungen zurück.

Ende September hatten sich die Banken zudem geweigert, ihren Konsortialkredit zu verlängern. Erst als das Bankhaus Sal. Oppenheim im Alleingang eine Kapitalerhöhung finanzierte, entspannte sich die Situation. Von großer Bedeutung für den Konzern, der nach wie vor einen Partner für sein Warenhausgeschäft sucht, ist nun der Verlauf des Weihnachtsgeschäfts. Bisher sei der Verlauf "sehr zufriedenstellend", sagte ein Firmensprecher am Montag.

Bei allem Wirbel, den die Personalie Diesch verursacht, geht beinahe unter, dass mit Helmut Merkel ein weiterer Vorstand Arcandor zum Jahresende vorzeitig verlässt. Der 59-Jährige war lange Zeit für den Einkauf sowie für das Warenhausgeschäft verantwortlich gewesen. Mit nunmehr vier Managern hat Arcandor in diesem Jahr mehr als die Hälfte des Vorstandsteams ausgewechselt.

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