Arcandor in Not:Abstiegskampf statt Aufstiegsfeier

Der frühere Konzernchef Middelhoff wollte Arcandor "zum Maßstab für alle Unternehmen in der Branche machen" - jetzt droht ohne Staatshilfe die Insolvenz.

S. Weber

Am Anfang stand ein großes Versprechen: "Wir wollen Karstadt-Quelle wieder zu dem machen, was es einmal war - zum Maßstab für alle Unternehmen der Branche." Als Thomas Middelhoff im Mai 2005 diese Worte sprach, hatte er kurz zuvor die Führung des Essener Handels- und Touristikkonzerns übernommen. Die Ankündigung war Balsam für die Aktionäre. Schließlich war ihr Unternehmen gerade knapp an einer Insolvenz vorbeigeschrammt.

Arcandor in Not: Das Tafelsilber verkauft - die Bilanz des Thomas Middelhoff.

Das Tafelsilber verkauft - die Bilanz des Thomas Middelhoff.

(Foto: SZ-Graphik: M. Mainka)

Heute, vier Jahre später, ist die Situation für den inzwischen in Arcandor umbenannten Konzern nicht minder bedrohlich. Nur noch knapp drei Wochen bleiben Middelhoffs Nachfolger, dem seit März amtierenden früheren Telekom-Finanzchef Karl-Gerhard Eick, um eine Anschlussfinanzierung für einen Kredit über 650 Millionen Euro abzuschließen. Ohne Sicherheiten werden die Gläubigerbanken einer Verlängerung nicht zustimmen. Aber der Arcandor-Chef kann den Gläubigern nichts von Substanz mehr bieten: Sein Vorgänger hat alles, was nicht niet- und nagelfest war, verkauft. Allein mit der Veräußerung von Immobilien füllte Middelhoff die Firmenkasse mit mehreren Milliarden Euro.

350 Millionen Euro Miete

Der Zeitpunkt für den Verkauf war günstig - vor drei, vier Jahren zahlten internationale Finanzinvestoren sehr hohe Summen für Handelsimmobilien. Die Kehrseite der Medaille für Arcandor war, dass das Unternehmen plötzlich überall nur noch Mieter war. Das schraubte die monatlichen Belastungen deutlich in die Höhe. So muss heute die Konzerntochter Karstadt in jedem Jahr etwa 350 Millionen Euro an die Eigentümer der Warenhäuser zahlen. Middelhoff hatte darauf gesetzt, dass die seit Jahren schwächelnde Karstadt-Gruppe diese Summe leicht aufbringen werde, wenn sie erst saniert sei.

Diese Rechnung ist nicht aufgegangen. Karstadt ist schwach wie eh und je und kann nun auch nicht mehr seinen Immobilienbesitz in die Waagschale werfen, um Gläubiger milde zu stimmen. Helfen kann wohl nur noch der Staat mit einer Bürgschaft. Seit Mittwoch vergangener Woche liegt der entsprechende Antrag in Berlin vor. Aber die Signale, die Eick aus der Politik empfängt, können ihn nicht hoffnungsvoll stimmen. Am Wochenende hat sich Laurenz Meyer, wirtschaftspolitischer Sprecher der Unions-Fraktion, gegen Staatshilfen für Arcandor und für eine privatwirtschaftliche Lösung ausgesprochen. Dagegen warnte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Montag vor politischen Vorfestlegungen. "Ich weigere mich, bevor überhaupt der Bürgschaftsausschuss den Antrag gesehen, jetzt bereits politische Zu- oder Absagen zu machen", sagte sie in Berlin.

An diesem Donnerstag beschäftigt sich der interministerielle Bürgschaftsausschuss mit dem Thema. Dessen Votum hat Gewicht für die Entscheidung, die am Ende der Lenkungsausschuss des Wirtschaftsfonds Deutschland trifft. Aus Sicht von Arcandor ist Eile angesagt: Am 12. Juni wird der Kredit über 650 Millionen Euro fällig.

