Arbeitsmarkt:Einmal Hartz IV, immer Hartz IV

Bringen die Hartz-Gesetze überhaupt den gewünschten Effekt? Nach SZ-Recherchen beziehen seit 2005 fast 500.000 Menschen durchgehend Hartz IV, obwohl sie permanent auf Jobsuche waren.

Thomas Öchsner

Die Hartz-Reformen haben für knapp eine halbe Million Menschen bisher nichts gebracht. 436.000 Personen, die seit Einführung der staatlichen Grundsicherung im Jahr 2005 dauerhaft auf Arbeitslosengeld II (Hartz IV) angewiesen und auf Jobsuche sind, ist es nicht gelungen, eine existenzsichernde Beschäftigung aufzunehmen. Diese Zahl hat die Bundesagentur für Arbeit (BA) erstmals auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung vorgelegt. Der Personenkreis, der seit 2005 ununterbrochen Hartz IV bezieht, aber nicht dauerhaft als arbeitssuchend gilt, ist noch deutlich größer. Er ist nach Angaben der BA sogar mit 1,42 Millionen Personen fast dreimal so hoch.

Hartz IV - Illustration

Seit Wochen wird an der Reform der Reform gewerkelt. Jetzt zeigen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit: Fast eine halbe Million Menschen sind auf dem regulären Arbeitsmarkt nahezu chancenlos.

(Foto: dpa)

Ziel der Arbeitsmarktreformen unter der damaligen rot-grünen Bundesregierung war es, unter dem Motto "Fördern und fordern" die Zahl der Menschen, die von staatlicher Unterstützung leben, möglichst gering zu halten. Die neuen Zahlen der BA zeigen nun, dass viele dauerhaft im Hartz-IV-System geblieben sind.

Der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Dieter Hundt, sagte: "Die Aktivierung, Förderung und Vermittlung von Arbeitslosengeld-II-Beziehern ist bisher nicht optimal." Der DGB-Arbeitsmarktexperte Wilhelm Adamy kritisierte, dass den Hartz-IV-Beziehern in den Jobcentern oft "stabile Ansprechpartner" fehlten. Auch reichten die arbeitsmarktpolitischen Hilfen meist nicht aus.

Eine Sprecherin der BA sagte, viele Hilfsbedürftige seien aus der Sozialhilfe in die Grundsicherung übernommen worden. Diese Menschen seien mehr als "langzeitarbeitslos". Sie hätten zum Beispiel gesundheitliche Probleme; oder ihnen fehle die schulische und berufliche Bildung. Darunter befänden sich auch viele, die nicht länger als drei Stunden am Tag arbeiten könnten. Für solche begrenzt Erwerbsfähigen gebe es aber keine Jobs auf dem Arbeitsmarkt.

Gefangen im Kreislauf der Armut

Die Sprecherin wies darauf hin, dass unter die 1,42 Millionen Dauer-Empfänger nicht ausschließlich nicht- oder schwervermittelbare Personen fallen. So gebe es zum Beispiel 370.000 Alleinerziehende und 90.000 Hilfsbezieher im Vorruhestand, die sich ganz legitim vom Arbeitsmarkt zurückgezogen hätten. Um diese und andere Gruppen bereinigt, blieben etwa 436.000 Menschen übrig, die - trotz Jobsuche - seit 2005 dauerhaft Hartz IV erhalten.

Darin enthalten seien aber auch "Aufstocker", die wegen ihres geringen Arbeitseinkommens zusätzlich Hartz IV benötigen. Hundt sprach hier von Fehlanreizen, welche die Regierung bei der Reform der Hinzuverdienst-Regeln nicht abgebaut habe. "Diese Regeln machen es nach wie vor für viele attraktiv, nur mit einem Minijob in der Fürsorgeleistung zu verharren." DGB-Experte Adamy sagte, zu viele Arme seien in einem "Prekariatskreislauf" gefangen. Sie erlebten einen ständigen Wechsel zwischen Leiharbeit, befristeter Beschäftigung und Hartz IV, ohne eine Chance auf dem Arbeitsmarkt zu haben.

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