Arcandor geht in die Insolvenz:Eigentum vernichtet

Die Arcandor-Eigentümer haben versagt. Sie wollten in einer Krise, in der der Staat mehr gefragt ist als je zuvor, diesen überstrapazieren. Der Staat hat sich dem zu Recht widersetzt.

Ulrich Schäfer

Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland steht ein schöner Satz, der leider nicht mehr viel gilt: Eigentum verpflichtet. Eigentlich also wären die Eigentümer von Arcandor verpflichtet, alles zu tun, um das Unternehmen am Leben zu erhalten.

Arcandor, dpa

Arcandor geht in die Insolvenz - weil die Eigentümer versagt haben.

(Foto: Foto: dpa)

Eigentlich wären sie verpflichtet, um jeden Job zu kämpfen, um jeden Mitarbeiter, um jedes Schicksal, das an ihrem Unternehmen hängt. Es sind viele Schicksale. Der Kaufhaus- und Touristikkonzern beschäftigt 56.000 Menschen. Quelle und Karstadt, die traditionsreichen Firmen, die sich hinter dem Kunstbegriff Arcandor verbergen, geben vielen Familien seit Generationen Arbeit. Doch die Eigentümer von Arcandor fühlten sich am Ende niemandem mehr verpflichtet: ihren Mitarbeiter nicht, aber auch nicht dem Land, der Gesellschaft, dem Staat.

Die Pleite von Arcandor ist eine der größten Insolvenzen in der bundesdeutschen Geschichte. Sie wird das Verhältnis der Bundesbürger zu ihren Wirtschaftsführern womöglich nachhaltiger beeinträchtigen als all die großen Firmenzusammenbrüche zuvor: mehr als Kirch, mehr als der Bremer Vulkan, mehr als die Herrstatt-Bank. Denn Arcandor ist nicht an der Finanzkrise zugrunde gegangen, nicht an der harten Linie der Bundesregierung und auch nur zum Teil am großen Kaufhaussterben, das seit Jahren zu beobachten ist.

Letztendlich haben vor allem die Eigentümer versagt. Sie haben den Staat um Hilfe angefleht, haben aber selbst kaum Hilfe geleistet. Sie wollten den Steuerzahler in die Haftung nehmen, aber so wenig wie möglich selber haften. Sie wollten in einer Krise, in der der Staat mehr gefragt ist als je zuvor, die öffentliche Hand überstrapazieren. Der Staat hat sich dem widersetzt. Und zwar zu Recht. Denn er ist auch jemandem verpflichtet - seinen Bürgern.

Die pflichtvergessenen Eigentümer von Arcandor: Das sind die Familie Schickedanz und die Privatbank Sal. Oppenheim, die wichtigsten Aktionäre des Unternehmens. Das sind aber auch jene Banken, denen die Warenhaus-Immobilien gehören. Immobilien in bester Lage, die Karstadt vor Jahren in der Not verkauft hat und für die das Unternehmen nun horrende Mieten zahlen muss. Die pflichtvergessenen Eigentümer: Dazu muss man aber auch jene Manager zählen, die Karstadt in den vergangenen Jahren geführt haben. Sie haben die Aktiengesellschaft zu Unrecht als ihr persönliches Eigentum behandelt - ähnlich wie dies heutzutage viele angestellte Manager tun. Dabei haben sie Arcandor, ehemals Karstadt-Quelle, ausgehöhlt. Sie haben verkauft, was nicht niet- und nagelfest war. Sie haben es verstanden, mit Firmen zu handeln, nicht aber mit Unterwäsche, Handtaschen, Sakkos und Rührgeräten.

Der vielleicht umstrittenste dieser Manager, Thomas Middelhoff, kassierte bis zum Frühjahr als Vorstandschef Millionen - und war als Investor zugleich auch an den Mieteinnahmen beteiligt. Die Bundesjustizministerin hat deshalb getan, was sie eigentlich gar nicht darf: Sie hat die Staatsanwälte kaum verhohlen aufgefordert, Ermittlungen einzuleiten. Middelhoff dagegen behauptet, seine Immobiliengeschäfte seien legal. Man könnte aber auch behaupten: Manager wie Middelhoff haben nicht verstanden, was im Grundgesetz steht.

Aber nicht nur die Eigentümer und die Manager haben Arcandor hängen lassen, sondern auch die Banken. Sie sind Gläubiger und Vermieter zugleich, sie hätten Karstadt die Warenhaus-Miete reduzieren sollen, sie hätten Arcandor einen Notkredit gewähren sollen, sie hätten ihrer Verantwortung gerecht werden müssen. Auch für die Eigentümer des geliehenen Geldes gilt die Verpflichtung aus der Verfassung. Nun werden die Banken einen Teil ihres Geldes in der Insolvenz verlieren. Den Ruf der Finanzindustrie wird dies nicht weiter beeinträchtigen, der ist zuvor schon durch die Finanzkrise lädiert.

Der Bundesregierung dagegen kann man keinen großen Vorwurf machen. Die Politik hat sich nicht verweigert. Die Kanzlerin und ihr Vize, der Wirtschafts- und der Finanzminister: Sie alle haben mit Vertretern von Arcandor geredet. Sie alle waren gewillt, dem Unternehmen zu helfen. Aber eben nicht um jeden Preis. Man mag einwenden, dass die Verantwortlichen in Berlin derlei Skepsis schon bei Opel hätten zeigen sollen, ja müssen. Wie Arcandor ist Opel nicht durch die Finanzkrise in Not geraten, auch der Autobauer erfüllte nicht die Kriterien, die die Regierung für mögliche Staatshilfen aufgestellt hat. Wenn die Bundesregierung sich diesmal nun anders entscheidet, zeigt dies immerhin, dass Politik bisweilen lernfähig sein kann.

Die Insolvenz wird nicht das Ende von Karstadt sein, allenfalls das Kunstgebilde Arcandor wird untergehen. Für die Kaufhäuser aber stehen schon neue Eigentümer bereit. Der Metro-Konzern, dem auch die Kaufhof-Kette gehört, will 60 der 91 Warenhäuser übernehmen. Hinter den neuen Eigentümern wiederum steht der Haniel-Konzern, eines der größten Familienunternehmen der Republik.

Man darf erwarten, dass die künftigen Eigentümer dann auch beherzigen, was im Grundgesetz steht: Sie sind in der Pflicht - im eigenen Interesse, und im Interesse des Landes.

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