Arbeitswelt:Allzeit bereit

Aus einem Laptopbildschirm wird eine Person am Rechner von einem Kriminellen mit der ausgestreckten

Viele Mitarbeiter rufen auch in der Freizeit ihre Dienstmails ab.

(Foto: imago)

E-Mails lesen im Urlaub oder Anrufe vom Chef nach Feierabend: Fast jeder zweite Arbeitnehmer kann zwischen Arbeit und Freizeit nicht trennen - oder darf es nicht. Für die Gesundheit kann das ständige Erreichbar-Sein zum Problem werden.

Von Katharina Kutsche

Ob bei der Grillparty mit Freunden oder am Abendbrottisch mit der Familie, nach Dienstschluss auf Empfang zu sein, wird in der Arbeitswelt immer normaler. Fast jeder zweite Arbeitnehmer schaut nach Feierabend in seine dienstlichen E-Mails, jeder Fünfte wird mindestens einmal wöchentlich während seiner Freizeit aus dem Büro angerufen. Das ergab eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Yougov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur, die am Montag veröffentlicht wurde.

Bei der Online-Umfrage, an der mehr als 1000 Erwerbstätige teilnahmen, gaben 45 Prozent der Teilnehmer an, nach Feierabend mindestens einmal oder sogar öfter Geschäfts-E-Mails zu lesen. Das Pflichtbewusstsein reicht sogar bis an den Strand oder ins Ferienhaus: Etwa jeder dritte Befragte hat auch in seinem jüngsten Urlaub seine E-Mails geprüft. Dabei könnte gerade das zu Umstimmigkeiten bei den Mitreisenden führen: Auf die Frage, ob es sie störe, wenn ihre Begleitung im Urlaub berufliche E-Mails liest, antworteten 40 Prozent mit Ja.

Diese mangelnde Trennung zwischen Beruf und Freizeit empfinden die Umfrage-Teilnehmer mehrheitlich als unangenehm: Ein Drittel beschreibt dies als "ein wenig belastend", ein weiteres Drittel als "eher" oder "sehr belastend". Das verbleibende Drittel hatte damit kein Problem.

Dabei sind die Folgen für die Gesundheit der Erwerbstätigen durchaus problematisch. Die Initiative Gesundheit und Arbeit (Iga), eine Kooperation des BKK Dachverbands, der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, des AOK-Bundesverbands sowie des Verbands der Ersatzkassen e. V., veröffentlichte ebenfalls am Montag eine Studie zu den Auswirkungen der ständigen Erreichbarkeit. Darin klagen knapp zwei Fünftel der 125 Befragten, sich durch den Dauerabruf nicht erholen zu können, etwa ein Drittel der Betroffenen fühlt sich erschöpft. Weiteren Teilnehmern fällt es schwer, Schlaf zu finden.

Das Iga-Team befragte Mitarbeiter in einem großen IT-Unternehmen sowie einem städtischen Versorgungs- und Dienstleistungsunternehmen aus dem mitteldeutschen Raum. Dabei zeigte sich, dass es manchmal nicht damit getan ist, im Laufe eines Abends ab und zu aufs Smartphone zu schauen, um erreichbar zu sein. Je nach Aufgabenbereich, müssen die befragten Mitarbeiter auch auf einen möglichen Internetzugang achten und sogar beim Restaurantbesuch auf Alkohol verzichten - schließlich kann aus dem Anruf nach Feierabend schnell ein Arbeitseinsatz werden.

Die Meinungsforscher von Yougov unterschieden in ihrer Umfrage nicht zwischen Arbeitnehmern, die vertraglich zum Dauerabruf verpflichtet sind und solchen, die freiwillig des Abends ihre dienstlichen E-Mails lesen. In der Iga-Studie wird dagegen deutlich, dass Erwerbstätige genau in diesem Punkt Klarheit brauchen: Gut 60 Prozent der dort Befragten wünschen sich gesetzliche oder innerbetriebliche Regelungen für die Erreichbarkeit.

Derartige Regelungen gibt es bereits bei einigen deutschen Unternehmen: So sind etwa die Mitarbeiter der Telekom nicht dazu verpflichtet, nach Feierabend auf berufliche E-Mails zu antworten. Bei BMW gilt seit 2014 eine Betriebsvereinbarung unter dem Motto "Flexibel arbeiten - bewusst abschalten". Die Mitarbeiter erfassen Mobilarbeit als Arbeitszeit und haben zudem das Recht, nicht erreichbar zu sein.

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