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Die Fehler von Arcandor

Eick streitet nicht ab, dass die Geschäfte bei Karstadt nicht erst im Gefolge der Finanzkrise schlecht laufen. Auch räumt er ein, dass das Management in der Vergangenheit Fehler gemacht habe. Anders als Middelhoff, der bis zuletzt Glauben machen wollte, der Konzern stehe gar nicht so schlecht da, wenn man nur das Zahlenwerk um eine Unmenge von Sonderposten und Einmalaufwendungen bereinige, redet Eick nichts schön. Dennoch sieht er Arcandor als Opfer der Krise, weil der Konzern nach seiner Überzeugung in einem anderen wirtschaftlichen Umfeld nicht diese Probleme haben würde, den in knapp drei Wochen fälligen Kredit zu verlängern.

Dass das Argumente in Berlin Gehör finden, ist nicht sehr wahrscheinlich. Deshalb appelliert das Management in Essen - seit kurzem assistiert vom Bankhaus Sal. Oppenheim als Großaktionär - mit drastischen Worten an die Politik. Karstadt-Chef Stefan Herzberg spricht von "Biografien von mehr als 50 000 Mitarbeitern, die im Fall einer Insolvenz gebrochen würden." Und Friedrich Carl Janssen, der als Vertreter von Oppenheim den Vorsitz im Aufsichtsrat hat, bezeichnete den Vorstoß von Metro-Chef Eckhard Cordes, Kaufhof und Karstadt unter ein Dach zu bringen, als "unmoralisches Angebot", weil es die Insolvenz von Arcandor voraussetze.

Der Konter aus der Metro-Zentrale ließ am Montag nicht lange auf sich warten: "Was ist unmoralisch an einem Angebot, dass den Steuerzahler kein Geld kostet und die Mehrheit der Arbeitsplätze und die Mehrheit der Warenhaus-Standorte erhält?", sagte ein Konzernsprecher. Gleichwohl will Metro für seine Warenhaus-Tochter Kaufhof Nutzen aus der Schieflage des Mitbewerbers ziehen. Bei einer Insolvenz könnte sich Metro preisgünstig die Filetstücke aus dem Karstadt-Reich sichern. Ein auf diese Weise aufgehübschter Warenhauskonzern ließe sich später, wenn die Krise vorbei ist, zu einem guten Preis veräußern, sei es über die Börse oder sei es an einen Investor.

Aktie stürzt massiv ab

Auch im Falle eines Überlebens über den 12. Juni hinaus wird Karstadt mit hoher Wahrscheinlichkeit über kurz oder lang mit Kaufhof gemeinsame Sache machen. Das wird erhebliche Folgen für Standorte und Mitarbeiter haben. In 33 Städten sind beide Warenhausunternehmen mit jeweils mindestens einer Filiale vertreten. Aber in den dann anstehenden Verhandlungen wäre die Position der Arcandor-Tochter sehr viel besser als im Fall einer Insolvenz.

Die Börse hat am Montag ein klares Bekenntnis abgegeben, wie sie die Überlebenschancen von Arcandor einschätzt. Die Aktie des Essener Konzerns büßte zeitweise mehr als 25 Prozent an Wert ein und stürzte auf bis zu 1,65 Euro. Middelhoff dagegen hatte den angemessenen Wert von Arcandor in ganz anderen Regionen gesehen: "40 Euro plus x" , hielt er für möglich. Das war im Sommer 2007, als er den Aktionären bei gleicher Gelegenheit in Aussicht stellte, ihr Unternehmen werde schon bald wieder in der Champions League spielen.

Kurz vor seinem Abschied, im Februar 2009, hat er das relativiert: "Wir spielen in der Aufstiegsrunde", frohlockte er in seinem letzten Interview als Arcandor-Chef. Um dann noch zu ergänzen: "Wenn es um mein Ego ginge, würde ich bis zum Herbst bleiben, um bei der Aufstiegsfeier dabei zu sein."

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