Arbeitsmarkt:Flüchtlinge werden ineffizient auf Bundesländer verteilt

Ausbildungsmesse für Flüchtlinge

Viele Flüchtlinge zieht es in größere Städte. Doch dass sie dort leichter einen Job finden, ist nicht gesagt.

(Foto: Bernd Wüdpa)
  • Nicht überall in Deutschland haben Flüchtlinge gleich gute Chancen, einen Job zu finden. Die Behörden beachten das bei der Verteilung nicht.
  • Es müssten mehr Flüchtlinge auf boomende Bundesländer wie Bayern oder Baden-Württemberg verteilt werden. Das würde auch die Integration erleichtern.

Von Alexander Hagelüken

Wie gut sich Flüchtlinge in Deutschland integrieren, hängt stark davon ab, ob sie Arbeit finden. Dabei mahnt die Vergangenheit zur Geduld: Es dauerte in früheren Dekaden viele Jahre, bis Flüchtlinge in ähnlich hoher Zahl beschäftigt waren wie Deutsche oder andere Zuwanderer. Im Sommer 2016 hatte nicht mal jeder Zehnte aus den Hauptherkunftsländern eine sozialversicherte Stelle, aber 60 Prozent der Deutschen.

Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) fand nun heraus, wie Integration schneller klappen könnte: Wenn mehr Flüchtlinge dort leben, wo es boomt. Die Arbeitslosenquoten unterscheiden sich stark nach Bundesländern, ergibt die Untersuchung, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. In Bayern, Baden-Württemberg und Hessen beispielsweise waren nach den aktuellsten Daten aus 2016 nur etwa 40 Prozent der Migranten aus den außereuropäischen Asylländern wie Syrien, Irak oder Nigeria arbeitslos. In Nordrhein-Westfalen, dem Saarland oder Mecklenburg-Vorpommern dagegen lag die Rate bei knapp 60 bis 80 Prozent.

In Bayern gibt es wenige Arbeitslose - aber auch wenige Flüchtlinge

Zugleich aber gibt es ein seltsames Gefälle: Es leben ausgerechnet dort besonders wenige Migranten, wo besonders viele eine Stelle finden könnten. So kommen in Bayern nach den jüngsten Zahlen nur gut drei anerkannte oder geduldete Flüchtlinge auf 1000 Einwohner - in NRW oder den Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg dagegen drei- bis fünfmal so viele. Dabei wäre eigentlich klar, wo besonders viele von ihnen eine Stelle finden könnten: Die generelle Rate aller Arbeitslosen, also auch der Deutschen, liegt in NRW, den Stadtstaaten oder im Osten zwei bis drei Mal so hoch wie in Bayern.

"Die jetzige Verteilung der Flüchtlinge ist nicht wirklich effizient", sagt deshalb Professor Herbert Brücker vom Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB). "Sinnvoller wäre es, mehr Flüchtlinge wären in prosperierenden Regionen." Der Arbeitsmarkt spielt aber kaum eine Rolle dabei, wohin Behörden die Ankommenden schicken. Warum leben Flüchtlinge also dort, wo sie leben?

Zunächst werden sie nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel auf die Bundesländer verteilt, wobei es zählt, wie dicht das Land besiedelt ist und wie viele Steuern gezahlt werden. Dann verteilen die Länder nach unterschiedlichen Kriterien auf die Kommunen weiter. All das richtet sich nicht nach den Arbeitsaussichten.

Sobald sie dürfen, gehen Flüchtlinge dann oft vom Land in größere Städte, weil sie deren Namen kennen, sie dort Bekannte haben und sich bessere Chancen auf Arbeit ausrechnen. Dieses Kalkül muss aber nicht aufgehen, analysiert Wido Geis vom Institut der Deutschen Wirtschaft: "Über Freunde und Bekannte finden Flüchtlinge manchmal einen Job. Diese Communities können aber nicht in größerem Umfang Jobs schaffen." Geis fordert daher eine stärkere politische Steuerung. "Wichtig ist, dass die Flüchtlinge dahin kommen, wo die Chancen auf einen Arbeitsplatz gut sind." Der Forscher schlägt vor, die Arbeitsagenturen sollten Flüchtlinge gezielt über ihre Bezirke hinaus in besonders vielversprechende Regionen vermitteln. Außerdem sei es sinnvoll, mehr Flüchtlinge in die Regionen zu verteilen, in denen es viele Arbeitsplätze gibt. "Also etwa in die wirtschaftsstarken Gebiete in Bayern, Baden-Württemberg und Hessen."

Verteilung von Flüchtlingen "ein Stück weit planwirtschaftlich"

Seit Sommer 2016 können Behörden bei Migranten ohne Job oder Ausbildung nach Abschluss des Asylverfahrens bis zu drei Jahre bestimmen, wo sie leben. Diese Wohnsitzauflage sollte genutzt werden, um Migranten in Regionen mit vielen Stellen zu bringen, sagt Geis. Es ist noch unbekannt, wie genau die Länder die neue Möglichkeit anwenden. Es wurden aber beispielsweise nicht nennenswert viele Flüchtlinge von Nordrhein-Westfalen, wo es besonders viele gibt, nach Bayern verteilt wie ursprünglich geplant.

IAB-Forscher Brücker findet den IW-Vorschlag mit der Wohnsitzauflage "ein Stück weit planwirtschaftlich". Das hat eine gewisse Komik, weil das Institut der Deutschen Wirtschaft arbeitgebernah ist, während Brückers Institut an die staatliche Bundesagentur für Arbeit angelehnt ist. Brücker glaubt, dass die Auflage bei der Suche nach einem Job behindert. Er will Flüchtlingen nach dem Verfahren weitgehend freistellen, wo sie leben. "In den vergangenen Jahren gingen überdurchschnittlich viele Einwanderer, die keine Asylbewerber sind, in prosperierende Städte. In München, Stuttgart und Frankfurt ist der Ausländeranteil 1,8-mal so hoch wie in Berlin. Wenn Menschen freiwillig entscheiden, wo sie hingehen, richten sie sich auch nach wirtschaftlichen Kriterien."

Auch er sieht die Gefahr, dass ein Teil der Flüchtlinge sich in strukturschwachen Gegenden niederlässt, weil sie dort Bekannte oder Familienangehörige haben und obwohl es dort wenig Aussicht auf Beschäftigung gibt. Nur in diesem Fall sollten die Behörden dann bremsen, schlägt er vor.

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