Arbeitsmarkt:Atmen im Job

Bei den Beschäftigten sorgen sie für Unsicherheit, doch in der Krise bewähren sich flexible Arbeitsmodelle. Doch sie funktionieren nur, wenn Arbeitgeber gewisse Regeln beachten.

Sibylle Haas

In der Wirtschaftskrise erleben derzeit viele Menschen, was es bedeutet, weniger zu arbeiten. Für die meisten ist es eine Zwangspause, in die sie geschickt werden: mal nur für ein paar Tage, mal auch für Wochen oder Monate. Bestenfalls betrachten die Betroffenen dies als unfreiwilligen Urlaub, in dem all das erledigt werden kann, was sonst lange liegenbleibt - die Steuererklärung etwa oder Behördengänge. Andere nutzen die Zeit, um sich der Familie wieder etwas mehr als sonst zu widmen.

Kurzarbeit, Proteste, AP

Demonstration von Stahlarbeitern bei Thyssen-Krupp: Weniger Arbeit, weniger Geld.

(Foto: Foto: AP)

Für etwa 1,7 Millionen Arbeitnehmer in Deutschland wurde bisher in diesem Jahr Kurzarbeit beantragt. Das ist so viel wie noch nie seit Bestehen der Bundesrepublik. Ihren Arbeitgebern - das sind immerhin mehr als 50.000 Firmen - geht es wirtschaftlich so schlecht, dass sie die Arbeitszeiten verkürzen müssen. Ihnen sind in der Rezession die Aufträge weggebrochen, und deshalb gibt es weniger Arbeit - an Fließbändern, im Verkauf und in der Verwaltung.

Viele Beschäftigte sind deshalb verunsichert. Sie verdienen weniger, weil sie nicht so viel arbeiten, und sie müssen zudem um ihre Jobs bangen. Denn wenn die Kurzarbeit endet, bisher allerspätestens nach 18 Monaten, dann muss es den Unternehmen wieder bessergehen. Nur wenn es irgendwann wieder aufwärts geht, können mit der Kurzarbeit Stellen erhalten werden. Kommt die Wirtschaft nicht aus der Rezession heraus, droht vielen Menschen die Arbeitslosigkeit - und womöglich der soziale Abstieg.

Günstiger Jobabbau

Das ist die eine, traurige Seite des Trends zur verkürzten Arbeitszeit. Es gibt aber auch eine andere Variante. Sie hat unter dem Begriff der Arbeitszeitflexibilisierung Einzug in die Praxis gehalten. Dabei geht es keineswegs nur um sogenannte prekäre und unsichere Jobs, zu denen etwa befristete Arbeitsverhältnisse, Leiharbeit, Teilzeitarbeit und Minijobs gehören können.

Mancher arbeitet vielleicht gerne als Zeitarbeitnehmer, weil er auf diese Art verschiedene Unternehmen und Arbeitsweisen kennenlernen und wichtige berufliche Erfahrungen sammeln kann. Auch Minijobs müssen nicht per se in die Armut führen, sondern können dabei helfen, das Haushaltseinkommen aufzubessern. Teilzeitarbeit muss nicht unbedingt erzwungen sein, sondern kann der Lebensplanung von Beschäftigten entsprechen.

Wer die Flexibilisierung der Arbeitszeiten verteufelt und nur die Unsicherheit der jeweiligen Jobs sieht, der blickt zu kurz. Natürlich sparen die Firmen Geld, wenn befristete Arbeitsverhältnisse einfach nur auslaufen, kein Sozialplan notwendig ist und Entlassungen deswegen kein Geld kosten. Auch ist die Personalsuche einfacher, wenn Firmen Zeitarbeitnehmer beschäftigen und diese später vielleicht in eine feste Anstellung übernehmen. Bei der Leiharbeit kommt zudem noch hinzu, dass Unternehmen Auftragsspitzen mit Zeitkräften auffangen, die sie schnell wieder loswerden, wenn die Aufträge zurückgehen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Die Chancen flexibler Arbeitsmodelle - und die Pflichten der Arbeitgeber.

Die Chancen flexibler Arbeitszeiten

Flexible Arbeitszeiten können aber eben auch von Arbeitnehmern ausdrücklich gewünscht sein. Was spricht dagegen, dass junge Menschen, wenn sie leistungsstark sind, mehr arbeiten (dürfen) als im Alter, wenn die Leistungsfähigkeit naturbedingt abnimmt?

Es gibt bereits solche "atmenden" Arbeitszeitmodelle, etwa Arbeitszeitkonten. Dabei erbringen Beschäftigte ihre Leistung im Voraus, um später bei gleichem Gehalt weniger zu arbeiten. Damit lässt sich nicht nur Altersteilzeit "finanzieren", sondern beispielsweise auch ein Sabbatical, damit Eltern eine Auszeit für die Familie nehmen oder Arbeitnehmer sich weiterbilden können. Immer häufiger nehmen Beschäftigte auch eine familienbedingte Auszeit, um ihre pflegebedürftigen Eltern zu betreuen. Das Entgegenkommen lohnt sich auch für die Unternehmen: Studien zeigen, dass Arbeitgeber, die eine familienbewusste Personalpolitik betreiben, motiviertere und produktivere Mitarbeiter haben.

Veraltete Belegschaften

Die Politik hat zudem dafür gesorgt, dass flexiblere Arbeitszeitregelungen seit diesem Jahr besser abgesichert sind. So werden die Guthaben, die Arbeitnehmer auf einem Langzeitkonto ansammeln, nun besser geschützt, falls das Unternehmen pleitegeht.

Flexiblere Arbeitszeiten werden auch deshalb wichtiger, weil die Bevölkerung immer älter wird. Die Zahl der Schulabgänger geht zurück, die Geburtenraten sinken - deshalb werden die Belegschaften älter. Unternehmen werden sich darauf vorbereiten müssen, mit ihren Beschäftigten länger zusammenzuarbeiten. Kürzere und flexiblere Arbeitszeiten, verbunden mit weniger Stress im Büro oder in der Fabrik, würden es Menschen jenseits der 60 Jahre erlauben, ein, zwei oder drei Jahre länger im Job zu bleiben.

Zudem werden die Unternehmen mehr für die Weiterbildung ihrer Beschäftigten tun müssen. Denn wenn immer weniger junge Menschen auf den Arbeitsmarkt drängen, sind auch Fachkräften schwerer zu finden. Hochqualifiziertes Personal ist selbst in der momentanen Wirtschaftskrise rar, vor allem Techniker, Ingenieure, Mathematiker und Naturwissenschaftler. Angesichts des rasanten technologischen Fortschritts wird sich der Engpass weiter verschärfen.

Möglichkeiten zur Weiterbildung bietet auch die Kurzarbeit. Die Unternehmen werden dabei vom Staat finanziell unterstützt. Die Manager sollten die Kurzarbeit deshalb nicht nur dazu nutzen, Geld zu sparen; sie sollten jetzt auch in die Zukunft ihrer Mitarbeiter investieren - und damit in die Zukunft ihres Unternehmens.

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