Arbeitsmarkt:Aus fünf mach' drei

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Mehr als die Hälfte der Zeitarbeiter hat durch diese Beschäftigung aus der Arbeitslosigkeit gefunden. Das ist ein guter Mechanismus, sollte aber keine Einladung sein, auf Dauer Löhne zu drücken.

Alexander Hagelüken

Die Arbeitslosigkeit steigt, doch momentan ist keine Zeit, da diese Worte wirklich bedrohlich sind. Der kalte Winter hat die Zahl der Jobsucher nach oben getrieben, aber das ist ein temporäres Phänomen, erklärbar durch tote Baustellen und typische Jahresend-Kündigungen. Vom Schnee befreit, glänzt der Trend weiter. In Deutschland sind fast zehn Prozent weniger Menschen ohne Stelle als ein Jahr zuvor. Erst der langfristige Vergleich zeigt, welche Revolution im Gang ist: Musste sich die Bundesrepublik zur Mitte der vergangenen Dekade mit fünf Millionen Arbeitslosen einrichten, sind es jetzt nur noch rund drei. Aus fünf mach' drei: Einen solchen Jobboom hat das Land seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen.

Die Zahl der Arbeitslosen ist zu Beginn des Jahres leicht gestiegen. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Wie lange galt die Bundesrepublik als kranker Mann Europas, doch inzwischen sieht die Situation ganz anders aus. Frankreich, Italien, von Spanien mit 20 Prozent Arbeitslosigkeit gar nicht zu reden: Unter den großen Euro-Staaten steht Deutschland sehr gut da. Natürlich hat das Bild ein paar Flecken. Mehr als eine Million Menschen sind in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen geparkt, die Statistik lässt sich mit den Zahlen früherer Jahre nicht mehr ganz vergleichen. Trotzdem sind eindeutige Faktoren zu erkennen, die Deutschland von den Euro-Partnern unterscheiden - und die es zu erhalten gilt.

Der deutsche Mix

Das fängt mit den schmerzhaften Sozialreformen der Schröder-Ära an, die genau im Mehltau der Fünf-Millionen-Marke ansetzten, die die Massenarbeitslosigkeit in der Bundesrepublik dauerhaft zu etablieren schien. Das setzt sich fort im Streben der Firmen nach internationaler Konkurrenzfähigkeit, zurückhaltenden Lohnabschlüssen und den gemeinsamen Versuchen von Arbeitgebern und Gewerkschaften, die Arbeitswelt nach den Erfordernissen der Globalisierung zu flexibilisieren. Und es findet seine Entsprechung in dem teuren wie erfolgreichen Versuch, in der Krise durch Kurzarbeit Massenentlassungen zu verhindern. Vieles davon unterscheidet Deutschland von den starren Arbeitsmärkten und klassenkämpferischen Tarifscharmützeln anderer Euroländer.

Vom Rest abgehängt

Jetzt gilt es diesen Weg erfolgreich fortzusetzen, um noch mehr Menschen in Arbeit zu bringen, viele Arbeitnehmer besser zu stellen und einem Mangel an Fachkräften vorzubeugen. Besonderer Anstrengungen bedürfen all die Hartz-IV-Empfänger. Zwar fanden im Jobboom der vergangenen Jahre auch Langzeitarbeitslose eine Beschäftigung. Doch sie profitierten nur unterdurchschnittlich vom Wandel auf dem Arbeitsmarkt. Gering Qualifizierte oder Alleinerziehende fallen häufig durch den Rost. Und die Debatte über ihre Zukunft konzentriert sich zu sehr auf die Höhe einer dauerhaften Alimentierung, als sei "Hartzer" eine Lebensstellung. Seit Monaten beharken sich die Parteien über ein paar Euro mehr im Monat für Hartz-IV-Empfänger, für Sonntag ist eine Lösung angepeilt. Dabei sollte dieser Aspekt ein Detail sein, die zentrale Frage aber jene, wie möglichst viele von ihnen zurück ins Arbeitsleben kommen.

Arbeitsmarktpolitik ist auch Gesellschafts- und Bildungspolitik. Es braucht eine bessere Kinderbetreuung für Alleinerziehende genauso wie eine Reduzierung der Sozialbeiträge, die die niedrigen Löhne gering Qualifizierter zu stark dezimieren. Nötig sind Ganztagsschulen genauso wie mehr Sprachunterricht für Migrantenkinder, um nicht die Verlierer von morgen zu produzieren.

Während sich der Arbeitsmarkt erholt, müssen die Politiker stärker darauf achten, dass es fair zugeht. Zeitarbeiter helfen den Firmen im Auf und Ab der Konjunktur, aber es sollten keine Beschäftigte zweiter Klasse entstehen, die auf Dauer weniger verdienen als die Stammbelegschaft. Mehr als die Hälfte der Zeitarbeiter hat durch diese Beschäftigung aus der Arbeitslosigkeit gefunden, das ist ein guter Mechanismus- es sollte aber keine Einladung sein, auf Dauer Löhne zu drücken.

© SZ vom 02.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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